Bericht von der 212. Sitzung des MDR-Rundfunkrats: Wahl des Intendanten

Von 1 , , , ,

Guten Morgen und guten Tag aus Leipzig. Wir sind heute wieder zu Gast beim MDR-Rundfunkrat und berichten hier live im Ticker. Heute steht ein spannender Tagesordnungspunkt auf der Liste: Wahl des MDR-Intendanten.

Hier geht es zur Tagesordnung.

Über die mögliche Wahl von Ralf Ludwig als nächster MDR-Intendant ist im Vorfeld viel spekuliert worden. Die wichtigsten Fragen haben wir gestern in diesem Beitrag schon thematisiert (vgl. FLURFUNK vom 12.3.2023: "Die wichtigsten Fragen vor der Wahl zum MDR-Intendanten").

Die Sitzung ist schon eröffnet, gerade stellt sich schon die Nachfolgerin von Sandra Archut vor. Es ist Alexandra Kehr, Öffentlichkeitsarbeiterin der Ehrenamtsstiftung Thüringen.

Wie gehabt: Ich tickere hier nicht im Wortlaut mit, sondern nur zentrale Ergebnisse. Sollten mir Fehler unterlaufen, bitte ich um Hinweise. Nachträgliche Korrekturen mache ich entsprechend kenntlich.

Wahl des Intendanten

Die Wahl selbst steht als erster Tageordnungspunkt an. Im Moment erläutert Dietrich Bauer das Verfahren - vorher hat er noch grundsätzliche Hinweise zu den rechtlichen Rahmenbedingungen sowie dem Verhältnis der beiden Gremien zueinander gegeben. Rundfunkrat und Verwaltungsrat sind "kollegiale Gremien"; der Rundfunkrat ist für die Wahl zuständig, für den Vertrag des Intendanten später ist dann wieder der Verwaltungsrat zuständig.

Das interpretieren wir mal als Hinweis zum Thema Ruhegeld.

Bauer spricht gerade über das Auswahlverfahren und die Äußerungen in Briefform im Vorfeld - offenbar gab es auch einen Brief des Personalrates vom Landesfunkhaus in Magdeburg (Sachsen-Anhalt).

Noch ein Hinweis: Die Aussprache findet im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung statt. Fragen zu den Inhalten von Ludwigs Vorstellung sind aber wohl noch im öffentlichen Teil möglich. Grund für den Ausschluss der Öffentlichkeit ist das Persönlichkeitsrecht.

Nun spricht Ralf Ludwig und begrüßt die Anwesenden und bedankt sich, sein Konzept heute hier vorstellen zu dürfen.

Er stellt sich zunächst selbst vor, spricht über seinen Lebenslauf.

Ludwigs sechs Punkte

Jetzt ist er bei seinen inhaltlichen Punkten. Sechs Punkte sind aus seiner Sicht entscheidend für einen "MDR 2030".

  1. "Reformen" - es geht um die grundsätzlichen Diskussionen über die Strukturen und die Daseins-Berechtigung des ÖRR, auch die Finanzen und Ausstattung. Ludwig: "Wir müssen die von uns ausgehenden Reformen nutzen, die Akzeptanz zu stärken". Er referiert jetzt über die schon erfolgten Reformen beim MDR in den vergangenen Jahren - er selbst hat das größte Reformprojekt der ARD, die SAP-Vereinheitlichung innerhalb der ARD, betreut. "Die Zukunft des MDR, und davon bin ich überzeugt, liegt in der ARD und mit der ARD", so Ludwig. Die erfolgten Schritte können aber erst der Anfang sein, sagt er. Wichtig, so Ludwig, sei es, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die Reformen mit einzubinden.
  2. "Die konsequente Fortsetzung des MDR-Transformationsprozesses": Die digitale Transformation kehrt sich nicht mehr um, so Ludwig - das erfordere einen schwierigen Spagat zwischen Linearität und Nicht-Linearität. Der MDR könne da eine gute Bilanz vorweisen, allerdings seien noch größere Anstrengungen notwendig. "Es muss uns besser gelingen, die Funkhäuser mit der Zentrale zu vernetzen", so Ludwig. Sein Ziel: 2030  sollen mindestens 50 Prozent aller Menschen ein MDR-Angebot nutzen.
  3. "Stärkung der Regionalität": Er will mehr Sichtbarkeit Ostdeutschlands und also im Programm vom MDR in der ARD. Als Beispiele nennt er "wunderbare Dokumentationen", die in der ARD zu sehen waren - und dass er sich gefragt habe, warum die "nur" am Sonntagnachmittag zu sehen gewesen sei. Als positives Beispiel nennt er die Mittendrin-Tagesthemen-Rubrik, in der der MDR gut sichtbar gewesen sei. Für mehr Sichtbarkeit will er auch das regionale Programm und die Relevanz der Themen voranbringen - mit einem Ausbau der Regionalstudios und auch der Zusammenarbeit mit regionalen Organisationen. Er spricht noch weiter über das Thema: Zum Beispiel wünscht er sich, die Berichterstattung im späten MDR-Aktuell deutlich regionalere Berichterstattung. Er wünscht sich auch die Führung eines Korrespondentenbüros in einem nahegelegenen Gebiet, etwa Warschau oder sogar Moskau. "Ich weiß, das ist ein hehres Ziel", sagt er gleich dazu. Es geht noch weiter: Die Stärkung der regionalen Produzentenlandschaft ist ebenfalls sein Ziel. Bis 2030 will er 70 Prozent des Volumens bei regionalen Produzenten sehen. Alter Schwede. Die enge Zusammenarbeit mit Universitäten ist ein weiterer Punkt, den er sieht. Und, "ich sehe auch die enge Partnerschaft mit Zeitungen und Schülerradios" als Mittel für eine stärkere Regionalität.
  4. "Enge Kooperation mit der ARD". Das wünscht er sich verstärkt im Produktionsbereich, etwa durch weitere Kompetenzzentren und der Stärkung. Der MDR könne sich da im Themenfeld Wissen, Familie und Kultur stärker engagieren. Außerdem will er "Edelproduktionen" ins Sendegebiet holen, auch, damit die lokalen Produzenten davon profitieren.
  5. "Umbau der ARD zu einem regional-verankerten Inhalte-Netzwerk" - Ziel ist ein gemeinsamer technischer Standard, ein eigenes Netzwerk für die Nutzerinnen und Nutzer. Da geht es um Auffindbarkeit von Inhalten in der Mediathek und Empfehlungsalgorithmus. Er will bis 2030 die ARD als relevantester Streaming-Anbieter in Deutschland sehen.
  6. "Finanzielle Lage": Der MDR verfügt über einen stabilen Haushalt, 80 Prozent der Erlöse stammen aus den Beiträgen. Die Rücklagen werden aber mittelfristig aufgebraucht sein, weil es ein strukturelles Defizit gibt -dann würde es an die Substanz gehen. Spätestens ab 2025 müssen wir dazu übergehen, Prioritäten zu setzen, sagt er. "Weniger wird mehr sein", sagt er. Das wird auch Verzicht bedeuten. Dabei sieht er das Personal als Schlüssel, auch, weil da ein Generationswechsel ansteht: Deswegen will er verstärkt in Personalentwicklung investieren und aus dem Bereich Informatik noch eine Berufsausbildung dazunehmen.

Das waren die sechs Punkte, Ludwig fasst jetzt gerade noch mal seine Sicht zusammen. "Der MDR steht für mich..." - die Aufzählung gebe ich nicht wieder, ist zu schnell. Nur den letzten Satz: "Der MDR der Zukunft ist für mich ein Garant für Pluralismus und Demokratie".

Zum Schluss noch persönliche Worte: Die nächsten Jahre werden keine leichten Jahren - er steht bereit und wirbt darum, gewählt zu werden.

Fertig. Uff. Jetzt beginnt die Fragerunde, der Vorsitzende hat wieder übernommen.

Mal ein erster Eindruck: Ein umfassendes Programm mit allen relevanten Punkten. Einige Punkte erscheinen ganz schön sportlich.

Was von hier hinten etwas irritiert: Hat er das alles abgelesen?

Fragerunde

Ich gebe jetzt hier nur Stichpunkte der Diskussion wieder. Ludwig wird auf einzelne Aussagen angesprochen und antwortet darauf. Stellenwert des Rundfunkrats, Bedeutung der Quoten, Stellung des MDR innerhalb der ARD.

Also bei mancher Frage fragt man sich schon: echt jetzt?

Jetzt eine Nachfrage mit deutlich mehr Substanz: MDR und rbb hatten Kooperationen bei Riverboat und Goldene Henne - beide sind vom rbb gekündigt worden. "Wie sehen sie das?" Und, nächstes Thema: "Es geht auch noch um Zulieferungen zur ARD, welche Änderungen schweben ihnen da vor?" Außerdem wird Ludwig nach dem Verhältnis von linearen und nicht-linearen Inhalten.

Ludwig antwortet - die linearen Inhalte sind weiterhin notwendig, um das ältere Publikum nicht zu verlieren. "Aber es hat natürlich auch alles seine finanziellen Grenzen..." Auch soll es wieder Kooperationen mit dem rbb geben - wie sich das ausgestaltet, wird man sehen müssen. Zwischendurch hat Ludwig die Lacher auf seine Seite gezogen, weil er dem Rundfunkrat Stefan Gebhardt, der die Frage gestellt hatte, unterstellt hat, in einem Alter zu sein, eher nicht-lineare Inhalte zu konsumieren.

Jetzt eine spannende Frage: Welche Rolle spielen zukünftig die Inhalte aus dem Bereich Unterhaltung und Schlager. Ludwig antwortet knapp: Unterhaltung gehört dazu, er sieht die Schwerpunkte im Bereich Information.

Die nächste Frage sorgt für Schmunzeln: Mit welchen Punkten würde er sich um den ARD-Vorsitz bewerben? Ludwig antwortet: Er hätte eigentlich zuletzt gehofft, dass der Kelch am MDR vorbeigeht. Aber ja: Ein ARD-Vorsitz würde die Chance bieten und es stände dem MDR sicher gut zu Gesicht, die ARD zu reformieren...

Nun eine Nachfrage zum Thema Kultur und Klangkörper, also Rundfunkchor und Symphonie-Orchester. "Ich habe mal gelernt, dass unsere Klangkörper das kulturelle Gedächtnis Mitteldeutschlands sind", sagt er. Er habe bislang nicht darüber nachgedacht, diese abzuwickeln - für ihn gehören sie erstmal dazu. Wobei man halt bzgl. der Finanzierung schauen wird müssen (Wiedergabe sinngemäß).

Noch eine Frage, in Richtung Journalismus: "Es werden über Jahre hinweg Stellen abgebaut, auch journalistische Stellen", sagt der Rundfunkrat. "Wie ich das wahrnehme, ist dort ein wahnsinniger Druck in den Redaktionen". "Kann ich davon ausgehen, dass bis 2030 keine journalistische Stelle gestrichen wird?"

Ludwig will keine Zusicherung geben, nirgendwo Stellen zu streichen, weil er nicht weiß, wie sich die finanzielle Situation des MDR entwickeln wird.

Die Gäste müssen raus

So, jetzt kommt der nicht-öffentliche Teil, die Gäste müssen raus.

So, ein kurzer Eindruck aus dem Außenbereich - wie es so ist, diskutieren wir hier wild die Performance und die Aussagen und wägen die einzelnen Positionen ab. Ich bin bei sowas immer vorsichtig, sage aber mal so: So schlecht war das nicht.

Gerade sind noch die MDR-Direktoren rausgekommen; Hintergrund ist wohl, dass jetzt Fragen kommen könnten, die bei einem zweiten Wahldurchgang einen Vorsprung verschaffen könnten. Also, sollte das so kommen und sich dann wieder einer der Direktorinnen/Direktoren bewerben.

Nach der Aussprache

So, wir sind wieder drin - die Aussprache hat eine knappe halbe Stunde gedauert. Jetzt kommt es wohl zur Wahl, wobei davon auszugehen ist, dass gleich jemand die geheime Abstimmung beantragt.

Hah, das hat der Vorsitzende gerade selbst übernommen. Er erklärt jetzt das Verfahren - es reichen 32 Ja-Stimmen, das wäre dann die Zweidrittel-Mehrheit.

Wahlausschuss sind die drei Mitarbeitenden des Gremienbüros - Wahlkabine ist das Gremienbüro.

Jetzt wird gleich jedes Rundfunkratsmitglied einzeln aufgerufen und bekommt einen Stimmzettel. Ein leerer Stimmzettel zählt als Nein-Stimme; Enthaltungen zählen am Ende wie eine Nein-Stimme, weil es ja um die Erreichung der 32-Stimmen geht.

Die Rundfunkratmitglieder werden in Dreiergruppen aufgerufen.

Ergebnis des 1. Wahlgangs

So, der Vorsitzende wird gerade informiert. Das Ergebnis des ersten Wahlgangs ist:

Bauer fragt: "Hätten Sie etwas dagegen, wenn wir Bild- und Tonaufnahmen zulassen?" Keine Widerrede.

Hier das Ergebnis:

Ja: 33 Stimmen. Nein: 12. Enthaltungen: 3

Applaus.

Nun gibt Ludwig gerade ein Statement ab und bedankt sich auch bei der bisherigen Intendantin Karola Wille.

Die Sitzung wird jetzt für 30 Minuten unterbrochen, damit Interviews geführt werden können. Ich beende hier die Berichterstattung für heute, bleibe aber noch vor Ort. Sollten noch relevante Themen kommen, trage ich das hier noch nach.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wer mich unterstützen will: Der Steady-Kanal ist nach wie vor offen - man könnte auch ein Abo abschließen und gleich wieder kündigen ;-)

Gerichtstermin SBB vs. Rundfunkrat

Okay, das ist noch wichtig, aus dem Bericht des Rundfunkratsvorsitzenden:

Am 10.5.2023 findet die erste Gerichtsverhandlung statt, bei der über die Klage des Sächsischen Beamtenbundes verhandelt wird (vgl. FLURFUNK vom 28.9.2022: "Streit um Rundfunkrat: Beamtenbund verklagt MDR-Rundfunkrat").

Auch noch spannend, aus dem Bericht der Intendantin: In der neuen Volontariats-Runde des MDR sind erstmals auch drei Volontäre dabei, die in den Funkhäusern ausgebildet werden - mit Fokus auf regionale Berichterstattung.

30 Minuten später - das ist auch noch spannend:

Bei dem gemeinsamen Termin von den zwei Programmausschüssen und dem Haushaltsausschuss zum Thema lokale Produzentenlandschaft ist eine Arbeitsgruppe gebildet worden, die bis Herbst einen Fahrplan ausarbeiten soll.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.