Der Osten hat in den letzten Wochen eine schier magische Anziehung auf die bundesdeutsche Medienlandschaft.
Schließlich wurde und wird gleich drei Mal gewählt – in Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Ständig sind Signalworte wie "Schicksalswahl" oder "Ende der Volksparteien" zu hören.
Für diese historischen Zeiten haben viele Medien im Osten aufgestockt. Der Spiegel hält einen zusätzlichen Korrespondenten in Dresden (vgl. FLURFUNK vom 16.8.19). Die Welt hatte angekündigt, Deniz Yücel zur Wahlberichterstattung zu schicken. Die taz hatte sogar eine eigene WG von Journalisten in Dresden eingerichtet, um unter dem Label "taz ost" über alles zu berichten, "was den Osten beschäftigt" (vgl. FLURFUNK vom 18.7.19).
Was ist nun von den personellen Aufstockungen zu halten?
Journalismus-Feuerwerk bei der taz
Bei der taz jedenfalls wird in der Folge ein wahres Journalismus-Feuerwerk gezündet. Jeden Tag gibt es mindestens ein Artikel zum Schwerpunkt Ostdeutschland wählt. Dazu kommt der "Ostblog" mit persönlicheren Einblicken der Korrespondent*innen und natürlich der mittlerweile obligatorische "Ostcast", der in Kooperation mit dem freien Radio Coloradio produziert wurde.
Zugegeben: In der FLURFUNK-Redaktion waren wir am Anfang recht skeptisch, als sich die Redaktion durch die sächsische Hauptstadt futterte (vgl. taz.de vom 27.7.19) und typischen Dresdner Spezialitäten wie Eierschecke und Texas Döner ("Es ist das beste Urdresdner Essen, was ich je gegessen habe") Bestnoten gab.
Aber abgesehen davon: Die taz macht(e) im Osten einen sehr soliden Job. Sie lieferte regelmäßig gute Reportagen und schnelle Infos direkt aus Sachsen, Brandenburg und Thüringen. Ob Porträts der Kandidat*innen (vgl. jeweils taz.de vom 1.9.19) oder eingefangene Stimmungen in Stadt und Land (vgl. taz.de vom 3.9.19 und 2.9.19) – so nah war sonst nur der Lokaljournalismus dran.
Dennoch birgt das eine Gefahr: Jetzt, zu den drei großen Wahlen, ist der Medienrummel über Ostdeutschland riesig, und spätestens im Dezember fragt sich ganz Restdeutschland wieder, was da drüben im Osten eigentlich läuft.
Dieses Risiko sieht die taz selber – und thematisiert es im Blog-Beitrag "Kann die taz den richtigen Ton treffen?" (vgl. blogs.taz.de vom 19.8.19).
Dort heißt es:
Auch andere Medien haben KollegInnen ausgesandt und viele hier vor Ort, in Sachsen, freut das. Es wurde Zeit – das ist der Tenor. Andere sehen darin nur ein Strohfeuer: Nach den Wahlen werde es wieder sein wie vorher – außer wenn es um Nazis geht interessiert sich keiner für das, was hier passiert. Das ist ihr Vorwurf. Wir hoffen, dass das nicht geschieht – und dass unsere sieben Wochen in Dresden dazu etwas beitragen.
Wie die taz das anstellen will, schreibt sie in dem Beitrag nicht. Wir sind sehr gespannt!
Funkstille bei der Welt
Eines jedenfalls kann man den Kolleg*innen der taz sicher nicht vorwerfen: Dass sie weniger fleißig wären als die Welt mit ihrer angekündigten "Ost-Offensive".
Ende Juni hatte der Springer-Konzern verkündet, Star-Journalist Deniz Yücel würde aus Dresden die Ost-Wahlen begleiten (vgl. FLURFUNK vom 27.6.19).
Außer FLURFUNK hatten zahlreiche regionale und überregionale Medien (vgl. sächsische.de, tag24.de, kress.de und sueddeutsche.de vom 27.6.19) über den Coup berichtet.
Bisher von uns in der Welt gefundene Ost-Artikel von Yücel: null.
Vielleicht klappt es ja in fünf Jahren, dafür dann ohne große Ankündigung…
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