Lesehinweis: Das Online-Magazin Planet Interview hat ein ausführliches Interview mit Heiko Hilker über den MDR-Rundfunkrat veröffentlicht.
Hilker selbst sitzt seit 1997 in dem Gremium und ist ausgewiesener Medienexperte. Er ist Gründer des Dresdner Instituts für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB).
Dem Interview vorangestellt sind Infos zur Zusammensetzung und Arbeitsweise des MDR-Rundfunkrats, die für sich schon spannend sind. Zeigen sie doch etwa auf, dass der Rundfunkrat in den vergangenen 23 Jahren alle Vorschläge der Sender-Leitung zugestimmt hat.
Mit einer Ausnahme: 2011 stimmte die Mehrheit des Rundfunkrats gegen den vom Verwaltungsrat vorgeschlagenen Intendanten (vgl. FLURFUNK vom 26.9.2011: "MDR-Intendantenwahl: Bernd Hilder durchgefallen").
Aus dem Interview gehen eine Reihe spannender Aspekte hervor - etwa, dass sich die Zusammensetzung des Rundfunkrats über die veränderten Mehrheitsverhältnisse in den Landtagen in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen deutlich verändern werden - die Linke in Sachsen etwa wird künftig keine der entsendenden Organisationen mehr bestimmen können.
Weitere Themen sind die Transparenz bezüglich Parteimitgliedschaften der Rundfunkratsmitglieder und die Öffentlichkeit der Sitzungen.
Auf die Frage, ob er die Gesellschaft in dem Gremium als nicht richtig repräsentiert betrachte, antwortet Hilker:
"Die Gesellschaft hat sich auch im MDR-Gebiet in den letzten 30 Jahren immer weiter ausdifferenziert, aber der Rundfunkrat ist dieser Entwicklung nicht angepasst worden. Wenn ein Rundfunkrat nach 28 Jahren im Wesentlichen noch die gleiche Zusammensetzung hat, spiegelt er die Verhältnisse der Gesellschaft nicht mehr. Dieses Problem kann aber nicht der Rundfunkrat selbst lösen, sondern es muss von der Politik in den drei Bundesländern gelöst werden. Da sind zuerst die Landesregierungen gefragt, sich auf einen Staatsvertrag zu einigen. Diese, insbesondere Sachsen-Anhalt und Sachsen als CDU-geführte Länder, schieben das vor sich her."
Die Frage, ob es nicht möglich wäre, Regierungen und Parteien komplett aus dem Gremium fern zu halten, beantwortet Hilker so:
"Sie werden diesen Einfluss dann trotzdem im Gremium haben, dann allerdings verdeckt über Dritte. Sie müssen sich ja überlegen, welche gesellschaftlich relevanten Organisationen Sie dann stattdessen im Rundfunkrat haben. Darf der Handwerkskammerpräsident dann nur Mitglied sein, wenn er keiner Partei angehört? Kommen die Mitglieder dann nur von Organisationen ohne Parteinähe? Was übrigens oft nicht beachtet wird: Viele der gesellschaftlich relevanten Organisationen sind von der jeweiligen Landesregierung abhängig, weil sie staatliche Fördermittel kriegen. Wir haben im Rundfunkrat fast keine Organisation, die nicht über irgendwelche Wege staatliche Fördermittel bekommt."
Hilker vertieft den Aspekt auch noch weiter und erklärt, warum er Parteien generell nicht aus dem Gremium raushalten und was passieren würde, würden "einfache Bürger und Bürgerinnen" entsendet.
Das Interview ist damit aber noch lange nicht am Ende: Weitere, sehr ausführlich besprochene Themen sind die Causa Uwe Steimle (vgl. FLURFUNK vom 8.12.2019), der Überhang von Schlager-Formate im Programm und die Finanzen der Rundfunkanstalt.
Das Interview von Planet Interview ist am 17.4.2020 erschienen und trägt den Titel: "Die Vielfalt ist nicht garantiert."
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