Der Gruppenbetriebsrat der DDV hat mit einer Mitteilung auf die Reduzierung der Belegschaft der DDV Mediengruppe reagiert (vgl. FLURFUNK vom 18.6.2024: "30 Stellen fallen weg: Leipziger Volkszeitung (LVZ) und Sächsische Zeitung (SZ) bilden gemeinsame Sachsen-Redaktion") und seine Besorgnis zum Ausdruck gebracht.
Aus der Mitteilung geht auch hervor, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sächsischen Zeitung bei einer neuen Gesellschaft bewerben sollen.
Außerdem wird die Zahl der Lokalredaktionen der Sächsischen Zeitung von 17 auf 11 reduziert.
Von 17 auf 11 Lokalredaktionen
Für die Reduzierung der Lokalausgaben haben Geschäftsführung und Chefredaktion nach FLURFUNK-Informationen das Erscheinungsgebiet der SZ in drei Großräume eingeteilt: Mittelsachsen (mit Meißen, Großenhain und Döbeln), Dresden (inklusive Sächsische Schweiz) und Oberlausitz. Dort sollen jeweils drei oder vier Lokalredaktionen übrig bleiben.
"Das passt aus unserer Sicht nicht zum versprochenen starken Lokaljournalismus", ist die Vorsitzende des Gruppenbetriebsrats der DDV Elke Schanz in der Mitteilung zitiert.
In den Lokalredaktionen, so ist zu hören, solle zwar das Personal aufgestockt werden (von 6 auf 8). Es liegt aber nahe zu vermuten (!), dass ein Modell ähnlich dem der Leipziger Volkszeitung angestrebt wird: Dort waren im Rahmen des Programms Madsack 2018 die Produktion der Lokalausgaben zentralisiert worden und die Lokalredaktionen im Wesentlichen auf redaktionelle Mitarbeiter beschränkt worden (vgl. FLURFUNK vom 22.5.2014: "Madsack 2018: Stellenabbau bei “DNN” und “LVZ”, Umbau der “LVZ”-Redaktion").
Mitarbeiter dürfen sich neu bewerben
Die Lokalredaktionen der DDV sind bislang als eigenständige GmbHs organisiert (mit den Redaktionsleitern als Geschäftsführenden Gesellschaftern). Das Modell wird in der Form abgeschafft. Dafür soll die bisherige Leipzig Media GmbH (bislang eine hundertprozentige Tochter der Leipziger Druckerei- und Verlagsgesellschaft) in die Sachsen Medien GmbH überführt werden. Dort werden dann alle redaktionellen Stellen der beiden Zeitungen gebündelt.
Das Medienportal Medieninsider hat recherchiert, dass im Rahmen des Umbaus nicht nur die benannten 30, sondern noch weitere 23 Stellen wegfallen, die nicht nachbesetzt werden sollen (Mediensinsider vom 18.6.2024 (€): "Kahlschlag bei der Sächsischen Zeitung: Madsack streicht mehr Stellen als behauptet").
"Wir sind besorgt wegen des großen Tempos und wegen der Vorgabe, dass sich alle Mitarbeiter der Redaktionen auf eine stark schrumpfende Zahl von Stellen in einer bei der Leipziger Volkszeitung angesiedelten Gesellschaft neu bewerben sollen", so der Gruppenbetriebsrat.
Tatsächlich befürchtet man dort, dass der aktuelle Umbau erst der Anfang ist.
Der Mutterkonzern Madsack als neuer Eigentümer der SZ hat bei seinen Titeln viele Bereiche der Verlagsarbeit zentralisiert und in eigenen GmbHs organisiert. So ist zu hören, dass sich die Blattmacher der Sächsischen Zeitung auf Stellen in der Zentrale in Hannover bewerben müssen.
Gleiches wird auch für Verlagsstrukturen wie Anzeigenverkauf und Vertrieb erwartet, deren Aufgaben kurz- oder mittelfristig zusammengelegt werden und teilweise oder ganz in die Zentrale abwandern könnten.
DNN und Döbelner über Verträge gebunden
Die zentrale Vorgabe des Bundeskartellamtes für die Übernahme der Sächsischen Zeitung durch die Madsack-Mediengruppe war, dass die Dresdner Neueste Nachrichten (DNN) und die Döbelner Allgemeine Zeitung (DAZ) weiter existieren. Dafür hatte Madsack die Verleger der Cellschen Zeitung als Käufer gewonnen, die nicht direkt zu Madsack gehören, dem Unternehmen aber etwa als RND-Mantel-Kunden verbunden sind (vgl. FLURFUNK vom 9.4.2024: "Madsack: Dresdner Neueste Nachrichten und Döbelner Allgemeine Zeitung verkauft, Übernahme Sächsische Zeitung genehmigt").
Entsprechend ist zu erwarten, dass beide Titel wohl noch eine Weile erhalten bleiben. Sie sind allerdings aufgrund der bestehenden Verträge über Produktion Vermarktung im Grunde von der DDV abhängig. Die Online-Inhalte aus dem Erscheinungsgebiet des Döbelner Allgemeine Anzeiger sind inzwischen zur DNN gewandert. Auf der Webseite dort sieht tatsächlich alles aus wie vorher - ein blaues Banner mit "Partner im RedaktionsnetzwerkDeutschland" prangert oben über der Seite.
Der LVZ-Abo-Dienst bietet den Abonnentinnen und Abonnenten an, beim Wechsel zu DNN+ zu unterstützen (vgl. LVZ.de vom 29.4.2024: "Die DAZ ist jetzt bei den Dresdner Neuesten Nachrichten").
War die Sanierung unvermeidbar?
Für die aktuelle Entwicklung gibt es verschiedene Interpretationen: Aus Verlagskreisen heißt es, die Sanierung der Sächsischen Zeitung habe ohnehin angestanden. Madsack bemühe sich, die Zeitung erfolgreich in die eigenen Strukturen zu integrieren. Der Fokus liege zunächst auf der Integration der Sächsischen Zeitung ins Madsack-System - in enger Verbindung mit der Leipziger Volkszeitung. Dort sollen allerdings keine Stellen wegfallen.
Andere DDV-Unternehmensteile wie Callcenter, Tag24 (inklusive Morgenpost Sachsen) und die Agentur Oberüber & Karger werde man sich später anschauen.
Beim Gruppenbetriebsrat ist man dagegen hoch besorgt:
„Wir Betriebsräte der DDV Mediengruppe in Dresden sind erschrocken über die tiefen Einschnitte, die in der Redaktion der Sächsischen Zeitung geplant sind. (...) Wir sehen noch viele Fragen offen, auch in Bezug auf unsere Mitbestimmung. Darüber hinaus befürchten wir weitere Einschnitte für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Verlag und den anderen Gesellschaften der DDV Mediengruppe. Wir Betriebsräte werden uns mit aller Kraft für unsere Kolleginnen und Kollegen einsetzen.“
Und auch der Deutsche Journalistenverband Sachsen kritisiert den "Kompetenz- und Personalabbau" als "fatales Signal zur falschen Zeit". Wörtlich heißt es in einer Mitteilung:
"Für den DJV Sachsen bewahrheitet sich damit eine Befürchtung, die der Verband bereits im Januar geäußert hatte, als bekannt wurde, dass Madsack die DDV-Mediengruppe übernehmen will. Schon damals war absehbar, dass bei LVZ und Sächsische Zeitung unter dem gemeinsamen Konzern-Dach keine Doppelstrukturen überleben würden. (...) Das sei in Sachsen auch vor dem Hintergrund einer erstarkenden AfD, die im Freistaat vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft wird, zumindest höchst fahrlässig."
DJV-Sachsen-Geschäftsführer Lars Radau ist wörtlich zitiert:
"Wenn Madsack es mit der Aussage ernst meinte, ‚qualitativ hochwertigen Regionaljournalismus‘ für ‚wichtiger denn je‘ zu nehmen, dürften nicht 30 Kolleg*innen vor die Tür gesetzt werden und die Berichterstattung in der Fläche drastisch ausgedünnt werden".
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