Lesehinweis: Der Journalist Wolfgang Michel hat für die zwölfte und letzte Ausgabe unseres Magazins FUNKTURM einen sehr kritischen Text über den Medienjournalismus in Deutschland verfasst.
In dem Beitrag schreibt er über das Dilemma von Medienjournalisten:
"Obwohl die Kritiker die 'Maul- und Plauderseuche' der Polit-Talkshows seit 30 Jahren in Grund und Boden verdammen, wird das Format von den Programmverantwortlichen immer häufiger eingesetzt. Da können Kritiker noch so viele 'saure Gurken' und 'goldene Kartoffeln' verleihen, ihre Medienkritik erreicht nichts, ja sie macht alles noch schlimmer. Talkshows werden inzwischen rezensiert wie Theaterpremieren und in sozialen Medien durch Empörung ‚beworben’. Den Kritikern der Bildzeitung ergeht es nicht anders. 50 Jahre nach den Protesten gegen den Springer-Verlag und 15 Jahre nach Gründung des „Bildblogs“ macht Bild-Chef Julian Reichelt die Zeitung umso trotziger zum Revolverblatt."
Und weiter:
"Hinzu kommt das Problem des Agenda-Settings. Kaum ein Medienkritiker setzt eigene Themen, die meisten hecheln den Themen hinterher, die von den Medien gesetzt werden. Das führt zu der absurden Situation, dass genau in dem Moment, in dem die Kritiker mit tiefer gehenden Qualitätsanalysen beginnen, das Thema schon wieder „durch“ ist. Man eilt von Katastrophe zu Skandal, von Enthüllung zu Unglück, von Terroranschlag zu Fehlverhalten. Medienkritik, die hier am Ball bleiben will, hat es schwer. De facto verfällt sie dem gleichen Herdentrieb wie die lauthals Kritisierten. Denn nichts ist so alt wie die Medienkritik von gestern."
Den Beitrag hat Michel bereits Anfang März auf seinem privaten Blog veröffentlicht. Titel: "Die Hofnarren des Medienbetriebs."
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