Das sieht man nicht oft: In einer Diskussion bei Facebook hat das Sächsische Staatsministerium für Kultus die AfD-Fraktion des Sächsischen Landtags korrigiert und ihr die Verbreitung von Falschnachrichten vorgeworfen.
Hintergrund war eine Mitteilung der AfD-Fraktion über das Projekt Jeki (steht für Jedem Kind ein Instrument) vom 14.11.2019 (s. Screenshot rechts).
Musikschule ist nicht gleich Schule
Die Tatsache, dass sich die Gemeinde Käbschütztal im Landkreis Meißen die Teilnahme an Jeki nicht mehr leisten kann, brachte die AfD-Fraktion dazu, ein Sharepic bei Facebook zu veröffentlichen mit den Worten:
"Debakel für CDU-Minister Piwarz: Musikunterricht nicht mehr finanzierbar!"
Nur, die Aussage ist schlicht falsch – der Musikunterricht an Grundschulen ist keineswegs gefährdet oder unfinanzierbar.
Um das zu erkennen, müsste man sich aber wenigstens rudimentär mit der Materie (Bildungspolitik zum Beispiel) auskennen, zu der man da Pressemitteilungen verschickt...
Aber mei, es geht der AfD Sachsen ja bekanntlich nur sehr selten um korrekte Fakten, sondern vor allem um die permanente Aufregung des eigenen Klientels (vgl. FLURFUNK vom 14.1.2019: "Nach AfD-Fake-News-Vorwurf: MDR Sachsen bleibt bei Darstellung").
Sharepic mit gleich zwei Fehlern
Also, zur Auflösung, der sehr kurze AfD-Sharepic-Text enthält gleich zwei kapitale Falschaussagen oder auch: Desinformationen.
Zur Auflösung:
- Jeki ist kein schulischer Musikunterricht, also kein Unterrichtsfach. Es handelt sich um "fakultativen Unterricht", wie man leicht auf sachsen.de nachlesen nachlesen kann – die Teilnahme ist als freiwillig.
- Christian Piwarz ist Sächsischer Staatsminister für Kultus (SMK) – in seinen Zuständigkeitsbereich fallen auch die Belange von Grundschulen, richtig. Jeki aber (s.o.: kein Unterrichtsfach!) ist ein Projekt des Sächsischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst (SMWK) (s. Meldung von 2015 auf sachsen.de), bei dem das SMK unterstützt. Zentraler Ansprechpartner ist der Musikschulverband (VdM). Das SMWK wird bekanntlich aktuell noch von Eva-Maria Stange geführt. Sofern es sich also um ein "Debakel" auf Ministeriumsebene handelt, dass der Gemeinde die finanziellen Mittel fehlen, wäre hier schlicht eine andere Ministerin verantwortlich.
Man könnte das jetzt als kleinliche Haarspalterei abtun, weil: Am Ende ist es ja sehr bitter, wenn Jeki in Käbschütztal nicht mehr stattfinden kann. Und irgendwie ist man es ja von der AfD auch schon gewohnt, dass sie es mit der Verantwortlichkeit nicht so ernst nimmt.
Nur: Die harte Realität ist eine andere. Und im politischen Alltagsgeschäft ist es durchaus von Bedeutung, wer jetzt zuständig ist und wer nicht.
Es folgt: Der Ein-Quellen-Bericht der Lokalzeitung
Die Geschichte hier bekommt noch eine weitere Dimension durch die Berichterstattung im Lokalteil von Sächsische.de/Sächsischer Zeitung.
Dort war am 19.11.2019 unter der Überschrift: "AfD kritisiert Musikschul-Beschluss" zu lesen:
"Das Debakel im Käbschütztal sollte Weigands Ansicht nach als mahnendes Beispiel dienen. Ländliche Räume würden sowieso benachteiligt und jetzt solle noch der Musikunterricht ausfallen, weil Sachsen seine Hausaufgaben verschlafen habe."
Sollte Jeki doch reguläres Unterrichtsfach sein? Steht doch in der Zeitung!
Die Berichterstattung erfolgte, wie immer noch viel zu oft heutzutage, auf Basis von nur einer Quelle: der AfD-Pressemitteilung.
Korrektur mit Konjunktiv
Sächsische.de griff einen Korrekturhinweis des Kultusministeriums am 19.11.2019 auf. Titel: "Kultusministerium widerspricht AfD". Dazu die bemerkenswerte Unterzeile: "Die Aussagen von Rolf Weigand seien falsch, teilt jetzt die Pressestelle mit" (im Konjunktiv!).
Im Artikel ist dann wörtlich zu lesen:
"Das Unterrichtsfach 'Jeki' gebe es nicht, teilte die Pressestelle des Kultusministeriums mit. Vielmehr handele es sich dabei um ein Projekt der kommunalen Musikschulen. Schlimmer noch: Das Projekt liege nicht in Verantwortung des Kultusministeriums, sondern des Wissenschaftsministeriums. Die Aussagen des AfD-Landtagsabgeordneten seien somit falsch."
Jetzt mal, werte Kollegen von sächsische.de - wollen wir mal über den Konjunktiv reden? "Seien falsch" und "gebe es nicht"?
Ach so, man kann sich die Tatsachen natürlich auch zurecht biegen und das "fakultativ" einfach mal in Anführungszeichen setzen:
Uff.
Eines der Wesenselemente des Populismus ist es ja, vermeintlich einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten (also Lösungen, die es nicht gibt). Eine anderes ist es, "die da oben" anzuschwärzen. Das Problem dabei aber bleibt: Der politische Betrieb ist komplex, das würde sich auch nicht ändern, wenn die Damen und Herren von der AfD tatsächlich mal die Macht übernehmen sollten.
Also: Wenn man Kritik übt, dann bitte bei den Tatsachen bleiben und nicht einfach Unterrichtsfächer erfinden. Und wenn man dann (sicherlich berechtigte) Vorwürfe adressiert, dann an die richtige Adresse (gilt auch für die Medienvertreter*innen).
Disclaimer: Das SMK gehört zu den Kunden von STAWOWY Agentur und Verlag. Für die AfD Sachsen ist der FLURFUNK also ein PR-Instrument der Sächsischen Staatsregierung (was natürlich Unfug ist).
Hier ein Auszug aus dem Schlagabtausch bei Facebook:
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