Seit Juni 2017 gibt es das Debattenportal The Buzzard aus Leipzig. Das Medien-StartUp wurde von Felix Friedrich und Dario Nassal ins Leben gerufen. Zum Startpunkt hatten die beiden schon zwei Jahre an der Idee, ein Debattenportal ins Leben zu rufen, gearbeitet.
Wir haben die beiden Gründer eines der ganz wenigen Medien-StartUps aus Mitteldeutschland zu ihrer Geschäftsidee, ihrer Motivation und ihrem bisherigen Erfolg befragt.
"Wir machen The Buzzard, weil wir eine gesellschaftliche Veränderung anstreben"
FLURFUNK: Ihr seid als Medien-StartUp seit Juni 2017 am Start. Was genau ist The Buzzard?
Dario Nassal: Seit 2017 haben wir mit The Buzzard den Prototypen unserer Debattenplattform online: Einmal pro Woche zeigen wir auf TheBuzzard.org zu einer wochenaktuellen Debatte verschiedene Positionen aus dem Netz. Nachrichtenleserinnen kommen so aus ihrer Filterblase, entdecken öfter intelligente Positionen, die abseits ihrer eigenen Meinung liegen und bekommen schnell und einfach einen differenzierten Überblick zu den großen Fragen unserer Zeit.
The Buzzard ist also ein Service, um Meinungen vom ganzen Meinungsspektrum im Überblick zu sehen: Ob Pro oder Kontra, Inland- oder Ausland, Blogs, Wissenschaft oder Journalismus. Mit The Buzzard hat man jede Woche den differenzierten Überblick zum Weltgeschehen.
Wir sind im ständigen Beta, fahren Tests für neue Features und journalistische Formate und die User können uns auf dieser Reise begleiten, sind Teil des Prozesses und können auch einmal im Monat über unsere Themen mitbestimmen.
Wir sehen die aktuelle Plattform tatsächlich als Prototyp und arbeiten aktuell in einem Team aus zehn RedakteurInnen, einem Web-Entwickler und einem Designer an der Entwicklung von etwas ganz Neuem. Was genau kommt, kann ich an dieser Stelle leider noch nicht verraten. Tatsache ist: Im Herbst steht eine große Transformation bevor. Und wir sind schon voller Vorfreude.
FLURFUNK: Wie viele Produkte habt Ihr?
Felix Friedrich: Im Kern ist The Buzzard ein Produkt: Ein Debattenportal, das Usern zu wochenaktuellen Nachrichtenthemen den Überblick über Meinungen von ganz verschiedenen Medien liefert.
Dieses Produkt besteht aus verschiedenen Teilen: Wir haben Tagesempfehlungen, in denen wir täglich Perspektivwechsel und abseitige Meinungen aus Blogs und Online-Zeitungen empfehlen und Debatten, in denen wir uns etwas größeren wochenaktuellen Themen widmen und dazu verschiedenen Positionen aus dem Netz im Überblick zeigen.
Diese Wochen- und Tagesempfehlungen veröffentlichen wir auf unserer Website, aber auch als Newsletter und alle zwei Wochen als Podcast. Wie vorher bereits erwähnt. Wir arbeiten gerade allerdings an einer spannenden Neuentwicklung. Im Herbst verraten wir mehr.
FLURFUNK: Wie seid Ihr auf die Idee gekommen?
Dario Nassal: Die Idee für TheBuzzard.org kam uns während des Studiums. Felix studierte im Erasmus-Semester in Dublin und ich in Istanbul. Uns beiden fiel auf, wie sehr die Mediendebatten in Deutschland die Situation in den jeweiligen Ländern vereinfachten und dass das Bild, das wir selbst erfuhren, als wir mit unterschiedlichen Menschen vor Ort sprachen, anders war, als die deutsche Medienbrille oft vermuten ließ. In Gesprächen mit Kommilitonen, mit Bloggern, mit Aktivisten, die gegen Erdogan auf die Straße gingen, lernte ich beispielsweise: Die Gezi-Park-Proteste waren keineswegs einfach nur eine Bewegung für mehr Demokratie, sondern hier protestierten tausende Menschen in vielen Splittergruppen aus ganz unterschiedlichen Motiven – vereint nur durch ein gemeinsame Feindbild: Die rigide Politik des türkischen Präsidenten. Ähnlich ging es uns mit den Debatten um die Schuldenkrisen in Griechenland und Irland.
Das brachte uns auf eine Idee: Man könnte das Internet nutzen, um diese Erfahrung, die wir im echten Leben gemacht hatten, auch online zu machen. Das Internet ist schließlich voll von spannenden First-Hand-Berichten, von Originalbeiträgen von Bloggern, Aktivisten, von Wissenschaftlern und Zeitungen aus verschiedenen Ländern und mit unterschiedlichen politischen Einstellungen. Für interessierte NachrichtenleserInnen sind diese Berichte aber oft schwer zu finden, kaum jemand hat Lust, sich stundenlang durch die Medienlandschaft zu googeln, um ein vielstimmiges Bild auf aktuelle Politik zu bekommen.
Wir dachten uns: Lasst uns eine Plattform gründen, die das leichter macht. Ein Plattform, die möglich macht, die volle Bandbreite politischer Positionen schnell und einfach wahrzunehmen. The Buzzard war geboren.
FLURFUNK: Verdient Ihr schon Geld mit dem Angebot? Wie ist das Finanzierungmodell?
Felix Friedrich: Ja und nein. Wir verdienen bereits Geld mit dem Angebot. The Buzzard ist ein leserfinanziertes Projekt. Wir finanzieren uns bewusst ausschließlich über Abos unserer Mitglieder, weil wir nicht abhängig von großen kommerziellen Interessen sein wollen. Uns ist enorm wichtig, eine journalistische Dienstleistung zu erbringen, die in erster Linie LeserInnen gegenüber verpflichtet ist, nicht Finanzinvestoren oder großen Konzernen.
Die Einnahmen reichen allerdings noch nicht, um unsere Ausgaben zu decken. Wir leben deshalb derzeit an der Existenzgrenze und arbeiten teilweise noch nebenher.
FLURFUNK: Wie viele Leserinnen und Leser, Nutzerinnen und Nutzer habt ihr?
Dario Nassal: Wir haben rund 5.000 monatliche NutzerInnen und rund 1.000 angemeldete Leser. Mehr als 15 Prozent der registrierten Nutzer zahlen für die Premiumversion.
FLURFUNK: Was sind Eure langfristigen Ziele mit dem Medienunternehmen?
Felix Friedrich: Wir machen The Buzzard nicht, weil wir ein riesiges Business aufziehen möchten, sondern vielmehr, weil wir eine gesellschaftliche Veränderung anstreben. Wir wollen dazu beitragen, dass die großen Debatten unserer Zeit konstruktiver und sachlicher geführt werden. Dafür ist es notwendig, dass man sich offen und unvoreingenommen mit den Positionen auch von Andersdenkenden befasst und differenzierend abwägt, welche Argumente die besten sind.
The Buzzard ist ein Vehikel, um diese Veränderung möglich zu machen. Denn wir glauben, dass Menschen mehr Verständnis für andere gesellschaftliche Gruppen entwickeln, wenn sie öfter im Alltag mit Positionen aus anderen gesellschaftlichen Gruppen in Berührung kommen. The Buzzard macht das möglich, da wir zu aktuellen Themen die verschiedenen Argumente und Perspektiven vom ganzen Meinungsspektrum systematisch bündeln.
FLURFUNK: Habt Ihr bei der Gründung Unterstützung bekommen? Start-Up-Förderung?
Dario Nassal: Ja, gerade zu Beginn wurde unsere Gründungsidee mit einigen Preisen ausgezeichnet, was uns schnell Auftrieb gegeben hat. Direkt als wir uns entschieden hatten, nach unserem Master The Buzzard in Vollzeit umzusetzen, wurden wir vom Bundeswirtschaftsministerium als Kultur- und Kreativpiloten ausgezeichnet. Kurz danach haben uns im Januar 2017 das Media Lab Bayern und VOCER in einem Doppelstipendium mit 13.500 Euro, einem Mentoren-Programm und Büroräumen in München unterstützt. Im Sommer, kurz nach Launch der ersten Version unserer Online-Plattform, haben wir eine Förderung im Rahmen der Google Digital News Initiative gewonnen.
Gerade am Anfang hatten wir also sehr viel Unterstützung. Das war extrem wertvoll, um das Projekt starten zu können und die ersten Weichen zu stellen. Danach wurde es schwieriger, vor allem, weil es in Deutschland wenig Förderungen und Investment-Gelder für Projekte im digitalen Journalismus gibt. Jetzt sind wir aber an einem sehr guten Punkt, den nächsten großen Schritt zu machen.
FLURFUNK: Ist Sachsen, ist Mitteldeutschland ein gutes Pflaster für eine Medienneugründung?
Felix Friedrich: Man muss ehrlicherweise sagen, dass ein vergleichbares Förderzentrum wie das Media Lab Bayern, das Gelder und eigene Büros speziell für Medien-Startups zur Verfügung stellt, in Sachsen fehlt. Es gibt keine Fördersummen, die uns bekannt sind, die speziell für Journalismus- oder Medienprojekte angelegt sind. Das macht es schwieriger für Medienneugründungen. Wir würden uns sehr freuen, wenn in den nächsten Jahren in Mitteldeutschland mehr in diese Richtung angestoßen wird.
Was großartig ist: Wir werden vom Social Impact Lab Leipzig unterstützt. Das Social Impact Lab bietet uns die Möglichkeit in einem wunderschönen Co-Working-Space im Leipziger Westen gemeinsam mit Mentoren an unseren Ideen zu arbeiten.
Außerdem bietet speziell Leipzig eine gute Infrastruktur mit seinen Universitäten und den vielen, jungen Menschen, die motiviert sind, bei neuen Projekten mitzuarbeiten. Aktuell zum Beispiel kooperieren wir mit dem Master-Studiengang Journalistik von der Universität Leipzig und dem Master "MultiMedia & Autorschaft" in Halle.
Dario Nassal: Außerdem leben wir sehr gerne in Sachsen. Die Grundstimmung in Leipzig ist ungemein inspirierend für alle, die Lust haben, neue Projekte anzustoßen: Nach wie vor ist Vieles im Aufbruch und im Wandel in Ostdeutschland und es gibt mehr Freiraum und weniger Hürden für Menschen, die kreative und unkonventionelle Ideen anstoßen wollen.
FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview.
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