Journalismus-Master in Leipzig: Durchkämpfen zum Alleinstellungsmerkmal

Prof. Dr. Markus Beiler beim Fernunterricht.

An der Universität Leipzig haben die ersten Studentinnen und Studenten den Lehrplan des reformierten Masterstudiengangs für Journalismus absolviert. Die Mehrheit der Studierenden des Jahrgangs 2018 startete kürzlich ins abschließende Volontariat, das nach wie vor Bestandteil des Masterprogramms ist. Verlief der erste Durchgang des neuen Journalistik-Studiums erfolgreich? Ist die Reform geglückt? FLURFUNK hat mit Studierenden und Verantwortlichen gesprochen.

Text und Fotos: Alexander Laboda

Inka Zimmermann fehlt selbstverständlich die Vergleichsmöglichkeit. Als 2017 das Ende der Leipziger Journalistik ausgerufen  (vgl. FLURFUNK vom 11.7.2017: "Marcel Machill verkündet Ende der Leipziger Journalistik") und später doch eine große Reform des einst so renommierten Masterstudiengangs (vgl. FLURFUNK vom 29.11.2017: "Rolle rückwärts, Salto nach vorne: Leipziger Journalistik erfindet sich neu") angekündigt wurden, war die 25-Jährige noch mit ihrem Bachelorstudium der Kommunikations- und Staatswissenschaft in Erfurt beschäftigt.

Darum kann Zimmermann lediglich die vergangenen zwei Jahre beurteilen, in denen sie mit 21 Mitstudierenden den neu konzipierten "Master Journalismus" absolvierte. Ihr Fazit: "Ich finde den neu gestalteten Studiengang sehr gelungen."

Zimmermann ist seit kurzem Volontärin beim MDR in Dresden. Sie hebt hervor, wie gefragt die im Studiengang vermittelten Kenntnisse in den Redaktionen sind: "Bei meinen ersten Erfahrungen im Volontariat merke ich, dass das Interesse an Datenjournalismus groß ist. Es kommt gut an, wenn man sich mit Daten, Statistik und Informatik auskennt." Das sei ein Alleinstellungsmerkmal des Studiengangs, erklärt die gebürtige Karlsruherin.

Digitalen Wandel gestalten

Journalismus mit Informatik verknüpfen – das ist die Kernidee des reformierten Programms. Laut Website des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft (IfKMW) Studierenden befähigt werden, "als Redakteurinnen und Redakteure zu arbeiten sowie in Führungspositionen in Medienunternehmen den digitalen Wandel des Journalismus zu gestalten."

Um das zu erreichen, besuchen die angehenden Journalisten ab dem ersten Semester Informatik-Vorlesungen mit Titeln wie "Algorithmen und Datenstrukturen" oder "Modellierung und Programmierung". Grundlagen der empirischen Sozialforschung und Statistik vermitteln ihnen Lehrende aus der Soziologie. Die journalistische Ausbildung, zum Beispiel Redaktionsmanagement oder Medienrecht, bildet auf dem Papier lediglich noch eine dritte Säule des Studiums.

Anlaufschwierigkeiten

Die Zusammenführung der Disziplinen in einem Studienprogramm lief nicht ohne Anlaufschwierigkeiten ab, berichtet Studentin Inka Zimmermann: "Für uns Journalistik-Studenten war es sehr schwer, mit den Informatik-Inhalten klar zu kommen. Da mussten wir uns sehr durchkämpfen."

Allerdings habe die Studiengangsleitung schnell reagiert. Nach Gesprächen habe es für den journalistischen Nachwuchs eigene Übungen und Tutorien zu den Informatikvorlesungen gegeben, um sich die fremde Materie zu erarbeiten. Zuvor hatten in den Übungen auch Bacherlor-Studierende aus der Informatik gesessen.

Die Episode illustriert bereits: Der Journalismus-Master bringt keine ausgebildeten Programmiererinnen und Programmierer hervor. Zimmermann beschreibt es so: "Wir sind keine Informatiker. Wir haben jetzt einen Blick dafür, was technisch möglich ist, und können das mit den Spezialisten besprechen." Der Journalistik-Master sei eine Ausbildung an der Schnittstelle zwischen Journalismus und IT.

Fehlendes Handwerk?

Ein Blick auf den Lehrplan.

Fakt ist, dass im Curriculum weniger Zeit für originär journalistische Inhalte eingeplant ist. Wird dadurch die Ausbildung für den Beruf vernachlässigt? Der neue Studiengang werde den Studierenden "nichts Halbes und nichts Ganzes" bieten, prophezeite etwa Prof. Dr. Marcel Machill während des Reformprozesses. Als entmachteter Leiter des alten Masterstudiengangs stand er der Umstrukturierung besonders kritisch gegenüber.

Martin Brandt zählt ebenfalls zum ersten Jahrgang des neuen Studiengangs. Der 25-Jährige weist die Befürchtungen zurück: "Wir alle hatten bereits vorher eine grundlegende journalistische Ausbildung, weil alle Praktika und freie Mitarbeit hinter sich hatten."

Er selbst sammelte etwa bei der Mitteldeutschen Zeitung und dem MDR Erfahrungen. Seine Kommilitonin Inka Zimmermann absolvierte vor dem Masterstudium sogar acht Praktika, unter anderem ebenfalls beim MDR und dem Portal Abgeordnetenwatch. Brandt sagt: "Wir brauchten nicht nochmal lernen, was eine Nachricht ist."

Der gebürtige Dessauer sieht den Studiengang insgesamt auf einem guten Weg. Die Studierenden könnten bei der Gestaltung des Studiums sehr gut mitwirken. Anfängliche Schwierigkeiten seien gemeinsam gelöst worden. "Vor einem Jahr hätte ich vielleicht noch gesagt, dass es noch an Kompetenz im Bereich Datenjournalismus fehlt. Seit Ende 2019 gibt es dazu nun aber auch eine Junior-Professur, wodurch diese Lücke geschlossen wurde", erklärt Brandt, der sein Volontariat beim WDR macht. "Ich würde den Studiengang jedenfalls weiterempfehlen".

Räumlicher Neubeginn

Prof. Dr. Markus Beiler

Solche Worte dürfte Prof. Dr. Markus Beiler gerne hören. Der Medienwissenschaftler, Jahrgang 1978, wurde im Zuge des Neustarts zum ordentlichen Professor für Journalismusforschung ernannt. Er erarbeitete den Lehrplan mit und leitet den Studiengang heute. Beilers Bilanz gut zwei Jahre nach dem Neustart: "Wir haben einen einzigartigen Studiengang geschaffen, von dem wir vorher nicht wussten, ob es funktioniert. Heute kann man sagen: Es hat funktioniert."

Bei einem Ortstermin in der Nikolaistraße in der Leipziger Innenstadt führt Beiler Mitte Dezember 2020 stolz durch das neue Zuhause des Studiengangs. Denn neben der inhaltlichen Reform gab es auch eine räumliche Veränderung: Das IfKMW zog samt Journalistik im März 2019 von der bereits sehr zentralen Burgstraße in das noch repräsentativere, denkmalgeschützte Zeppelinhaus. Möglich wurde das durch den Umzug der juristischen Fakultät der TU Dresden von Dresden nach Leipzig. Um den Jura-Bereich an einem Ort zu bündeln, wurden die Juristinnen und Juristen im Gebäude am Burgplatz einquartiert.

Top-moderne Ausbildungsstätte

Blick in die Lehrredaktion.

Den gewissermaßen erzwungenen Umzug ließ sich das IfKMW offenkundig sehr gut von der Universität beziehungsweise dem Freistaat Sachsen entschädigen. Denn in Sachen Lage, Größe und Ausstattung lässt die neue Heimat keine Wünsche offen.

Der Masterstudiengang Journalismus erhielt dort eine Lehrredaktion, dessen Einrichtung bei mancher Lokalzeitung Neid aufkommen lassen dürfte. "Wir haben bei Medienhäusern in ganz Deutschland nachgefragt, wie sie momentan ihre Newsrooms organisieren. Das Ergebnis haben wir dann versucht im Kleinen nachzubilden", erzählt Markus Beiler.

Hinzu kommen unter anderem ein PC-Pool mit Dutzenden nagelneuen Apple-Computern, Labore mir modernster Medientechnik und auch ein riesiger Seminarraum, in dem künftig einmal Veranstaltungen mit viel Publikum abgehalten werden können. Die gesamten Räumlichkeiten wirken wie das manifestierte Bekenntnis des Wissenschaftsministeriums zur Journalistenausbildung in Leipzig.

Aufbruch und Veränderungen

Markus Beiler versprüht trotz nahender Weihnachtspause und um sich greifender Corona-Pandemie Aufbruchstimmung: "Der Studiengang läuft jetzt unter Volllast. Die Pflicht haben wir absolviert, jetzt kommt die Kür". Der gebürtiger Hannoveraner spricht von einer ständigen Weiterentwicklung des Lehrplans, Kooperationsgesprächen mit Unternehmen oder einem Neustart der Alumni-Arbeit. Allein der Masterstudiengang Journalistik habe 350 Absolventinnen und Absolventen. "Wir möchten gerne wissen, was unsere Alumni machen und sie stärker einbinden", erklärt Beiler.

Hoch qualifizierte Bewerber

Ein zentraler Anlass für die Reform des Studiengangs war die sinkende Zahl der Bewerbungen. Auch hier gab es nach Angaben der Verantwortlichen eine gute Entwicklung. Auf die 20 Studienplätze habe es in den vergangenen drei Jahren im Schnitt vier bis fünfmal so viele Bewerbungen gegeben – Tendenz steigend.

Die Zahl der Anträge ist damit zwar weit entfernt von den hunderten Zuschriften früherer Tage. Allerdings wurden auch die Zugangsvoraussetzungen deutlich erhöht. Die Bewerberinnen und Bewerber müssen praktische journalistische Erfahrungen von mindestens einem halben Jahr vorweisen. Früher waren es nur drei Monate. Hinzu kommen ein Motivationsschreiben und ein Exposé für ein Forschungsprojekt. "Wir bekommen zielgenauere und qualitativ bessere Bewerbungen", sagt Markus Beiler.

Fazit: Die ersten Studierenden sind zufrieden, die Leipziger Journalistik hat ein neues Heim mit modernster Ausstattung und die Verantwortlichen sind voller Tatendrang – der Neustart des Masterstudiengangs ist offenbar gut gelungen.

Für Rückmeldungen der Medienunternehmen, bei denen die Studierenden ihre Volontariate absolvieren, ist es derzeit jedoch zu früh. Zu den Partnern, mit denen unterschiedlich feste Vereinbarungen bestehen, zählen dutzende Zeitungen und Rundfunksender bundesweit. Dort wird sich entscheiden, ob die Leipziger Journalistenausbildung ihr früheres Ansehen zurückgewinnen kann.

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