Von Stephan Zwerenz
Wie vorurteilsbehaftet ist die Berichterstattung über die neuen Bundesländer? Das stand vergangenen Montag (9.9.2019) in Dresden zur Debatte.
Cornelius Pollmer, der regelmäßig für die Süddeutsche Zeitung aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen berichtet, hat dafür zusammen mit dem Kommunikationswissenschaftler Dr. Lutz Hagen und dem IFK-Förderverein eine Podiumsdiskussion im Forum am Altmarkt organisiert (vgl.: "FLURFUNK vom 3.9.2019").
Unter dem Titel "'Auf Safari in Sachsen' – wie fair berichten Journalisten über Ostdeutschland?" diskutierten Doreen Reinhard (freie Journalistin u.a. für die Zeit), Christina Schmidt (Reporterin für die taz), Katja Reim (stellvertretende Chefredakteurin der SuperIllu), Anja Bohländer (Moderatorin und Politologin), Alexander Ahrens (Oberbürgermeister von Bautzen), Janko Tietz (Chef vom Dienst bei Spiegel Online) und Torsten Kleditzsch (Chefredakteur der Freien Presse).
Negatives Framing über Sachsen
Bereits zu Beginn der Veranstaltung nannte Lutz Hagen die wichtigsten Kritikpunkte und Ursachen, die zu einer tendenziösen Berichterstattung führten. Einer der Hauptgründe für das negative Framing sei vor allem, dass so gut wie alle überregionalen Medien in den alten Bundesländern angesiedelt sind. Das führe oftmals zu einer Verallgemeinerung in der Darstellung "des Ostens".
Zudem seien viel zu wenige Journalist*innen, die über die neuen Bundesländer berichten, tatsächlich vor Ort, was in zahlreichen Fällen schon zu einer fehlerhaften oder verzerrten Darstellung geführt hätte. Erschwerend käme hinzu, dass der Großteil der Medienvertreter*innen eher linkspolitische Meinungen vertrete und damit nicht die reale Bevölkerung repräsentieren würde. Viele ließen sich in Anbetracht aktueller politischer Entwicklungen in zunehmendem Maße zu einer emotionalen und meinungsbetonten Berichterstattung hinreißen.
Genau das führe aber immer öfters in der Gesellschaft zu Ressentiments, die zur Folge hätten, dass sich Klischees wiederum erfüllten.
Kein Tag ohne Rassismus
Christina Schmidt, die während des Wahlkampfs auch in der "Sachsen-WG" der taz mitarbeitete, räumte ein, dass die Kolleg*innen gerne auch über Positiveres aus Sachsen geschrieben hätten. Allerdings sei kein Tag vergangen, an dem sie nicht auf erschreckende, rassistische Ereignisse aufmerksam gemacht worden sind.
Auch Torsten Kleditzsch von der Freien Presse stimmte ihr unter Vorbehalt zu. Schließlich gäben die Menschen im Osten immer wieder selbst Anlass zu negativen Schilderungen. Er räumte aber ein, dass es entscheidend sei, dass vor allem Journalist*innen über den Osten berichten sollten, die auch hier wohnten. Erst sie könnten die Lage richtig einschätzen und die Akteure entsprechend einordnen.
Doreen Reinhard räumte ein, dass das Problem vor allem auch eine Frage der Gleichbehandlung sei. Sie wünschte sich, dass weniger "spezifische" Darstellungen vom Osten entstehen. Es erzeuge zwangsläufig ein falsches Bild, wenn die Medienanstalten nur auf Brennpunktberichterstattung bauten.
Mehr Austausch zwischen Ost und West
Der in West-Berlin geborene Oberbürgermeister von Bautzen Alexander Ahrens forderte zudem, dass es grundsätzlich einen größeren Austausch zwischen Ost und West geben müsse. Diese Meinung teilte auch Katja Reim von der SuperIllu. Zu diesem Austausch gehörte auch das Erzählen von Alltagsgeschichten.
Janko Tietz von Spiegel Online beschrieb das Problem als die "fehlende Ansprache der Seele". Vor allem für die Probleme der neuen Bundesländer werde viel zu selten Verständnis aufgebracht. Wenn der Versuch dann doch angestellt wird, nutze dies in den meisten Fällen wiederum nur, um letztlich doch negativ über den Osten herzuziehen.
Doreen Reinhard kritisierte zudem, dass man sich in vielen Redaktionen durchaus darüber bewusst sei. Schließlich generieren gerade Negativschlagzeilen über Sachsen in der ganzen Bundesrepublik ganz besonders hohe Klickzahlen. Letztlich gebe es aber in ganz Deutschland ein Erstarken der rechtsextremen Szene und von rassistischen Ansichten.
Ausgewogeneres Bild über die Lage im Osten
Von Anja Bohländer wurde daher die Frage aufgeworfen, weshalb das dann nicht auch so in der Presse dargestellt wird, sondern immer eine gewisse Pointierung in den Beiträgen über den Osten stattfindet.
Fazit: Auch wenn es "den" Osten so nicht gibt, wie er dargestellt wird, so sind die Ursachen für einen großen Teil der tendenziöse Berichterstattung immer noch auf wirtschaftliche Defizite zurückzuführen. Der Osten braucht stärkere eigene Medienhäuser und mehr Korrespondenten von überregionalen Medien vor Ort.
Es bedarf zudem eines stärkeren Austauschs zwischen Ost und West, nicht nur was den Journalismus betrifft. Auch mehr Geschichten über positive Entwicklungen und über ostdeutsche Minderheiten (wie zum Beispiel die vietnamesischen Einwohner) wäre wünschenswert und führe letztlich zu einem ausgewogenerem Bild über die Lage im Osten.
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