Schwindendes Medienvertrauen: Wie Medien in Sachsen darüber berichten


Okay, das könnte jetzt der kürzeste FLURFUNK-Beitrag ever sein. Die Antwort lautet: gar nicht.

Das bedarf dann doch mal einer genaueren Betrachtung:

Gestern hatten wir gemeldet, dass der Sachsen-Monitor 2023 in der sächsischen Bevölkerung einen weiteren Vertrauensverlust für Medien ermittelt hat (vgl. FLURFUNK vom 23.1.2024: "Sachsen-Monitor 2023: Glaubwürdigkeit der Medien geht zurück").

Und natürlich berichten die sächsischen Medien gestern und heute groß und breit darüber, dass das Vertrauen in Politik und Demokratie massiv zurückgegangen ist ("...ein desaströses Ergebnis für Politiker").

Über die eigene Rolle und das schwindende Vertrauen in die Medien – darüber findet man aber bislang keine Berichterstattung.

Die Rolle der Medien


Okay, zwei Ausnahmen haben wir gefunden, bei denen eine Abbildung aus dem Sachsen-Monitor (Abbildung 32, S. 25, siehe Bild) kurz zu sehen war, in der auch Medien erwähnt sind: Die Freie Presse hat die Abbildung abgedruckt und sie war ganz kurz im TV-Beitrag von Sachsen Fernsehen im Bild (wir nehmen gern weitere Hinweise auf, sollten wir etwas übersehen haben).

In der Abbildung geht es um die Frage, wie groß das Vertrauen in Institutionen ist. Medien stehen da sehr weit unten: Insgesamt nur 15 Prozent haben sehr großes oder großes Vertrauen, 85 Prozent wenig bis gar keines.

Die dahinterliegende Frage, "das Medienproblem", wie es ein Kollege nennt, hat nach unserer Beobachtung bislang niemand thematisiert.

Privat alles gut, aber sonst nicht?

Was uns fehlt: Medien könnten sich doch mal mit der Frage befassen, wieso so viele Leute privat und persönlich optimistisch sind bzw. das Gefühl haben, es selbst ganz gut getroffen zu haben – und trotzdem das System und die Institutionen, in dessen Rahmen sie diesen persönlichen Wohl- und Zustand erreicht haben, immer kritischer betrachten.

Man könnte die Frage stellen: Wie absurd ist bitte das?

Mal ketzerisch gefragt: Könnte es sein, dass die Medien an dieser Wahrnehmung von Politik, Demokratie und gesellschaftlicher Entwicklung einen ganz erheblichen Anteil haben? Dass sich hier negative Narrative durchgesetzt haben, die die Realität nicht korrekt beschreiben?

Und könnte es sein, dass diese Narrative durch das bestehende Mediensystem und die vorhandenen Medienmechanismen noch immer weiter verstärkt werden?

Negativismus = Aufmerksamkeit = Einnahmen

Die Branche könnte ja auch mal über folgende These nachdenken: Das halbe Land ist diesen völlig absurden Narrativen aufgesessen, dass die Demokratie schwach/marode/ausgehöhlt sei und das Deutschland mehr und mehr am Abgrund steht. Wenn es zum Beispiel um Kriminalitätsstatistiken geht, arbeitet das zuständige Innenministerium inzwischen in der Kommunikation immer mit der tatsächlichen und der gefühlten Sicherheitslage. Irritierend, oder?

Gern verwendet man auch Zahlen, die auf Basis von fragwürdigen Befragungsmethoden erhoben werden, Hauptsache sie verschaffen dem eigenen Medium bundesweite Aufmerksamkeit (vgl. FLURFUNK vom 12.1.2024: "Prognosen zur Landtagswahl Sachsen: 37, 34 oder 32 Prozent – wie viel hätten sie denn gern?").

Medien leben (nach wie vor) von Reichweite und Klicks, das bringt ihnen Aufmerksamkeit und Werbekunden – da funktionieren negative Schlagzeilen nun mal nach wie vor immer besser. Dummerweise ist der Wettbewerb um beides, Werbekunden und Nutzende, in den letzten Jahren immer heftiger geworden.

Von der Berichterstattung und dem Agenda-Setting, wie es die AfD betreibt, sprechen wir da noch gar nicht. Aber genau das sollten wir dringend tun!

Wir brauchen die Qualitätsdiskussion

Bitte nicht missverstehen: Viele verbreitete Nachrichten und Recherchen über Missstände in Politik und Gesellschaft gehören zu den Kernaufgaben der Medien. Das ist u.a. auch ihr Job! Und da gibt es viele positive Beispiele, wie Medien diesen Job erledigen!

Aber: Die Funktion der Medien als vierte Säule der Demokratie – und ob sie dieser Rolle gerecht werden – wir sollten sie jetzt umso intensiver führen.

Langjährige FLURFUNK-Nutzerinnen und Nutzer erinnern sich, ich habe das schon in FUNKTURM Nr. 12 im Jahr 2019 gefordert (vgl. FLURFUNK vom 12.12.2019: "Höher. Schneller. Weiter – über die Qualität der Medien"):

Wir brauchen die systematische Messung von Medienqualität, um endlich von diesem unsäglichen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Reichweiten wegzukommen.

Mal schauen, ob sich demnächst eines der heimischen Medien an diese Diskussion herantraut.

4 Kommentare
  • Mike
    Januar 25, 2024

    Die Freien Radios suhlen sich auch in ihrer Etabliertheit, dabei könnte es jeden Augenblick das Ende sein...

  • Heiko Frey
    Januar 25, 2024

    „Wir brauchen die systematische Messung von Medienqualität, um endlich von diesem unsäglichen Wettbewerb um Aufmerksamkeit und Reichweiten wegzukommen.“

    Hahaha, wie will man Qualität messen? Aber dann habe ich mir mal den vorbereiteten Link zum „Jahrbuch Qualität der Medien“ in der Schweiz angeschaut – und war baff:
    https://www.foeg.uzh.ch/de/jahrbuch-qdm.html

  • Anja
    Januar 25, 2024

    https://www.freie-radios.net/126419

    Für ein tiefgreifenderes Follow-Up brauchen die freien Radios vielleicht einfach auch etwas mehr Zeit, aufgrund der reinen Ehrenamtlichkeit des Radio-Machens.

  • Anja
    Januar 25, 2024

    Genau jetzt (Donnerstag mittag) wurde beim CIVIS Mediendialog mal wieder festgestellt, dass eine der Gründe für das fehlende Vertrauen ist, dass Redaktionen zu wenig vielfältig zusammengesetzt sind. Die Redaktionen Freier Radios sind extrem vielfältig zusammengesetzt. Große Akteure wie der MDR schauen neidisch auf diese Vielfalt (so z.Bsp. bei der Tagung „Journalismus-Ausbildung für morgen“ letztes Jahr). Ein "Ende" dieser "Etabliertheit" der Freien Radios würde die sächsischen Verhältnisse des mangelnden Vertrauens in die Medien deutlich verschlechtern. Etablierte Medien könnten hingegen viel von Freien Radios lernen

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