Nach Ansicht des Leipziger Medienrechtlers Marc Liesching sind die geplanten Reformen des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes (NetzDG) und der bereits unterzeichnete Medienstaatsvertrag nicht mit EU-Recht vereinbar.
Das geht aus einer Pressemitteilung der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (HTWK Leipzig) hervor. Titel der PM: "'Deutsche Gesetze gehen bei Facebook & Co ins Leere'".
Medienstaatsvertrag und NetzDG unionsrechtswidrig
Vor dem Hintergrund des Herkunftslandprinzips könnten Maßnahmen gegen soziale Netzwerke wie Facebook und Twitter aufgrund deutscher Gesetze „allenfalls im Einzelfall und unter engen Ausnahmevoraussetzungen“ erfolgen. „Das berücksichtigen Regelwerke wie das NetzDG des Bundes und der Medienstaatsvertrag der Länder nicht hinreichend. Die Gesetze sind insoweit unionsrechtswidrig“, erklärte der Medienrechtsprofessor der HTWK Leipzig am Montag.
Zumindest bei Unternehmen mit Sitz in anderen EU-Ländern – Facebook hat seinen Europa-Sitz beispielsweise in Irland – stünden nationale Alleingänge mit dem Anspruch internationaler Geltung im Widerspruch zu europäischen Regelungen, argumentiert Liesching.
„Ebenso wie niemand in Deutschland möchte, dass nationale Gesetze in Ungarn, Polen, Italien oder Österreich deutsche Medienanbieter beschränken, müssen auch die deutschen Gesetzgeber die Grenzen des europarechtlichen Herkunftslandprinzips beachten“, sagt der Jurist.
Europäischer Gerichtshof könnte Gesetzgebung aufheben
Nach Einschätzung von Lisching ist es nicht unwahrscheinlich, dass der Europäischen Gerichtshof – wie zuletzt bei der deutschen Pkw-Maut – die deutsche Gesetzgebung aufhebt.
Die Bundesregierung setzt derzeit mit zwei Novellierungen verschiedene Änderungen am NetztDG um.
Unter anderem will sie die Netzwerke verpflichten, strafbare Inhalte künftig direkt an Strafverfolgungsbehörden zu melden (https://www.bmjv.de/SharedDocs/Artikel/DE/2020/021920_Kabinett_Bekaempfung_Rechtsextremismus_Hasskriminalitaet.html). Das entsprechende „Gesetzespaket gegen Rechtsextremismus und Hasskriminalität“ wird diese Woche Mittwoch im Rechtsausschuss des Bundestages beraten, wobei Marc Liesching als Experte geladen ist.
Eine weitere Reform des NetzDG sieht erweiterte Rechte von Nutzern gegenüber sozialen Netzwerken vor. Unter anderem sollen Bürgerinnen und Bürger künftig leichter und unkomplizierter Bedrohungen und Beleidigungen anzeigen und Auskunftsansprüche gegenüber den Plattformen einfacher durchsetzen können (https://www.bmjv.de/DE/Themen/FokusThemen/NetzDG/NetzDG_node.html).
Der neue Medienstaatsvertrag (https://www.rlp.de/fileadmin/rlp-stk/pdf-Dateien/Medienpolitik/ModStV_MStV_und_JMStV_2019-12-05_MPK.pdf) wiederum wurde Ende 2019 von den Ländern beschlossen. Der Entwurf sieht unter anderem eine Neudefinition des Rundfunkbegriffs vor, um auch Plattformen und Social Networks zu erfassen. Konkret soll etwa die Erteilung von Rundfunklizenzen für einen Großteil kleinerer Anbieter im Netz wegfallen. In Kraft treten soll der Vertrag im September. Derzeit wird er in den Länderparlamenten ratifiziert. Alexander Laboda
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