Die Diskussionen über die Verwendung von Mitteln beim RBB hat dafür gesorgt, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk insgesamt in den Fokus der gesellschaftlichen Diskussion gerückt ist.
Aber wie ist das beim MDR? Ist der Rundfunkrat ausreichend mit Personal und Mitteln ausgestattet? Wie läuft das mit der Kontrolle beim MDR?
Und was bedeutet der Skandal beim RBB für den übrigen ÖRR?
Wir haben die Diskussion zum Anlass genommen, ausgewählte Mitglieder des Rundfunkrats des MDR anzuschreiben und um die Beantwortung von einigen Fragen zu bitten.
Heiko Hilker: "Der MDR hat in der ARD die höchsten Compliance-Standards"
Heiko Hilker ist Gründer und Inhaber des DIMBB - Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung. Er ist ausgewiesener Medienexperte, sein täglicher Newsletter über die aktuelle Medien-Berichterstattung gilt in der Branche als Pflichtlektüre.
Hilker ist als Vertreter des DJV Sachsen im 7. Rundfunkrat. Hier seine Antworten:
FLURFUNK: Was bedeutet der RBB-Skandal für den gesamten öffentlich-rechtlichen Rundfunk und die Arbeit der ÖRR-Gremien?
Heiko Hilker: Der rbb hat über 3.500 feste und freie Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Ein paar Leute an der Spitze haben sich nicht an Regeln und Standards gehalten. Es sieht so aus, als ob daraus die richtigen Lehren gezogen werden: klare Standards im Sender, Transparenz bei der Verwendung des Rundfunkbeitrags, mehr Mitsprache der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
FLURFUNK: Ist der der MDR Ihrer Meinung nach ausreichend kontrolliert?
Hilker: Die 50 Rundfunkräte und 10 Verwaltungsräte kontrollieren den Sender nicht allein. Da sind noch die interne Revision, Compliance-Beauftragte, Wirtschaftsprüfer, Rechnungshöfe und KEF sowie drei Regierungen als Rechtsaufsicht. Diese Form der Kontrolle ist ausreichend. Allerdings könnten Rundfunkrat und Verwaltungsrat zusätzliche Expertise in Journalismus, Medienwirtschaft, Informations- oder Rundfunktechnologie gut gebrauchen.
Ich wünsche mir, dass im Rundfunkrat Beschlussvorlagen und Unternehmenstrategien grundsätzlicher hinterfragt werden, wie z.B. die hohen Ausgaben für Fußball in der ARD, der crossmediale Umbau sowie die massive Umschichtung von Mitteln in nichtlineare Angebote.
Ich spreche mich seit Jahren dagegen aus, dass weiter Stellen im Journalismus abgebaut werden. Es scheint, dass dies erst einmal keine Frage der Kontrolle ist. Doch hat der Stellenabbau Folgen für die Breite und Tiefe des journalistischen Angebots. Das berührt dann doch den Programmauftrag. Und der Rundfunkrat hat zu kontrollieren, ob der Programmauftrag erfüllt wird.
FLURFUNK: Ist der MDR-Rundfunkrat ausreichend ausgestattet, um seine Aufgaben zu erfüllen?
Hilker: In der Gremiengeschäftstelle gibt es vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Einer davon betreut den Dreistufentest für die Telemedienangebote und deren kontinuierliche Überprüfung. Aus meiner Sicht müssen wir dies ausbauen und kontinuierlich die Qualität aller MDR-Angebote evaluieren. Der MDR sollte darlegen, welche Zielgruppen er mit welchen Genres und Angeboten erreichen will, was er den einzelnen Bevölkerungsgruppen und der Gesellschaft insgesamt bietet. Der Rundfunkrat muss überprüfen, ob diese Ziele erfüllt werden. Das geht nur, wenn der Rundfunkrat mehr personelle Unterstützung hat, das Gremienbüro also personell aufgestockt wird.
FLURFUNK: In der Diskussion um den RBB fiel in der Berichterstattung bezüglich des Rundfunkrats dort das Wort "Abnick-Gremium“: Wie groß ist der Einfluss der MDR-Intendanz auf die Arbeit des MDR-Rundfunkrats?
Hilker: Im MDR-Rundfunkrat hat sich in den letzten 25 Jahren die Zahl derjenigen, die Dinge kritisch nachfragen, Vorschläge machen und auch gegen die eine oder andere Vorlagen stimmen, immer weiter erhöht. Es sieht so aus, dass dich dieser Trend im neuen Rundfunkrat, der noch nicht einmal neun Monate im Amt ist, fortsetzt. Nur deshalb, weil noch nie etwas abgelehnt wurde, heißt das ja nicht, dass es keine anderen Meinungen bzw. Kritik gibt. In Zukunft muss der Rundfunkrat dies deutlicher kommunizieren.
FLURFUNK: Gibt es etwas, was sich Ihrer Meinung nach beim MDR-Rundfunkrat ändern sollte?
Hilker: Für eine endgültige Einschätzung würde ich gern die Debatten beim rbb abwarten. Da entsteht gerade auch im Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern viel Neues. Ich bin mir sicher, dass wir dann einiges davon übernehmen sollten. Was für mich jedoch jetzt schon klar ist: Wir müssen stärker den Austausch mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern suchen. Der Rundfunkrat sollte sich vierteljährlich mit Personalrat, Freienrat und Beirat der Intendantin austauschen – ohne dass die Geschäftsführung dabei ist.
Darüber hinaus sehe ich noch weitergehenden Handlungsbedarf bei allen Sendern, so z.B. in Fragen der Transparenz der Mittelverwendung gegenüber der Öffentlichkeit, der (zu hohen) Vergütung von Führungskräften und deren Altersversorgung.
Vieles davon kann und muss jedoch die Politik regeln, die sich oft einen "schlanken Fuß" macht und den "schwarzen Peter" den Sendern zuschiebt. Dabei kann sie selbst vieles in Gesetzen regeln und den Gremien weitere Kontrollmittel "an die Hand geben". Zudem sitzen nicht wenige Ministerpräsidenten, Chefs der Staatskanzleien und Medienstaatssekretäre selbst in den Gremien der Sender.
Der MDR und die anderen Sender müssen sich gegen die Übermacht der neuen globalen Player neu behaupten. Im Bündnis mit Belegschaften und Publikum. Das einzufordern ist auch eine Aufgabe des Rundfunkrats.
FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview.
Hinweis: Heiko Hilker hat uns über die Antworten hinaus noch folgenden Text geschickt:
Die Transparenz ist wesentlich auszubauen. Der frühere Verfassungsrichter Paul Kirchhof sagte: “Jeder Beitragsschuldner hat einen Anspruch darauf, zu wissen, was mit seinem Geld geschieht, welche Sendung für welche Summen gekauft und produziert wird. [...] Der Informationsanspruch betrifft den Einfluss des Geldes auf das öffentlichrechtliche System. Daher sollten alle Zahlungen, die Mitwirkende an einer Sendung befangen machen könnten, offengelegt werden.” Davon sind wir weit entfernt. Auch das Publikum muss stärker in die Programmbeobachtung einbezogen werden, so zum Beispiel durch Publikumsräte, die die Kritik am Programm bündeln und an die Geschäftsführung herantragen. Die Gremien müssen vielfältiger aufgestellt werden. Und wenn Politikerinnen wie Malu Dreyer und Heike Raab von den Rundfunkräten als den Parlamenten der Sender sprechen, dann sollten sie diesen auch vergleichbare Rechte zugestehen.
Für mich ist klar: Vor allem die Medienpolitik ist in der Pflicht, wenn es darum gilt, die Kontrolle zu stärken. Sie beschließt die entsprechenden Gesetze. Sie kann den Gremien weitere Mittel an die Hand geben.
Zudem sitzen in allen Aufsichtsgremien des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zusammen 18 Ministerpräsidenten, Chefs der Staatskanzleien bzw. Medienstaatssekretäre sowie 13 weitere Minister. Sie könnten also auch innerhalb der Gremien diejenigen stärker unterstützen, die stärker dem Kontrollauftrag nachkommen wollen.
In dieser Interview-Reihe bereits erschienen sind:
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