Die Ängste der ostdeutschen Kulturszene scheinen sich zu bewahrheiten. Denn die AfD nimmt offenbar den Kampf gegen Kultureinrichtungen auf, die sich offen gegen Rechtsextremismus positionieren. Um kritische Stimmen zu unterdrücken, drohen sie den Kulturschaffenden nun durch Kürzung der Fördermittel.
"Politikpropaganda" in Erfurt
Nachdem der Erfurter AfD-Stadtrat Marek Erfurth vorletzte Woche eine Aufführung der Wagner-Oper „Lohengrin“ am Theater der Landeshauptstadt besuchte, zeigte er sich via Facebook entsetzt von der dort vermeintlich gezeigten „Politikpropaganda“.
In der Pause wurde ein Zitat von Björn Höcke neben ein Zitat von Adolf Hitler auf den Bühnenvorhang projiziert. Erfurth wolle nun weitere Schritte einleiten und die Theaterleitung durch Kürzungen des Haushaltspostens bestrafen.
Die AfD-Stadtratsfraktion schloss sich der Drohung an und verkündete sarkastisch, man solle doch Erfurths Aussage als „Poetry-Slam“ ansehen. Schließlich sei unter dem Label der Kunstfreiheit ja alles erlaubt.
Drohungen als Mittel der Zensur
Das entrüstet hoffentlich nicht nur SPD-Stadtrat Wolfgang Beese. Denn die AfD benutzt hier die Kürzung von Fördermittelzuwendungen als politisches Druckmittel. Das ist eine Form von staatlicher Zensur, da die Partei ganz offensichtlich die Inhalte künstlerischer Werke kontrollieren will.
Streng genommen ist das ein Verstoß gegen das Grundgesetz. Dabei zeigte die Reaktion der AfD-Stadtratsfraktion auch, dass ihr Verständnis davon, was Kunst ist und was Kunst darf, ausgesprochen eingeschränkt ist.
Beeindruckende Inkonsequenz
Beeindruckend dabei ist auch, wie konsequent widersprüchlich sich die AfD Thüringen dabei verhält.
Während sie auf ihrer Website und in den Sozialen Netzwerken die derzeitige Politik immer wieder mit dem Realsozialismus der DDR vergleicht, kritisiert sie in ihrem Wahlprogramm aber beispielsweise den „Formalismus inhaltsleerer, nichtssagender Bilder“, was an den DDR-Sprech seit den 50er Jahren erinnert.
Im sogenannten Formalismusstreit sahen sich allerdings damals schon viele Künstler an den Begriff der „entarteten Kunst“ zurückerinnert.
Andererseits schießt aber die AfD Thüringen jetzt gegen jene, die konkret werden und die Ideologie der Partei infrage stellen.
Gleichzeitig wehrt sie sich aber schon auf den ersten Seiten ihres Wahlprogramms gegen „Tendenzen, Andersdenkende einzuschüchtern oder auszugrenzen“, pocht dabei auf die Meinungsfreiheit und schreibt an späterer Stelle: „Kunst darf nicht vom ideologischen Wohlwollen staatlicher Institutionen abhängen.“
Wie weit darf ein Wahlprogramm eigentlich von der politischen Praxis abweichen?
Auch an dieser Stelle imitiert die AfD übrigens – sei es bewusst oder unbewusst – die sprachliche und logische Struktur des SED-Regimes. Denn auch dieses stellte sich als frei von Ideologie dar, wohingegen es seinem politischen Gegner unentwegt ideologische Indoktrination vorwarf.
Zensur fand natürlich auch nicht statt.
Unpolitische Kunst gibt es nicht
Man muss es sich eingestehen: Kunst war und ist niemals unpolitisch. Weder in der Gegenwart, noch in der DDR, im Dritten Reich oder auch davor.
Das Argument der AfD, hier werde Propaganda betrieben, nur weil mit Mitteln der Kunst die Partei kritisiert wird, macht einfach keinen Sinn.
Denn nur weil jemand gegen die Partei ist, heißt das nicht automatisch, dass die Kritiker auf der linken Gegenseite stehen. Das ist die Logik des Totalitarismus. Politische Kritik muss unter allen Umständen in der Kunst verhandelbar bleiben. Auch eine AfD kann Kritiker nicht einfach mundtot machen.
Oder glaubt die AfD tatsächlich die Urfassung von Wagners „Lohengrin“ sei politisch neutral gewesen? Ach bitte! Gerade Marek Erfurth, der sich als „großer Freund des Schaffens des Komponisten“ bezeichnet, wird nicht verleugnen können, dass ausgerechnet Richard Wagner ein hochgradig politischer Künstler war.
„Entsiffung des Kulturbetriebs“
Dass die AfD kritischen Stimmen mit Kürzungen von Fördermitteln droht, ist allerdings kein Einzelfall.
Die Angriffe und Drohgebärden zeugen von einer gewissen Systematik, die darauf abzuzielen scheint, AfD-kritische Stimmen nach und nach einzuschüchtern und Institutionen zu brandmarken. Dabei wird auch keine Rücksicht auf die Kunstfreiheit genommen.
Eine Recherche des ARD und der Süddeutschen Zeitung hat bereits zahlreiche Fälle chronologisch dokumentiert. Im Januar 2018 hatte AfD-Chefideologe Marc Jongen bereits verlauten lassen, dass es Ziel seiner Partei sei, die „Entsiffung des Kulturbetriebs in Angriff zu nehmen.“
Bisher aber hat sich die AfD Sachsen eher zurückhaltend gegeben. Doch seit Mitte vergangenen Jahres sieht es anders aus. Der politische Druck auf Kultureinrichtungen nimmt stetig zu, wobei die Begründung der Partei meist identisch aussieht: „eindeutige politische Ausrichtung des Kulturbetriebes insgesamt.“ Das heißt grob zusammengefasst, dass es die AfD nicht zulässt, kritisiert zu werden. Wer gegen die Partei ist, wird automatisch als „linksextrem“ bezeichnet.
Sächsische Kultureinrichtungen im Visier
Im letzten Jahr mussten solche Erfahrungen verschiedene sächsische Kultureinrichtungen machen: etwa das Staatsschauspiel Dresden, an dem das AfD-kritische Theaterstück „Das Blaue Wunder“ inszenierte wurde, oder das Mittelsächsische Theater Freiberg. Diesem wirft die AfD wieder genau das vor, was ihr selbst abgeht: nämlich ein Mangel an Meinungspluralismus und ein Verstoß gegen das Neutralitätsgebot.
Und auch auf das Festspielhaus Hellerau in Dresden wird nach wie vor enormer Druck ausgeübt. Die AfD will dem weltberühmten Tanztheater sogar sämtliche Mittel streichen und in eine Vermietungsimmobilie umwandeln. Das Schlimmste daran ist, dass die Partei mit ihrer Hetze streckenweise sogar durchkommt, indem sie andere Politiker mit auf ihre Seite zieht. Dabei sollte es doch eigentlich jedem ersichtlich sein, wohin dieser Weg führt.
Ein Opfer einer weiteren Strategien ist nun auch der Dresdner Kunstverein „Geh8“ geworden. Den Vereinsmitgliedern wurden beantragte Gelder nicht nur nicht bewilligt, sondern der AfD-Stadtrat hielt es offensichtlich auch für notwendig, die Künstler öffentlich zu denunzieren. Das Vereinsgebäude und das umliegende Gelände (beides befindet sich in der Renovierung) seien nicht aufgeräumt gewesen und glichen einer „Müllhalde“. Auf Facebook beleidigte die AfD Dresden den Kulturverein, machte sich über deren Kunst lustig und schrieb: „Kein Cent für unkreative Projekte, die eine Müllhalde zur ‚Kunst‘ erheben wollen.“
Hetzkampagne gegen Treibhaus e.V.
Auch der Döbelner Verein „Treibhaus“ sieht sich Angriffen der AfD ausgesetzt. Seit Monaten findet eine regelrechte Hetzkampagne des AfD-Stadtrats Rolf Weigand gegen das soziokulturelle Zentrum statt.
Weigand ist seit 2017 Vorstandsmitglied der AfD Mittelsachsen und der „Jungen Alternative“, die als besonders rechtsradikal gilt und die dafür bekannt ist, dass sie ihre Mitglieder gezielt aus dem Umfeld von Burschenschaften und der NPD anwirbt, von der „Identitären Bewegung“ durchsetzt ist und auch vom Verfassungsschutz beobachtet wird.
Immer wieder seien bei Treffen rechte Verschwörungstheorien geäußert worden, die Weigand auch in seiner skandalösen wie lächerlichen Umfrage nach „gebärfähigen Frauen“ im Freistaat bestätigte. Weigand bediente damit ganz offensichtlich die Verschwörungstheorie vom „Großen Austausch“ und suchte nach vermeintlichen Beweisen der hanebüchenen Theorie.
Weigand inszeniert sich ebenfalls über die Website der AfD Mittelsachsen und über Facebook als eine Art Enthüllungsjournalist. Unter dem Titel „Weigand deckt auf“ macht er vor allem Stimmung gegen Asylsuchende. Er nutzt die Seiten aber auch, um besagten „Treibhaus e.V.“ als ein Zentrum des Linksextremismus darzustellen und zieht dabei Parallelen zu den Krawallen in dem Leipziger Stadtteil Connewitz. Als vermeintliche Beweise seiner Theorie wurden in guter Stasi-Manier Parteikollegen in das Kulturzentrum geschickt, die Fotos von Aufklebern machten, die im hauseigenen „Café Courage“ an den Wänden hingen, so Jörg Bretschneider von der AfD.
Der Kulturverein entfernte daraufhin die Sticker und ließ sie sogar vom Verfassungsschutz prüfen. Doch die AfD hielt stur an ihrer Behauptung fest und forderte, dass dem „Treibhaus“ sämtliche Mittel gestrichen werden sollten. Womit sie aber vor dem Stadtrat nicht durchkamen.
Anschließend diffamierten sie die CDU-Kollegen, die bei der Abstimmung „eingeknickt“ seien und sich nun„mutlos“ zeigten, da sie sich damit wohl von den Linken vorführen lassen würden.
Unverzichtbare Kulturarbeit im ländlichen Raum
Dass der „Treibhaus e.V.“ unverzichtbar wichtige Kulturarbeit in Döbeln leistet, verschweigt die AfD allerdings. Das soziokulturelle Zentrum bietet etwa Seniorentanzabende an, Bastelkurse für Kinder und Jugendliche, Skate-, Tanz-, Siebdruck- und Fotografieworkshops, veranstaltet regelmäßig Konzerte und vieles mehr. Generationen- und spartenübergreifend.
Was der AfD aber vielmehr ein Dorn im Auge sein könnte, ist sicherlich, dass sich der Verein auch klar gegen Rassismus, Antisemitismus und Intoleranz positioniert. Zu diesen Themen werden auch regelmäßig Infoveranstaltungen angeboten. Außerdem bringt das „Treibhaus“ unter dem Projektnamen „FAIR“ seit 2015 die Broschüre „Blickpunkt.Rechts“ heraus, in dem rechte und rechtsradikale Aktivitäten in der Umgebung dokumentiert und kommentiert werden.
Man braucht kein besonders helles Köpfchen zu sein, um seine Schlüsse daraus zu ziehen. Die AfD hat ganz offensichtlich Angst davor, bloßgestellt zu werden. Es bleibt also nicht viel vom Partei-Slogan „Mut zur Wahrheit“ übrig.
Angriffe auf vermeintlich linke Kulturzentren hat System
Der Kampf von Rechtsradikalen gegen vermeintlich linke Kulturinstitutionen hat in Sachsen eine langjährige Tradition. Wahrscheinlich jeder, der zwischen den 90er und den 2010er Jahren in Sachsen (vor allem im ländlichen Raum) aufgewachsen ist, kann Geschichten von Rechtsradikalen erzählen, die linke oder vermeintlich linke Kulturinstitutionen, Wohnprojekte oder Jugendclubs attackierten oder Jagd auf deren Besucher*innen machten.
Angriffe auf das Café Taktlos in Glauchau, den Jugendclub „Schwarzer Peter“ in Limbach-Oberfrohna, das „Off is“ in Hohenstein-Ernsttal, das „AJZ Talschock“ in Chemnitz, das Wohnprojekt „Praxis“ in Dresden oder das „Treibhaus“ selbst sollen hier nur als wenige Beispiele genannt werden. RAA-Sachsen hat viele von ihnen sehr gut dokumentiert.
Seit dem Einzug der AfD in die Stadt- und Landesparlamente wird dieser Kampf gegen Kulturarbeit nun mit politischen Mitteln weitergeführt. Alternativen bietet die AfD natürlich keine an. Was die Kulturvereine dort in den letzten Jahrzehnten quasi aus dem Nichts aufgebaut haben, soll nun politisch zersetzt werden. Die AfD beschönigt dies mit dem Begriff der „grundhaften Sanierung“.
Jetzt fürchten viele, dass ihre mühsam erkämpften Freiräume durch die Partei eingeschränkt werden. Sie erkennen in den Parteimitgliedern zum Teil auch jene Rechten wieder, die ihre Clubs und Veranstaltungsräume zwischen den 90er und 2010er Jahren angegriffen haben und jetzt im Nadelstreifenanzug zurückkehrt sind. Zudem sind auch viele Rechtsradikale selbstsicherer geworden, was sich etwa auch in der Bildung einer rechtsextremen Döbelner Bürgerwehr zeigt.
Dementsprechend kommt es seit dem Einzug der AfD in den Landtag auch zu immer mehr Verzweiflungstaten von Einzelpersonen, zu Angriffen auf AfD-Büros und Privathäuser von AfD-Mitgliedern. Darunter ist auch ein Anschlag mit einer 1,1 kg schweren Kugelbombe aus Tschechien auf das Büro von Rolf Weigand im vergangenen Jahr.
Die Beschuldigten, die die Tat nach eigener Aussage spontan durchführten, stehen Ende Februar vor Gericht.
Gewaltfreies Miteinander
Judith Sophie Schilling, die Geschäftsführerin des Treibhausvereins, erklärte der LVZ in Bezug auf die Vorwürfe der AfD: „Unser Selbstverständnis umfasst eine antifaschistische Haltung. Diese orientiert sich an universellen Werten wie Freiheit, Gleichheit und Solidarität im Sinne eines aufklärerischen Ideals. In unserer Satzung wird zudem ein gewaltfreies Miteinander konstatiert.“
Vor allem aber seien die Anschuldigungen „insofern absurd, als unser Verein wohl weitaus weniger Probleme mit dem Grundgesetz hat, als die AfD selbst.“
Natürlich ist Gewalt in jeglicher Form und aus jeder Richtung in keinem Falle zu rechtfertigen. Sie schadet stets unserer demokratischen Grundordnung; ebenso wie radikale Meinungen und Gruppierungen, ganz gleich, ob diese nun aus dem linken, rechten oder religiösen Lager kommen.
Die Kulturinstitutionen, die kulturelle und politische Bildungsarbeit leisten, Orte des Miteinanders schaffen und Menschen helfen, sich künstlerisch selbst zu verwirklichen, arbeiten extremistischen Ansichten erfahrungsgemäß eher entgegen. Extreme Meinungen werden in einem solchen Umfeld meist ausdiskutiert und mögliche Folgen konsequent zu Ende gedacht, vor allem in generationenübergreifenden Kulturprojekten.
Deshalb dürfen Aufklärungsarbeit und Kritik auf künstlerischem Wege oder in Form von Veranstaltungen, Infobroschüren oder in journalistischen Beiträgen auf keinen Fall von der Politik in irgendeiner Weise behindert werden. Dafür gibt es keine Legitimation. Zensur stellt ebenso einen Angriff auf die Demokratie dar wie Gewalttaten.
Kulturelle und politische Bildungsarbeit zielt darauf ab, dass sich die Rezipient*innen selbst eine Meinung über ein Thema bilden können. Dass es zur Medienstrategie der AfD gehört, sich in die Opferrolle zu begeben, um sein Gegenüber zu diskreditieren und dessen Meinung abzusprechen, sollte mittlerweile jedem klar sein (es sei denn, die Partei besteht tatsächlich überwiegend aus Narzissten).
Ebenso klar sollte sein, dass die Strategie der AfD nicht darauf abzielt, gesellschaftliche Probleme zum Wohle der Allgemeinheit zu lösen, sondern dass es ihr in erster Linie darum geht, an die Macht zu kommen. Andernfalls würden sie auf angebrachte Kritik nicht mit Drohgebärden reagieren und beleidigt um sich treten.
Sie würden Kritik gelten lassen und darüber reflektieren. Sie würden versuchen, Fehler wieder gutzumachen. Fehler muss man aber zunächst einmal ansprechen dürfen, um sie lösen zu können.
Bei Zensur geht es darum, von offensichtlichen Tatsachen abzulenken, um die eigene Macht zu sichern. Wer anderen droht, zeigt nur, dass er Angst hat, die anderen könnten die Wahrheit aussprechen und ihm somit Autorität entziehen.
Februar 25, 2020
"Dementsprechend kommt es seit dem Einzug der AfD in den Landtag auch zu immer mehr Verzweiflungstaten von Einzelpersonen, zu Angriffen auf AfD-Büros und Privathäuser von AfD-Mitgliedern. "
Es ist zwar nur ein Satz bzw. eine Wortkombination ("Dementsprechend" & "Verzweiflungstaten"). Aber gefährliche, physische Gewalt (1,1 kg schwere Kugelbombe) als Reaktion auf die befürchtete Einschränkung von kulturellen Freiräumen als "Verzweiflungstat" in ein positives Licht zu rücken bzw. das quasi verständnisvoll als berechtigtes Echo darzustellen - das ist schon ziemlich drüber.
Vermutlich ist es nicht beabsichtigt. (Zumindest hoffe ich das)
Aber da wirkt der nächste Absatz unter der Zwischenüberschrift "Gewaltfreies Miteinander" leider nur wie blanker Hohn.
Februar 26, 2020
Ein großes DANKE an Stephan Zwerenz für den Mut, in diesen Tagen solch einen Artikel zu schreiben.
Februar 28, 2020
Liebe/r avb,
dass ich Gewalttaten in jeglicher Form ablehne und verurteile, kommt hoffentlich in dem Artikel ausreichend zur Geltung. Ich will den Sprengstoffanschlag oder andere Anschläge auf AfD-Büros oder Privathäuser natürlich keinesfalls in ein positives Licht rücken. Ich habe mich ja schließlich auch dazu entschieden, nicht nur die Gewalt von rechts zu erwähnen, sondern ich habe mich ganz bewusst dazu entschieden, auch die Gegenseite zu beleuchten. Es tut mir leid, wenn meine Wortwahl womöglich unbeabsichtigte Konnotationen hervorruft.
Daher zur Erklärung: ich halte Gewalttaten immer für Akte der Verzweiflung. Gewalt findet immer dann statt, wenn die Kommunikation versagt oder versagt wird. Dass die Täter aus Verzweiflung gehandelt haben, ist natürlich gewissermaßen nur Spekulation. Letztlich muss man sich aber nur einmal umhören, wie die Stimmung bei AfD-kritischen, auch linksextremen Menschen ist, vor allem bei solchen, die in der Vergangenheit Opfer rechter Gewalt wurden. Natürlich spielt da das Prinzip der Verzweiflung mit hinein. Die Menschen fühlen sich ohnmächtig gegenüber der oben geschilderten Situation und sehen mitunter keinen Ausweg, als sich durch physische Gewalt zu wehren. Ähnlich sieht oder sah es übrigens mit rechten Gewalttätern aus, die Flüchtlingsheime anzündeten (wohingegen hier natürlich noch andere Ängste und Ressentiments mitspielen). Auch diese Taten halfen den Tätern natürlich nicht im Geringsten, sich gegen politische Entscheidungen zur Wehr zu setzen. Ich gehe auch nicht davon aus, dass die Täter selbst daran glauben, mit ihrer Tat etwas verändern zu können. Stattdessen glaube ich, dass sie eine Art Hoffnung in ihre Ausbrüche legen oder gar Befriedigung spüren, ihrem Ärger Luft gemacht zu haben. Vermutlich glauben sie sogar, etwas zu verändern. In Wirklichkeit gehen sie aber der eigentlichen Auseinandersetzung aus dem Weg, nämlich der auf der politischen Ebene.
Zusammengefasst deute ich diese Gewaltakte als Verzweiflungstaten, die ihre Ursachen in politischen Umständen haben. Aber deshalb halte ich weder brennende Flüchtlingsheime noch explodierende AfD-Büros für ein "berechtigtes Echo" auf diese Umstände.
Liebe Grüße
Stephan Zwerenz