Unsere Top 5 Fake News des Jahres 2022

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Eine angebliche Flüchtlingswelle, Affenpocken, Fischsterben, Gerüchte um eine Dirty Bomb und die Pleite einer Brauerei sind die fünf Desinformationen, die wir von FLURFUNK zu den Top 5 Fake News des Jahres 2022 gekürt haben

Vorab der Hinweis: Mit dieser Liste werden Fake News erneut aufgegriffen und verbreitet – was dazu führen kann, dass nur die Original-Meldung (also die eigentliche Fake News) bei einzelnen Personen in Erinnerung bleibt oder verstärkt wird. Dieser Mechanismus ist der Grund, warum viele Medien dazu übergegangen sind, platte Desinformationen nicht mehr zu kommentieren oder gar zu widerlegen.

Andererseits ist Aufklärung, etwa darüber, wie sich Fake News verbreiten oder wo der Begriff politisch eingesetzt wird, ein wichtiger Aspekt, wenn man Medien unterschiedlichster Art nutzt. Es geht darum, die Nutzerinnen und Nutzer zu sensibilisieren. Hier liegt unsere Motivation.

Desinformationen – landläufig Fake News genannt – werden häufig nicht nur eingesetzt, um Menschen zu beeinflussen und Meinungen zu manipulieren. Oft reicht es den Absendern auch, die Gesellschaft zu verunsichern und das Vertrauen in Medien und die politische Führung zu erschüttern. Es ist wichtig, dass sich möglichst viele Medien-Nutzerinnen und -Nutzer dieser Funktionsweisen bewusst sind.

Wir haben unsere Top 5 Fake-News des Jahres 2022 nach den Kriterien „beispielhafte Aufklärung“ und chronologische Reihenfolge ausgewählt. Sprich: Nr. 1 ist im Frühjahr passiert, Nr. 5 im Winter des Jahres 2022.

Alle genannten Themen sind nur beispielhafte Exemplare für eine Unzahl von Falsch-Informationen, die (vor allem) durchs Netz geistern - sei es in Form von Nachrichten auf Webseiten oder weitergeleiteten Nachrichten bei WhatsApp, Telegram etc. Sie sollen uns eine Lehre sein, kritisch mit Informationen umzugehen.

Hier unsere Top 5 Fake News des Jahres 2022: 


Fake News 1: Flüchtlingswelle wegen Russlandsanktionen

Screenshot eines Facebook-Postings von Shyan Sardarizadeh, der das angebliche BBC-Posting als Fake benennt.

Screenshot von Twitter vom 21.12.2022

Da mussten wir – zugegeben – zweimal hinschauen:

Zu Ostern verbreitete sich ein angeblicher BBC-Tweet. In diesem wurde eine vermeintliche Wahlkampf-Aussage des französischen Präsidenten Emmanuel Macron zitiert.

Er soll gesagt haben: "Europa muss darauf vorbereitet sein innerhalb der kommenden 20 Jahre bis zu 60 Millionen Flüchtlinge aufzunehmen, aus Afrika und dem Mittleren Osten.“

Der Faktencheck von Deutsche Welle enttarnt den falschen Tweet. Mit BBC-Logo und blauem Häkchen erscheint dieser zwar im ersten Moment wie ein Original-Tweet.

Auffällig ist allerdings, dass der Tweet nur als Screenshot verbreitet wurde. Auf der Seite von BBC ist er nicht zu finden. 

Von russischen Websites und Telegram-Kanälen kam der falsche Post auf Twitter. BBC-Journalist Shayan Sardarizadeh bestätigte in eine Re-Post auf seinem Twitter-Profil, dass es sich um ein Fake handelt (s. Screenshot).

Wahr ist also: Macron hat die Aussage nie gemacht und BBC nicht darüber berichtet.

Fake News 2: Affenpocken durch AstraZeneca

Im Mai wurden die ersten Fälle der Affenpocken – jetzt Mpox – bekannt. Bei FLURFUNK erinnern wir uns an die Diskussion: Folgt auf die Corona-Pandemie eine neue Krankheit?

Für Verschwörungstheoretiker war zumindest schnell klar, dass das etwas mit der Corona-Impfung zu tun haben muss. Die Behauptung: Weil der Impfstoff Affenviren enthält, soll AstraZeneca Affenpocken (Mpox) auslösen.

Mimikama zeigte in einem Faktencheck, dass diese Behauptung nicht stimmt.

Zwar ist wahr, dass AstraZeneca Adenoviren enthält. Von einer Gruppe dieser Vieren bekommen Schimpansen Schnupfen. Aber auch unser Immunsystem kennt und bekämpft sie.

Für AstraZeneca wurde aber das menschliche Immunsystem ausgetrickst. Zum Transport des Coronavirus-Spike-Proteins – wogegen der Mensch Antikörper entwickeln soll – wurden genetisch angepasste Schimpansen-Adenoviren genutzt.

Diese können sich im Menschen nicht vermehren. Daher lösen sie auch keine Krankheiten aus.

Fake News 3: Fischsterben in der Oder: Deutschland lügt

Screenshot von Twitter, 21.12.2022

Auch wir rätselten im Sommer: Was löst das Fischsterben in der Oder aus?

Wissenschaftler entnahmen viele Proben und führten Tests durch. 

Das brandenburgische Umweltministerium stellte erhöhte Pestizid-Werte fest und gab das öffentlich bekannt. Die polnischen Behörden wollten das allerdings so nicht stehen lassen. Polens Umweltministerin Anna Moskwa sprach von Fake News aus Deutschland. 

Wie unter anderem tagesschau.de zu der Zeit berichtete, schrieb die Politikerin auf Twitter: „Achtung, eine weitere Fake News wird in Deutschland verbreitet!!! Pestizide und Herbizide. In Polen wurde der Stoff getestet und unterhalb der Bestimmungsgrenze nachgewiesen, d.h. ohne Auswirkungen auf Fische oder andere Tiere, und ohne Verbindung zum Fischsterben".

Das Fischsterben in der Oder entwickelte sich zum Politikum. Der wahre Grund für die Umweltkatstrophe ist bis heute unklar (vgl. Tagesschau.de vom 28.12.2022: "Fischsterben in der Oder bleibt ungeklärt").

Sicher ist allerdings: Das brandenburgische Umweltministerium hat in jenen Tagen einen Ermittlungsstand kommuniziert. Faktisch entsprach dieser mit allergrößter Wahrscheinlichkeit den Tatsachen: nämlich erhöhte Pestizid-Werte im Wasser.

Das ist erstmal keine Fake News. 

Denn: Nachrichtenlagen können sich entwickeln. Es ist durchaus möglich und nicht unwahrscheinlich, dass erhöhte Pestizid-Werte vorlagen und diese aber nicht der Grund für das Fischsterben waren. 

So ist das im Leben immer wieder: Es gibt nicht die eine einfache Wahrheit. Umweltentwicklungen, wie auch Politik, besteht aus komplexen Zusammenhängen und dem Zusammenspiel von vielen Faktoren. 

Hier von Fake News zu sprechen, ist also falsch. Und gefährlich. Es untergräbt das Vertrauen in politische Institutionen. 

Fake News 4: Dirty Bomb in Ukraine

Screenshot von Twitter, 21.12.2022

Das erste Opfer des Krieges ist bekanntlich die Wahrheit. Fake News zum Ukraine-Krieg könnten eine eigene Liste füllen. Wir beschränken uns auf eine: Die Ukraine baue angeblich an einer schmutzigen Bombe.

Für „Wie erstelle ich eine Fake-News?“ ist diese Falschbehauptung ein Musterstück. Der französische Auslandssender France 24 verfolgt in einem Faktencheck den Ursprung.

Ende Oktober verbreite das russische Verteidigungsministerium seine Behauptungen über Telegram. Die Ukraine sei bald mit ihrer schmutzigen Bombe fertig und wolle die Zündung als ein russischen Atomsprengkopf tarnen.

Eine sogenannte Dirty Bomb verbindet herkömmliche Sprengstoffe mit radioaktivem Material. Das russische Außenministerium unterstütze diese Anschuldigung über Twitter.

Als Beweis wurden Fotos angefügt. Diese sollen unter anderem das Kharkov Institute of Physics and Technology in der Ukraine und Plastikbeutel mit radioaktivem Material zeigen.

Eine Bildrückwärtssuche belegt allerdings: Die Fotos kommen nicht aus der Ukraine. Es wurden ein Bild der russischen Atomenergie-Agentur und ein Foto aus Slowenien von 2010 verwendet.

Bis heute gibt es keine Belege für die Entwicklung oder den Bau einer Dirty Bomb.

Fake News 5: Oettinger geht Konkurs

Im Juni wurde bekannt, dass die Oettinger-Brauerei ihre Produktion in Gera aufgibt. Mittlerweile ist klar: Paulaner wird den Standort und die meisten Mitarbeitenden übernehmen. Bis hierhin wahr.

Nun die Fake News:

Gerd Burgstaller ist angeblich Mitarbeiter bei Oettinger. In einem bereits gelöschten Facebook-Post behauptete er, dass die Brauerei vor dem Konkurs steht. Der angegebene Grund: Eine Verschwörung der USA und die Folgen des Ukraine-Kriegs. Alle Mitarbeiter würden ihren Job verlieren.

Das Recherchenetzwerk Correctiv weist nach, dass dies ein Fake ist. Hinter Gerd Burgstaller steht keine Person, sondern eine gefälschte Facebook-Seite. Der Beitrag über die Firmenauflösung wurde als Werbeanzeige vor allem Personen in Nordrhein-Westfalen angezeigt. Hier hat die Oettinger-Brauerei einen Standort in Mönchengladbach.

Diese Fake News scheint Teil einer breit angelegten Kampagne zu sein. In den letzten Monaten häufen sich in Sozialen Medien Meldungen über große Unternehmen. Sie sollen angeblich vor der Pleite oder der Schließung von Produktionsorten stehen.

Die vorgegeben Gründe sind hohe Energiepreise und die Folgen der Russlandsanktionen. Betroffen von den Fakes waren unter anderem Ford, BASF, Siemens und VW.

Bislang stimmte keine dieser Desinformationen.


Das Netz ist inzwischen voll von Desinformationen, gern auch Fake News genannt. Inzwischen gibt es jede Menge Faktencheck-Angebote, bei denen man Informationen prüfen kann.

Häufig hilft es aber einfach, die Nachricht einfach bei Google in Verbindung mit dem Wort "Faktencheck" zu suchen.

Im Zweifel

können im direkt Kontakt bei der dpa, aber auch bei Redaktionen wie correctiv oder Mimikama direkte Anfragen gestellt werden.

Warum Desinformation so gefährlich für unsere Gesellschaft ist, haben wir u.a. in diesem Beitrag thematisiert: "Wie Desinformation die Demokratie bedroht" (FLURFUNK vom 10.5.2022).

Dr. Christopher Brinkmann

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