MDR-Intendant Ralf Ludwig: “Wir müssen den Dialog intensivieren”

MDR-Intendant Ralf Ludwig im Vorraum seines Büros am 04.04.2024 in Leipzig, Foto: MDR/Hagen Wolf

Vergangene Woche Montag (6. Mai 2024), 15.30 Uhr: Die Sitzung des MDR-Rundfunkrats ist seit einer Stunde vorbei, da empfängt MDR-Intendant Ralf Ludwig FLURFUNK gemeinsam mit zwei Journalisten-Kollegen von dpa und FAZ zum Interview. Seit einem halben Jahr ist er jetzt im Amt, schon vor Amtsantritt hatten wir ein Interview angefragt.

Im FLURFUNK-Interview spricht Ludwig über die Hintergründe für die Einsparsumme von jährlich 40 Millionen ab 2025 (vgl. FLURFUNK vom 12.4.2024), die KEF-Empfehlungen in Verbindung mit dem Auftrag sowie die Überlegungen, dass die ARD-Anstalten die Beitragserhöhung im Zweifel per Gericht durchsetzen könnten. Und er gibt einen Ausblick, wie die Entwicklung weitergehen könnte und der MDR in naher Zukunft aussehen soll.

Ralf Ludwig: "Ich bin im schlimmsten Fall von einer Kürzung um die Hälfte ausgegangen"

FLURFUNK: Beginnen wir mit der Reform der ARD: Man merkt Herrn Gniffke an, dass er gerne schon weiter wäre...
Ralf Ludwig: Also, ich finde, wir sind schon sehr weit mit unserer Reformagenda und Kai Gniffke hat das in seiner bisherigen Zeit im ARD-Vorsitz weit vorangetrieben. Vor rund einem Jahr waren Pool-Lösungen und Kompetenzzentren noch ein eher ferner Gedanke. Schauen Sie, wo wir heute stehen, das ist schon ein großer Schritt. Aber Sie haben natürlich Recht, durch unsere föderale Struktur brauchen wir immer Einstimmigkeit bei solchen Dingen. Und die Gremien, also Rundfunkräte und Verwaltungsräte, haben dazu manchmal noch eine eigene Meinung. Bei uns im MDR-Rundfunkrat gab es durchaus auch kritische Stimmen, dass der MDR im aktuellen Bereich, im Hörfunk-Informationsbereich ab Herbst abends ab 20 Uhr ein gemeinsames ARD-Programm ausstrahlen wird. Aber das ist nun mal der Sinn und Zweck unserer gemeinsamen Reformagenda in der ARD. Und die finanziellen Rahmenbedingungen lassen aus meiner Sicht auch nicht mehr viel anderes zu, als enger zu kooperieren. Ich finde, dass man das strategisch nach vorn gerichtet und positiv sehen muss. Auch wir als MDR haben dann die Möglichkeit, uns an jährlich zwölf Themenabenden der Info-Wellen einzubringen und für die ganze Republik Programm zu gestalten. Das ist auch eine tolle bundesweite publizistische Möglichkeit für uns als MDR. Jetzt gilt es einfach, mit guten Formaten alle davon zu überzeugen, dass das auch der richtige Schritt ist – und vor allem das Publikum damit anzusprechen.

FLURFUNK: Und warum waren bei den Vorteilen, die sie nennen, dann Mitarbeiter dagegen? Oder warum gibt es diesen Widerstand gegen die Reform?
Ludwig: Veränderungen sind immer auch mit Fragen verbunden, manchmal auch mit Verunsicherung und Skepsis. Ich habe dafür menschlich großes Verständnis. Nehmen wir mal bei uns das Beispiel der Gesundheitssendung "Visite" vom NDR, die wir im MDR jetzt übernehmen: Wir haben bekanntlich 2023 unser langjähriges MDR-Magazin "Hauptsache gesund" eingestellt und nutzen die Ressourcen nun zur digitalen Transformation im MDR. Das betrifft auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über Jahre mit Herzblut, Leidenschaft und Professionalität für dieses Format gearbeitet haben. Dass so ein Abschied für die Redaktion kein leichter Prozess ist, ist vollkommen klar. Es wird bei uns niemand entlassen deswegen. Aber das Beschäftigungsfeld ändert sich und wir schauen, wo wir die Kolleginnen und Kollegen anschließend entsprechend mit ihren Kompetenzen einsetzen können im MDR. In einem modernen Medienhaus, dass sich permanent weiterentwickelt, müssen solche programmlichen Entscheidungen von Zeit zu Zeit nun einmal getroffen werden.

Unsere Chance liegt eben in mehr Kooperation.

FLURFUNK: Es gibt auf der einen Seite, das ist ja nicht nur der Wunsch der Politik, die Notwendigkeit zur Reform, auf der anderen Seite haben sie die berechtigten Sorgen und die verständlichen Fragen auch der Mitarbeitenden, die in ihrer eigenen konkreten Situation gefährdet werden. Wie lösen sie dieses Dilemma?
Ludwig: Sie haben nur eine Chance, indem sie die Mitarbeitenden mitnehmen, die Themen in das Haus tragen und mit den Kolleginnen und Kollegen dementsprechend reden. Unsere Chance liegt eben in mehr Kooperation, in mehr Zusammenarbeit im Verbund der ARD. Wir bekommen ja auch vom Publikum viele Rückmeldungen: Es gäbe so viel vom Gleichen, es fänden viele Wiederholungen statt. Wenn sie sich als Medienhaus auf gewisse Themen spezialisieren können – wir sind zum Beispiel beim Thema Klima jetzt einer der Federführer in der ganzen ARD – dann können wir uns auch verstärkt mit Produkten einbringen, die andere ARD-Partner von uns übernehmen. Das heißt natürlich im Gegenzug, wir übernehmen im MDR dann ebenfalls Formate, wie jetzt zum Beispiel das Magazin "Visite". Das hat auch mit Vertrauen zu tun, zu sagen, das Format ist auch gut für unser Programm an dieser Stelle. Das sehe ich nicht als Dilemma, sondern als große Chance. Wenn man sich mehr spezialisiert und fokussiert, das ist in jedem Unternehmen so, dann kann man Kompetenzen vertiefen und weiterentwickeln. Das wird auch dem Publikum zu Gute kommen.

FLURFUNK: Als das Einsparprogramm in der Mitarbeiterversammlung vorgestellt wurde, haben sie gesagt: "Wir haben die vergangenen zehn Jahre viel zu viel gemacht." Warum?
Ludwig: Wir haben, wenn Sie so wollen, bewusst zu viel gemacht. Ich war acht Jahre lang der MDR-Verwaltungsdirektor, also zuständig für die Finanzen. Und als solcher habe ich meiner Vorgängerin, MDR-Intendantin Frau Professor Karola Wille, finanzstrategische Empfehlungen gegeben, die wir dann gemeinsam immer 1:1 umgesetzt haben. Unsere Entscheidungen hatten folgenden Hintergrund: Wir verfügten bislang noch über – teilweise aus den 90er-Jahren stammende – Gewinnrücklagen, die wir zielgerichtet und gesteuert für unseren programmlichen Auftrag eingesetzt haben. Diese Gewinnrücklagen stellen im KEF-Sinne quasi Eigenmittel dar, also überschüssige Liquidität. Diese ist für das Programm einzusetzen, das hat uns die KEF in jeden Bericht ins Stammbuch geschrieben. Deswegen habe ich auch meiner Vorgängerin immer empfohlen, dass wir diese Eigenmittel sukzessive einsetzen für unsere programmlichen Formate, und zwar zielgerichtet und strategisch. Wohlwissentlich, dass wir eigentlich mehr gemacht haben für unser Programm als unsere jährliche Finanzkraft hergegeben hätte. Heißt unterm Strich: Wir haben unsere Gewinnrücklagen abgebaut in dem Bewusstsein, dass irgendwann der Tag kommt, an dem die Rücklagen aufgebraucht sein werden – und ab dann müssen unsere laufenden Einnahmen die laufenden Ausgaben decken. Die Strategie dahinter war, dass wir in der Zeit auch Aufwendungen und Ausgaben sukzessive anpassen, um zum Schluss lediglich noch ein kleines Gap zu haben, das wir schließen müssen. Auf diesem Weg waren wir. Und dann kamen unvorhergesehene Entwicklungen, wie die Pandemie oder auch die sehr hohen Inflationsraten. Vor allem aber hat uns die KEF für den 24. Bericht circa zwei Drittel des von uns angemeldeten zusätzlichen Finanzbedarfs gekürzt. Das hat nun die Einsparnotwendigkeiten von rund 40 Millionen per anno ab 2025 für uns zur Folge. Um also noch mal auf die Frage einzugehen: Ja, das haben wir zielgerichtet und gesteuert gemacht, dass wir mehr ins Programm investiert haben, als wir uns eigentlich jährlich hätten leisten können.

Das Abschmelzen der Rücklagen war ein bewusster Prozess.

Intendant Ralf Ludwig am Trimedialen Newsdesk des MDR in Leipzig am 04.04.2024, Foto: MDR/Hagen Wolf

FLURFUNK: Bei dem Sparbetrag ist die Beitragserhöhung schon eingerechnet?
Ludwig: 40 Millionen pro Jahr, das sind 160 Millionen in vier Jahren - da ist die von der KEF empfohlene Beitragserhöhung um 58 Cent schon eingerechnet. Wenn wir – und wir haben schon sehr moderat zum 24. KEF-Bericht angemeldet – das bekommen hätten, was wir angemeldet haben, dann würde der Mitteldeutsche Rundfunk seinen Haushalt jährlich nicht um 40 Millionen, sondern lediglich um rund 10 Millionen absenken müssen. Das bezeichne ich gern als „normale Effizienzrendite“ in einem Unternehmen.

FLURFUNK: Es gab im letzten Jahr aber schon Meldungen in regionalen Zeitungen, die von einer finanziellen Schieflage sprachen, die von Finanzproblemen sprachen, was ja dann ihre Vorgängerin dementiert hatte. Das ist jetzt nicht der Fall? Das heißt, eigentlich war der MDR, wenn jetzt nicht diese Probleme gekommen werden, finanziell ordentlich ausgestattet?
Ludwig: Das Abschmelzen der Rücklagen war ein bewusster Prozess, weil uns die KEF das aufgegeben hat, dass wir diese Gewinnrücklagen für den Programmauftrag einzusetzen haben. Das haben wir in den letzten zehn Jahren gemacht. Sukzessive, zielgerichtet und gesteuert. Wenn wir die von uns angemeldete Erhöhung um 1,09 Euro beim Rundfunkbeitrag bekommen würden, dann hätten wir überhaupt kein – wie Sie sagen – finanzielles Problem.

FLURFUNK: Das war aber doch vorauszusehen, dass sie die nicht kriegen!
Ludwig: Naja, ich sag mal so, aufgrund meiner langjährigen Erfahrung als Finanzchef bin ich im schlimmsten Fall von einer Kürzung um die Hälfte ausgegangen – aber nicht von zwei Dritteln.

FLURFUNK: In der Sitzung des Rundfunkrats hat ein Vertreter der freien Mitarbeiter gesagt: Es gibt ja aber doch noch erhebliche Rücklagen. Da war von 150 Millionen die Rede. Ist das falsch?
Ludwig: Das ist falsch. Sie können sich nicht einfach eine Zahl aus dem KEF-Bericht rausnehmen. Die 150 Millionen stehen in der Rubrik Eigenmittel. Die hat die KEF bei ihrer Bemessung der 58 Cent schon mit eingerechnet.

Ich gehe davon aus, dass sich die Länder auch daran halten werden.

FLURFUNK: Gehen Sie davon aus, dass die Beitragserhöhung kommt? Und was passiert, wenn die nicht kommt?
Ludwig: Ich bleibe dabei. Wir haben ein staatsvertraglich geregeltes Verfahren und ich gehe davon aus, dass sich die Länder auch daran halten werden. Zumal das Verfahren auch verfassungsrechtlich geschützt ist. Es ist im Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrag nicht geregelt, dass in einer bestimmten Frist ein auf der Grundlage der KEF-Empfehlung zu ändernder Staatsvertrag vorzulegen sei. Deswegen müssen wir jetzt erst einmal abwarten als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten und schauen, was die Länder machen. Es ist noch genügend Zeit aus unserer Sicht. Sollte sich, sage ich mal, bis zu den Sommermonaten nichts getan haben, dann werden wir in der ARD entscheiden, wie es dann weitergeht.

FLURFUNK: Was muss sich tun? Die Länder müssten dann doch einen geänderten Finanzierungsstaatsvertrag aufsetzen, der müsste dann bis Ende des Jahres durch die Parlamente und am 1. Januar gelten?
Ludwig: Genau, so müsste es sein, so ist die reine Lehre.

FLURFUNK: Aber in den Parlamenten ist ja die Stimmung: gar keine Erhöhung mehr.
Ludwig: Aber das kann ja nicht unsere Sichtweise sein. Noch mal: Wir leben in einer Demokratie. Wir haben staatsvertragliche Grundlagen, die die Länder erlassen haben, und wir gehen davon aus, dass sich die Länder auch daran halten. Und wenn sie sich nicht daran halten, dann werden wir dementsprechend zu gegebener Zeit eine Entscheidung treffen müssen. Aber jetzt ist es eben noch nicht an der Zeit, schon zu spekulieren, was wäre wenn. Denn eigentlich ist noch genügend Zeit.

FLURFUNK: Aber sie müssen trotzdem einen Plan B haben, eine Parallelplanung, falls der Beitrag zum 1. Januar 2025 nicht steigt?
Ludwig: Die KEF-Empfehlung ist für vier Jahre ab 2025 gerechnet. Angenommen, die Erhöhung käme erst zu einem späteren Zeitpunkt, dann muss die Verspätung dann innerhalb dieser Vierjahresfrist mit ausgeglichen werden. Wir hatten den Fall schon mal: Im Jahr 2005 kam es zu einer verspäteten Anhebung des Beitrages, nämlich erst zum 1. April. Damals war die Empfehlung dann 85 Cent zum 1. Januar, sie kam aber erst zum 1. April, und da wurden aus den 85 Cent dann 88 Cent. Das ist möglich, das Verfahren ließe das zu, sofern insgesamt die KEF-Empfehlung zur finanziellen Ausstattung in der Beitragsperiode eingehalten wird. Meine Verpflichtung als Intendant ist, innerhalb der Vierjahresperiode einen ausgeglichenen Haushalt zu präsentieren. Wenn unsere Fehlbeträge in den ersten beiden Jahren wegen einer verspäteten Beitragsanhebung höher sind und die Beitragsanhebung entsprechend später, aber dementsprechend auch höher kommt, gleicht uns das trotzdem in der Vierjahresperiode unseren Haushalt aus.

Man muss der Politik die Zeit geben.

FLURFUNK: Das drückt ja aber erheblich auf die Stimmung im Haus, wenn jetzt eine so unklare Situation zum Thema Geld besteht. Es gibt schließlich Planungen in der Redaktion, es gibt Überlegungen für langfristige Geschichten... Was sagen sie denn den Leuten in der Redaktion dazu? Theoretisch kann ja passieren, dass aus 40 Millionen dann 60 Millionen werden, die sie einsparen müssen.
Ludwig: Ich bleibe dabei: Ich gehe davon aus, dass die Beitragserhöhung wie von der KEF empfohlen zum 1.1.2025 kommt. Entsprechend wird der MDR jetzt mit diesen 18,94 Euro in die Wirtschaftsplanung 2025 gehen – und sollte das nicht kommen, werden in den Jahren 2026 bis 2028 die Einsparungen entsprechend höher ausfallen. Ohne Wenn und Aber.

FLURFUNK: Aber Sie bekommen das Geld dann rückwirkend vielleicht auch nicht?
Ludwig: Das kommt darauf an, wie schnell die Politik dort tätig wird. Im Gespräch ist ja eine Reform des Staatsvertrags, der jetzt Ende Oktober auf der Ministerpräsidentenkonferenz verabschiedet werden soll. Der wird aber keine Auswirkungen auf den 24. KEF-Bericht haben. Alle Änderungen, die mit einem möglichen Reformstaatsvertrag einhergehen, können nur die Zukunft betreffen.

FLURFUNK: Sie haben das jetzt eben ein bisschen relativiert und gesagt, wir werden sehen, im Oktober werden wir entscheiden, was wir machen. Ziehen sie damit ihre definitive Klage-Ankündigung ein bisschen zurück?
Ludwig: Man muss der Politik die Zeit geben. Noch ist ja Zeit, zu entscheiden. Auf welcher Grundlage sollten wir zum jetzigen Zeitpunkt nach Karlsruhe gehen? Es sind keine Fristen geregelt dafür. Wenn sich abzeichnet, dass die Politik nicht tätig wird, gehen Sie mal davon aus, dass wir uns in der ARD dazu verständigen werden, wie wir weiter damit umgehen.

FLURFUNK: Sehen Sie das MDR-Sparprogramm als nachhaltig an? Also, wenn das dann durch ist, muss dann in der nächsten Periode nicht mehr gespart werden?
Ludwig: Erstmal ist das eine Angleichung an die finanziellen Verhältnisse, sodass wir im MDR mit den laufenden Einnahmen unsere laufenden Ausgaben decken können. Dann hängt es davon ab, wie eine nächste Beitragsbemessung aussieht. In diesem Kontext ist die Frage zu beantworten, wie sieht der Auftrag dann aus? Wenn jetzt die Politik wirklich hingeht und den Auftrag einschränkt, wie auch immer, dann hat das natürlich Auswirkungen auf den Finanzbedarf. Wenn der Gesetzgeber aber alles so belässt wie bisher, also der Auftrag nicht neu definiert wird, dann hängt eine künftige Beitragsbemessung davon ab, wie sich in der Zeit die Preissteigerungen und die weiteren Rahmenbedingungen entwickeln. Das ist dem System immanent. Ein KEF-Mitglied hat einmal gesagt, dass eine sogenannte ‚Beitragsstabilität‘ ökonomisch gar nicht möglich wäre, weil eben genau das Verfahren wie beschrieben so ist. Man hat eine Preissteigerungsrate, man hat einen Bestand, und dieser ist mit den Preissteigerungsraten fortzuschreiben. Deswegen könnte es eigentlich nie zu einer ‚Beitragsstabilität‘ kommen. Das erreicht man nur, wenn man den Auftrag ändert. Und es bleibt dabei: Die Finanzierung muss dem Auftrag folgen und nicht umgekehrt. Und wenn wir, wie oben schon erwähnt, den von uns moderat angemeldeten Finanzbedarf für den 24. KEF-Bericht anerkannt bekommen hätten, dann hätten wir als MDR unseren Haushalt um rund 10 Millionen pro Jahr absenken müssen. Das ist für mich bei einem Haushalt von circa 700 Millionen eben gewissermaßen eine ‚Effizienzrendite‘ – das muss jedes Unternehmen in Deutschland immer erwirtschaften, und das sehe ich bei uns als öffentlich-rechtlicher Rundfunk nicht anders.

Wir werden nicht ohne programmliche Einschnitte auskommen.

FLURFUNK: In einem Antrag, der in der letzten MDR-Rundfunkratssitzung vorgestellt wurde, hatte es geheißen, es solle möglichst gar nicht an Personalstellen gekürzt werden und auch nicht im Programm. Wie schätzen sie diesen Vorschlag ein?
Ludwig: Zunächst wird der Vorschlag des Rundfunkrates nun in den Landesgruppen beraten. Dem möchte ich nicht vorgreifen. Aber klar ist, dass wir bei dieser hohen Einspar-Notwendigkeit ab 2025 nicht ohne programmliche Einschnitte auskommen werden. Wir haben das alles sorgfältig geprüft. Wir haben zuerst geschaut, was wir perspektivisch im Bereich der Verbreitungskosten einsparen können, UKW, die terrestrische Hörfunkverbreitung, kostet zum Beispiel sehr viel Geld. Wo können wir einzelne Frequenzen abschalten, ohne dabei Publikum zu verlieren, weil es dort zum Beispiel alternativ auch eine sehr gute DAB+-Abdeckung gibt? Das gleiche bei DVB-T2. Da haben wir einzelne Standorte angemietet, wo wir relativ wenig Haushalte erreichen. Wir haben da ein größeres Volumen identifizieren können. Und so haben wir uns auch die Bereiche Verwaltung und Immobilien angeschaut. Gerade bei den Immobilien hatte uns die KEF im 24. Bericht einige Auflagen gemacht.

FLURFUNK: Es gab helle Aufregung über die geplanten Kürzungen im Investigativbereich. Ist Investigativ jetzt für Sie ein Aushängeschild des MDR? Oder sind die nur am lautesten?
Ludwig: Wenn sie so eine Sparagenda auf den Weg bringen wie beschrieben, dann gibt es viele Perspektiven, natürlich auch kritische Meinungen. Ich neige nicht dazu, einer Lautstärke nachzugeben, sondern überzeugenden Argumenten. Der Bereich Investigation ist bei uns im großen Bereich des Aktuellen, also in der Hauptredaktion Information und Innovation angesiedelt. Der Vorschlag für Veränderungen, der im Direktorium beraten wurde, kam aus der dafür zuständigen Programmdirektion Leipzig selbst. Ich kann und musste davon ausgehen, dass dies mit den betreffenden Bereichen vorabgestimmt ist. Im Nachgang habe ich mir mit der kommissarischen Direktorin Jana Brandt das Thema nochmal angeschaut, auch gemeinsam mit dem Bereich. Und wir haben eine, wie ich immer gerne sage, ‘Feinjustierung‘ vorgenommen. Das war von vornherein so angedacht: Wir haben erstmal den großen Rahmen definiert mit diesen 160 Millionen, runtergebrochen auf die einzelnen Direktionen, aber immer mit dem klaren Bekennen, dass im Rahmen der eigentlichen Wirtschaftsplanung Feinjustierungen möglich sind. Und so hat es jetzt im Bereich der Investigation stattgefunden, indem es einen vom Bereich selbst vorgeschlagenen Einsparbeitrag gibt – und dabei belassen wir es dann auch. Und gemäß dieser Feinjustierung stärken wir die Investigation im Digitalen: die Redaktion plant, die Schlagzahl unseres jungen Investigativformats "exactly" von 14-täglich auf wöchentlich zu erhöhen. Im Gegenzug wird das klassische Fernsehmagazin "exakt" statt wöchentlich künftig 14-täglich ausgestrahlt. Und mit einem möchte ich hier aufräumen: Der MDR kürzt nicht in einem Wahljahr in der Investigation, das ist nicht korrekt und ging immer an der Realität vorbei. Der Wirtschaftsplan für 2024 steht und der wird auch erfüllt, das gilt auch für die Programmformate dieses Jahr. Wir reden über die Jahre 2025 und fortfolgende. Und wir dürfen nicht vergessen: In einer crossmedial vernetzten Medienwelt sagt die rein quantitative Anzahl von Sendungen im linearen TV nichts über die Relevanz eines redaktionellen Bereichs aus. Wir wollen den digitalen Bereich stärken, auch im Sinne der Stärkung der ARD Mediathek. Dieser digitale Transformationsprozess beschäftigt uns schon eine ganze Weile und er wird weitergehen, weil sich das Mediennutzungsverhalten der Menschen eben ändert. Hinzu kommt, und deswegen bestärkt das für mich diesen Ansatz: Wir haben auch im investigativen Bereich Doppelstrukturen im Haus. In Halle haben wir zum Beispiel das "Y-Kollektiv", ein Funk-Format, was dort mitproduziert wird. Wir haben in Leipzig zudem unsere Redaktion politische Magazine/Reportagen, und wir haben auch die Landesfunkhäuser, die investigative Formate anbieten. Mein Ansatz ist, dass wir hier einen größeren Austausch und mehr Zusammenarbeit haben werden, dass wir einen investigativen Beitrag aus Thüringen, Sachsen oder Sachsen-Anhalt zum Beispiel auch mal im zentralen TV-Programm ausstrahlen. Deshalb kommt es für mich nicht zu einer Schwächung investigativer Inhalte im MDR. Wir haben keine Zeit, Kraft und Ressourcen mehr für Doppelarbeit. Deswegen sind Vertrauen und Zusammenarbeit das Gebot der Stunde und für die Zukunft.

FLURFUNK: Erwägen sie auch, Standorte zu schließen?
Ludwig: Was die Hauptstandorte anbelangt: Nein. Die Hauptstandorte sind im MDR-Staatsvertrag geregelt. Für eine Schließung dieser Standorte müssten die drei für den MDR zuständigen Länder zustimmen.

Ich möchte hier keine Konkurrenz zwischen überregional und regional formulieren.

FLURFUNK: Soll Jana Brandt dauerhaft beide Direktionen leiten?
Ludwig: Dauerhaft ist immer ein relativer Begriff. Jetzt bin ich erst einmal Jana Brandt sehr dankbar, dass sie diese Aufgabe der kommissarischen Führung der Programmdirektion Leipzig zusätzlich zu ihrer eigentlichen Aufgabe der Führung der Direktion in Halle übernommen hat. Aber auch die Direktorinnen und Direktoren haben zeitlich begrenzte Verträge. Nach meiner Überzeugung wird der Mitteldeutsche Rundfunk perspektivisch nur noch eine Programmdirektorin, einen Programmdirektor für die zentralen Bereiche benötigen, weil wir immer weiter zusammenwachsen. Das ist das große Verdienst meiner Vorgängerin, Frau Professor Wille, die den MDR als Intendantin konsequent crossmedial für die Zukunft aufgestellt hat. Ich möchte gerne auf diesem Weg weiter voranschreiten. Das heißt auch, dass wir uns eher produktspezifischer aufstellen, Doppelstrukturen abbauen. Das geht unter einer gemeinsamen Leitung natürlich einfacher. Für mich ist wichtig: Wenn sich der Mitteldeutsche Rundfunk in allen Bereichen effizient aufstellen muss, warum sollte das für die Geschäftsleitung nicht gelten.

FLURFUNK: Sie sind ja ein großer Zulieferer für das Erste. Wollen sie die Strategie "mehr regional" teilweise zu Lasten der Zulieferung umsetzen?
Ludwig: Ich möchte hier keine Konkurrenz zwischen überregional und regional formulieren. Fest steht, wir sind ein regionales Medienhaus, tief verwurzelt in der Region, nah bei den Menschen, ihren Themen und Lebenswirklichkeiten. Und das werden wir bleiben! Wir haben außerdem vertragliche Zulieferverpflichtungen für das erste Programm der ARD. Auch unsere bundesweit ausgestrahlten Tatorte und Polizeirufe sind zum Beispiel eine Zulieferverpflichtung für Das Erste. Die kommen aus unserem Sendegebiet – aus Dresden, Magdeburg und aus Halle. Mit diesen bundesweiten Formaten sind wir ja ebenfalls regional verankert. Und es ist mein Wunsch und mein großes Ziel, noch mehr regionale Inhalte bundesweit zu etablieren. Dafür haben wir als MDR von der ARD auch das große Vertrauen geschenkt bekommen, das ARD-Mittagsmagazin federführend zu gestalten. Es ist zugegebenermaßen ein lineares Programm, aber wir haben dort die Möglichkeit, die Lebenswirklichkeiten auch aus Mitteldeutschland verstärkt bundesweit abzubilden. Indem wir eben dafür mehr aus der Region berichten, dort die Themen der Bürgerinnen und Bürger spiegeln und transportieren. Und wir haben beim MIMA eine enge Vernetzung der Inhalte zum Beispiel auch für die ARD Mediathek. Das ist Regionalität, die wir im ersten Programm sowie in Mediathek und Audiothek sichtbar machen können. Klar muss man über solche Shows wie die Feste mit Florian Silbereisen nachdenken. Aber auch das ist ein Format, was mittlerweile gesellschaftlich übergreifend sehr viele junge Menschen erreicht. Und wir haben auch dort eine Zulieferverpflichtung für das erste Programm. Wir haben dafür im MDR über die vielen Jahre eine hohe Expertise im Unterhaltungsbereich aufgebaut, deswegen sind wir auch immer gefragt, ob wir das so fortsetzen können. Hierzu befinden wir uns in Gesprächen.

FLURFUNK: Haben Sie eine Vision wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk, der MDR in fünf Jahren aussieht?
Ludwig: Der MDR in fünf Jahren ist ein modernes Medienhaus auf der Höhe der Zeit der Mediennutzung der Menschen. Wir müssen weiter nah bei den Menschen und ihren Themen sein, frei und unabhängig, innovativ und relevant. Wir müssen auch den Dialog intensivieren, vor allem nah bei den Menschen vor Ort sein, unsere Arbeit erklären und offen sein für Feedback. Wir haben heute schon viele Dialogangebote, aber das müssen wir weiter ausbauen. Heute geht es darum, den MDR für die nächsten Jahre publizistisch und wirtschaftlich zukunftsfest aufzustellen. Das ist mein Ziel, und ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das auch erreichen.

FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview. 


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