Werbeagenturen sind stets von der Investitionsfähigkeit ihrer Kunden abhängig, die durch Corona je nach Branche mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen wurden. Agenturen sind Mittler zwischen Unternehmen und Medien, und zu ihrem Kerngeschäft gehört Kommunikation. Gerade diese hat zwar in der Krise einen neuen Stellenwert bekommen, wurde aber durch Kontakteinschränkungen zunehmend erschwert.
FLURFUNK hat sich gefragt, wie es Agenturen aus Sachsen während der Coronakrise ergangen ist. Welche Strategien haben sie gefahren? Welche Veränderungen konnten sie in Bezug auf die Krise beobachten?
Kunden und Projekte
Alle vier von uns befragten Agenturen gaben an, dass sie während der Krise keine Kunden verloren haben. Allerdings mussten vereinzelte Projekte abgesagt oder verschoben werden. Das hatte zum einen mit der teilweise eingeschränkten Liquidität der Kunden, zum anderen mit den ungünstigen Bedingungen für Werbeplatzierungen zu tun.
Werbemöglichkeiten sind mit Ausnahme von Kinowerbung weiterhin möglich gewesen, „vielmehr haben sich Bedürfnisse und Wahrnehmung der Menschen, der möglichen Zielgruppen, verändert“, wie Elisabeth Freymann von Oberüber Karger erklärt.
Dementsprechend stellte sich unter anderem die Frage, wen Plakatwerbung und andere Formen von Out-of-Home-Advertising überhaupt erreichen könnten, wenn die meisten Menschen zu Hause blieben. Auch stellte die neue Situation die Werbewirkung von manchen Kampagnen, Produkten und Dienstleistungen infrage.
Beispielsweise sei es fragwürdig, ob eine Werbetafel in menschenleeren Straßen nicht vielleicht sogar negative Gefühle freisetzte – wenn sie denn überhaupt jemand wahrnimmt.
Benedict Rehbein berichtet davon, dass man bei pioneer communications anlassbezogen auch inhaltlich auf die Coronakrise eingegangen sei. „Insofern gab es bei fast allen Kunden Auswirkungen auf Themen und Content der PR, allerdings nicht auf den Umfang. Denn Kommunikation braucht es immer – gerade in dieser Krise.“
Online-Werbung wichtiger denn je
Da der Medienkonsum zeitweise auf nie geahnte Höhen geklettert ist, liegt die Schlussfolgerung nahe, dass Werbung in Funk- und Online-Medien wichtiger als je zuvor geworden ist. Nutzungszeiten von Social Media und Streamingdiensten sind in der Corona-Zeit stark angestiegen. „Diesem Trend muss auch im Marketing Rechnung getragen werden“, verdeutlicht Elisabeth Freymann.
Auch andere Agenturen teilen diese Einschätzung: „Im Moment haben wir das Gefühl, dass Online-Werbung profitiert“, bestätigt auch Lena Fellner von move:elevator, setzt aber hinzu: „Für eine endgültige Einschätzung ist es aber noch zu früh.“
Pauschalaussagen dazu könne man nicht treffen, da sich die Touchpoints nach den Zielgruppen richten, wie Mark Eckert von Deutscher Tele Markt erklärt. Nicht alle seien über digitale Kanäle zu erreichen. Auch nach der Krise stelle das die Branche vor neue Herausforderungen:
„Wie erreicht man nach Corona durch einen Medienwechsel von Touchpoints wie Plakat und Funk noch relevante Zielgruppen, ohne sich dabei nur noch auf die bekannten Kanäle wie Facebook, Instagram und Netflix zu fokussieren? Auch hierbei ist das Thema Flexibilität von besonderer Relevanz.“
Kommunikation und Arbeitsweisen
Fast alle Agenturen schreiben, dass sie bei PR und Marketing kaum Veränderungen gespürt haben. Essentiell wichtige Kundengespräche konnten auch über Online-Angebote von zu Hause aus erledigt werden. In Ausnahmefällen wurde das unter strengen Hygienemaßnahmen auch im Büro getan.
Mitarbeiter*innen aller Agenturen hatten bereits vor Corona die Möglichkeit aus dem Home-Office zu arbeiten. In der Krise konnten sie daher vom vorangegangenen Ausbau der Infrastruktur profitieren. Die Umstellung fiel dementsprechend leicht.
Vereinzelt berichten die befragten Agenturen allerdings davon, dass Probleme mit der teamübergreifenden Kommunikation aufgetreten ist, da der „Flurfunk“ nicht mehr möglich war und über digitale Kanäle geregelt werden musste.
Dementsprechend wurden Kommunikationswege länger und komplizierter. Außerdem beklagten viele Mitarbeiter*innen den fehlenden persönlichen Umgang.
Alle Agenturen haben sich Möglichkeiten einfallen lassen, um soziale Kontakte zu den Mitarbeiter*innen zumindest zu simulieren, etwa durch gemeinsame Videocalls, digitale Mittagspausen, Firmenpodcasts oder das kollektive Online-Feierabendbier.
Zusammenfassend sehen die Agenturen die Krise aber vor allem als Chance, gewohnte Arbeitsweisen und Kommunikationswege aufzubrechen und neu zu bewerten.
Elisabeth Freymann von Oberüber Karger schreibt etwa: „Auch bei uns hat die Corona-Krise die Digitalisierung etwas beschleunigt. Davon abgesehen sehen wir keine großen Veränderungen.“
Auch Lena Fellner von move:elevator sieht die Veränderungen, die die Krise mit sich bringt, mit gemischten Gefühlen:
„Es passiert so viel in Sachen Arbeitsorganisation. Da wird gerade so viel Bewährtes über Bord geworfen und so viele Glaubenssätze verlieren an Bedeutung […] Denn noch kann niemand sagen, was nach Corona kommt. Wir können uns aber nicht vorstellen, dass wir zum alten Normal zurückkehren. Es wird sicher ein neues Normal geben. Und wie das aussieht, ist extrem spannend!“
Umsatzeinbußen, Fördermaßnahmen und Politik
Die Höhe der Umsatzeinbußen richtete sich erwartungsgemäß nach den Verlusten, die die jeweiligen Agenturkunden hatten. Die Agenturen berichteten daher teilweise von Verlusten im einstelligen Bereich aber auch von etwa 20-prozentigen Einbußen des Jahresumsatzes.
Besonders hart traf es die Kunden aus den Bereichen Tourismus, Restaurants, Hotels, Luftfahrt, Messen, Veranstaltungen und Diskotheken. Die Einbußen für die Agenturen waren jedoch in keinem der Fälle existenzbedrohend. Daher gaben sie sich größtenteils optimistisch.
Für einige wenige Mitarbeiter*innen wurde zeitweise Kurzarbeitergeld beantragt. Entlassen wurde in den befragten Agenturen niemand. Vereinzelt wurden auch Kredite beantragt und Steuerstundungen in Anspruch genommen.
Grundsätzlich fühlten sich alle Agenturen gut beraten und finanziell ausreichend unterstützt. Viele lobten die meist unkomplizierten, schnellen, doch gut durchdachten und meist unbürokratischen Entscheidungen der Regierungen.
Lena Fellner von move:elevator schrieb sogar: „Seien wir doch mal ehrlich und schauen wir uns um: Welches Land hat es denn besser hinbekommen als Deutschland?“
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