Chinesische Propaganda bei Sachsen Fernsehen? Ein paar Anmerkungen

Ein Bericht des Medienmagazin ZAPP vom Mittwoch (26.4.2023) mit dem Titel: "Macht China Propaganda im deutschen Fernsehen?" bekam vergangene Woche einige mediale Aufmerksamkeit.

In dem Beitrag berichtet das NDR-Medienmagazin ZAPP, dass ein chinesisches Magazinformat in den Programmen von diversen Lokal-Fernsehstationen zu sehen ist – ohne, dass es eine redaktionelle Abnahme durch die Programmverantwortlichen gibt.

Der Beitrag ist auf den ZAPP-Seiten des NDR und bei YouTube zu finden.

Propaganda bei Sachsen Fernsehen?

Ausgangspunkt für die Story ist Sachsen Fernsehen - der einzige Lokal-TV-Sender, der bereit war, dem ZAPP-Journalisten ein Interview zu geben.

In Folge der Veröffentlichung griff auch die Tagesschau das Thema auf (vgl. tagesschau.de vom 26.4.2023: "Chinesische Propaganda im deutschen Lokal-TV") - hier in der Überschrift schon ohne Fragezeichen.

Andere (sächsische) Medien folgten, etwa MDR, sächsische.de und die Freie Presse – aber deutlich weniger reißerisch im Ton als das Original-Stück.

Oberflächlich und skandalisierend

Die ZAPP-Geschichte hat allerdings einige – aus unserer Sicht – erhebliche Schwächen, auf die wir hier im Folgenden eingehen wollen.

Es geht schon gut los. Bedeutungsschwanger raunt der junge Reporter zu Beginn in die Kamera:

"Chinesische Propaganda in deutschen Medien - ohne, dass wir es merken?"

(Ob ihm die Doppeldeutigkeit angesichts der Reichweiten von Lokalfernsehen bewusst ist?)

Gewöhnlich als Werbung

Im Beitrag geht es darum, dass u.a. bei Sachsen Fernsehen Beiträge über bzw. aus China zu sehen sind, die offenkundig im Programm gegen Bezahlung platziert sind.

Im ZAPP-Beitrag selbst wird erwähnt, dass das chinesische Magazin gewöhnlich als Werbung gekennzeichnet wird - wobei der Reporter online auch Beiträge entdeckt hat, bei denen die Werbekennzeichnung offenbar fehlt.

Wie viele das sind, wie da das Verhältnis zwischen Kennzeichnung und Nicht-Kennzeichnung ist und ob sich dahinter ein System vermuten ließe oder ob das eher ein Versehen ist, sagt er nicht.

Schließlich findet er heraus, dass die Beiträge von einer Agentur in Frankfurt produziert und im Lokal-Fernsehen an verschiedenen Standorten in Deutschland eingebucht werden.

Die Agentur wiederum bekommt ihr Geld scheinbar direkt vom chinesischen Staatsapparat.

Schräge Selbstinzensierung

"Etwas Negatives habe ich in den ganzen Beiträgen kein einziges Mal gesehen",

sagt unser investigativer ZAPP-Mann einmal im Beitrag, nachdem er berichtet hat, dass er jetzt "unzählige" Beiträge gesehen habe – und man fragt sich: Was hat er denn erwartet bei bezahlten Werbesendungen? Und was bedeutet "unzählige" - 10, 20, 100, 1000?

Das ist aber nicht die einzige Stelle, an der man sich als Zuschauer ein wenig am Kopf kratzt.

Unser Highlight: "Auf alle Fälle komisch ist das ja schon, ne?!", sagt er bei Minute 0:32 - das hat auf alle Fälle das Zeug zum Meme!

Das ganze Stück erweckt den Eindruck, es sei hochgradig investigativ - wobei dem Reporter in die Hände spielt, dass außer Sachsen Fernsehen kein Lokal-Fernsehmacher mit ihm sprechen will. Ja, das macht die Sache irgendwie verdächtig!

Und ja, selbstverständlich kann und sollte man die Frage stellen, was eigentlich das Ziel der Chinesen hinter diesen Platzierungen im Lokal-TV ist, wenn sie wie bei Sachsen Fernsehen 2x im Monat eine Stunde Programm am Samstagabend einbuchen – und ob das nicht doch irgendwie problematisch ist und wo da die Grenzen sind.

Wo ist die Medienaufsicht?

Vielleicht hätten sich die anderen Programmveranstalter besser genau dieser und anderer Fragen mal öffentlich stellen lassen sollen. Da hätte dann durchaus auch mal jemand erwähnen können, dass privates Lokal-Fernsehen in Deutschland eine Lizenz benötigt - die von Landesmedienanstalten vergeben werden.

Zu den Aufgaben der Landesmedienanstalten (im Fall von Sachsen Fernsehen die Sächsische Landesmedienanstalt SLM) gehört aber nicht nur die Lizenzvergabe, sondern auch die Aufsicht über die lizensierten Programme – um zum Beispiel Werbeverstöße zu ahnden (politische Werbung zum Beispiel ist verboten).

Warum aber gibt es in dem ZAPP-Stück keinen O-Ton von der SLM dazu, wie sie die China-Beiträge bewertet? Hätte das die Beitragsthese und den Eindruck, hier läuft was ganz Großes, zu sehr gestört?

Bei der SLM hätte man ganz sicher eine Meinung dazu gehabt, ob es sich bei den Beiträgen um problematische Inhalte handelt. Denn nach unseren Kenntnissen sind die chinesischen Inhalte der Medienaufsicht durchaus bekannt - und als unbedenklich eingeordnet worden.

Bedeutung von Lokal-Fernsehen

Was dem ZAPP-Stück in der ganzen reißerischen Aufmachung auch fehlt: Eine Einordnung, wie diese "Propaganda" am Ende wirkt bzw. wirken könnte.

Und warum die Lokal-Sender solche Formate ins Programm nehmen.

Einmal spricht der Reporter sogar von "Lokalfernsehen als Eintrittstor in die deutsche Medienlandschaft"...junge junge, steile These.

Hat sich der Investigativ-Journalist mal erkundigt, wie groß (theoretisch) das Publikum ist, dass die Formate sieht – wie "hoch" also die Reichweiten sind?

Wir sagen mal so: So mancher Lokal-Fernsehmacher würde sicherlich sehr gern über die Möglichkeit verfügen, die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Gern auch im Konzert mit anderen.

Unsere Position zu Lokal-TV-ist bekannt: Das halten wir für ... aber ach, unwichtig, die Story!

Auch hätte er sich noch einmal tiefer mit der Finanz-Situation der Sender befassen sollen (das wäre auch mal ein gutes ZAPP-Thema). Er spricht von sechsstelligen Summen, von denen er "gerüchteweise" gehört haben will. Pro Sendung? Pro Monat oder Jahr? Oder für alle Ausstrahlungen zusammen?

Bekommt ein Sender soviel Geld oder gibt es die Agentur insgesamt aus?

Das bleibt alles unklar.

"Überprüfen kann ich es nicht", schiebt er seiner Summen-Nennung gleich hinterher – und wieder kratzt sich der versierte Zuschauer am Kopf.

Es gelingt wohl eher nicht

Die China-Expertin sagt es in ihrem O-Ton am Ende sehr klar: Ihr sei wichtig, dass das deutsche Publikum verstehe, dass es für diese Geschichten einen offiziellen parteistaatlichen Auftrag gebe, dass das Bild von China positiv beeinflusst und damit langfristig Narrative umgeschrieben werden sollen.

"Das heißt nicht, dass es gelingt, aber man muss dieses Grundverständnis davon haben, dass es diese Medien gibt, die diesen Auftrag haben", sagt sie.

Ja, das kann man so stehen lassen und unterstreichen.

Unsere Meinung: Es gelingt mit sehr großer Wahrscheinlichkeit nicht. Jedenfalls nicht mit Beiträgen im Lokal-TV.

Falscher Aufhänger, schwaches Ergebnis

Woraus auch deutlich wird: Was ist eigentlich mit anderen Mediengattungen, die China-(Tourismus-)Werbung machen? Gibt es da vielleicht einen flächendeckenden Angriff auf die deutsche Gesellschaft? Wie wirkt diese Agentur, welche Rolle spielt Social-Media, wenn es um das China-Bild in Deutschland geht?

Das zu erklären wäre mal eine Recherche und vielleicht sogar die reißerische Aufmachung wert gewesen.

Ganz am Ende versteigt sich unser investigativer ZAPP-Mann noch zu der Aussage, dass so gesehen "auch touristische Werbung politisch" sei.

Ob er eigentlich mitbekommen hat, dass in vielen deutschen Lokal-Sender seit Jahren Sonnenklar-TV läuft? Da wird regelmäßig Werbung für die Türkei und manch anderes Land gemacht, das aus Sicht der ZAPP-Redaktion durchaus auch problematisch sein müsste.

"Auf alle Fälle komisch ist das ja schon, ne?!"

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2 Kommentare
  • AH
    Mai 1, 2023

    Man kann sicher eine Reportage für Qualität und Aussage kritisieren, aber was ist dass denn für ein Beitrag? Weder wird klar Stellung zum Vorwurf genommen, noch irgend etwas erhellendes dazu beigetragen. Es wird eher der Eindruck erweckt, dass die Lokalmedien eh jeden Dreck senden können, die haben ja eh nur 3 Zuschauer, werden eh nicht kontrolliert und die machen ja alles für Geld. Wenn es sich nicht rechnen würde, dann wäre dort schon längst Sendeschluss.

  • Martin Busche
    Juni 10, 2023

    Ich habe erst jetzt den Beitrag auf Flurfunk gelesen. Er ist ja völlig absurd. Getarnte Propaganda eines Unrechtstaates geht nicht. Punkt. Da ist es doch völlig egal, ob die Reichweite des Mediums groß oder klein ist. Ob die Sender Finanzprobleme haben, is doch völlig zweitrangig. Dürfen sie deshalb jeden Mist veröffentlichen? Was ist denn das für eine Haltung?
    Ja, eine Stellungnahme der SLM wäre interessant gewesen. Vielleicht nimmt Flurfunk einfach mal das Handy in die Hand und ruft da an. Einfach zu schreiben, die finden das okay is kein Journalismus, sondern eine Behauptung.
    Insgesamt ein ziemlich mieser Flurfunk-Einwurf. Handwerklich schlecht, provinziell, so schreibt ein Dorf - Bürgermeister einen Leserbrief. So schreibt kein Fschorgan mit Anspruch.

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