Das Verwaltungsgericht Leipzig hat heute (23.5.2019) ein Urteil in der Klage über das Vergabeverfahren für den zweiten DAB+-Bundesmux verkündet. Demnach war das Vergabeverfahren nicht ordnungsgemäß von der Sächsischen Landesanstalt für privaten Rundfunk und neue Medien (SLM) durchgeführt worden.
Geklagt hatte die Digital Audio Broadcasting Plattform GmbH (DABP) aus Leipzig, einem Unternehmen des Leipziger Investors Steffen Göpel.
Im Urteil ist zu lesen, dass der Zuweisungsbescheid durch die SLM aufgehoben und "das Zuweisungsverfahren (...) erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durchzuführen" sei. Vor dem Hintergrund, dass beide Seiten in die Revision gehen wollen, ist allerdings fraglich, ob und wann das passiert.
Antenne Deutschland wollte Betrieb aufnehmen
Antenne Deutschland, die das ursprüngliche Vergabeverfahren gewonnen hatten und dem Prozess beigeladen waren, hatte im März verkündet, noch im vierten Quartal 2019 mit dem Betrieb des zweiten Multiplex beginnen zu wollen (vgl. dabplus.de vom 29.3.2019: "DAB+ bundesweit: Antenne Deutschland plant zweites nationales Digitalradioangebot").
Vermutetes Kalkül hinter der Ankündigung: Bis das letztinstanzliche Urteil der Klage gegen das Verfahren verkündet werden würde, wäre der 2. Bundesmux einige Jahre in Betrieb gewesen. Das hätte für den Betreiber nach Branchenschätzungen satte Millionen-Gewinne pro Jahr bedeutet.
Darüberhinaus hätte mit dem mehrjährigen Betrieb die Kraft des Faktischen Auswirkungen auf die weiteren Entwicklung.
Auf der anderen Seite könnten so allerdings Schadensersatzforderungen für die Landesmedienanstalten in Millionenhöhe drohen - die vermutlich von Jahr zu Jahr wachsen würden.
Wählen beide Seiten die Sprungrevision?
Tatsächlich stellt sich jetzt die Frage, ob beide Parteien, DABP wie auch SLM, die schon bei Gericht angemeldete sogenannte Sprungrevision anstreben. Mit ihr wird die zweite Instanz (die Berufung) übersprungen und der Rechtsstreit direkt an das letztinstanzliche Gericht weitergeleitet. Vom Bundesverwaltungsgericht ist bekannt, dass es seine Entscheidungen innerhalb von sechs bis acht Monaten verkündet.
Die Sprungrevision könnte also eine zügige endgültige Entscheidung erheblich beschleunigen und die drohende Schadensersatzsumme - sofern die Landesmedienanstalten überhaupt verlieren würden - erheblich verringern. Sie würde aber vermutlich auch verhindern, dass Antenne Deutschland den Multiplex noch dieses Jahr in Betrieb nimmt.
Hintergrund: ein vermurkstes Verfahren
Die SLM hatte das Verfahren um die Vergabe des zweiten DAB+-Bundesmux (steht für: bundesweite DAB+ Multiplex Plattform) im Namen der Arbeitsgemeinschaft der Landesmedienanstalten ALM geleitet. Maßgeblicher Akteur innerhalb der SLM war der inzwischen ausgeschiedene SLM-Geschäftsführer Martin Deitenbeck.
Ende 2016 hatte die Antenne Deutschland GmbH & Co. KG schließlich von der Gremienvorsitzendenkonferenz der Landesmedienanstalten (GVK) den Zuschlag erhalten.
Der Zuschlag war von Anfang an von den Verlierern des Verfahrens kritisiert worden, u.a. weil in der entscheidenden Sitzungen drei Vertreterinnen und Vertreter von Landesmedienanstalten nicht anwesend waren – darunter der Präsident der SLM, Michael Sagurna (vgl. FLURFUNK vom 29.6.2017: "DAB+: SLM in der Kritik wegen Multiplex-Vergabe").
Kritisiert wurde außerdem, dass der Zusammenschluss der Media Broadcast und der Oschmann-Gruppe zur Antenne Deutschland erst nach Ende der Bewerbungsfrist erfolgte und diese ihre Bewerbungsunterlagen anpassen durften.
Die Media Broadcast ist eine ehemalige Telekom-Tochter, die inzwischen zur freenet AG gehört (vgl. Wikipedia). Sie hatte das Verbreitungsmonopol der Deutschen Post übernommen. Im Frühjahr 2018 machte sie Schlagzeilen mit der Drohung, bundesweit die UKW-Sender abzuschalten (vgl. FLURFUNK vom 19.3.2018: "Radio via UKW: Droht Funkstille ab April?").
Die Oschmann-Gruppe (eigentlich Müller Medien) ist an "mehr als 60 regionalen Fernseh- und Rundfunkanbieter in Deutschland und Österreich, sowie Telefonbuch-, Zeitungs- und Kinderbuchverlagen" beteiligt (Quelle: Wikipedia).
Erste Klage: zunächst "aufschiebende Wirkung"
Nach der Vergabe hatte die DABP bereits Klage eingereicht und im Sommer 2018 zunächst vom Verwaltungsgericht eine "aufschiebende Wirkung" erreicht. Diese war später vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht mit Verweis auf die Bedeutung des Rundfunks für die Gesellschaft aufgehoben worden. Ansonsten hätte sich der Sendestart auf Jahre - bis zur finalen Urteilsfindung der letzten Instanz - verzögert.
Jetzt bleibt also offen, welchen Weg die Streitparteien wählen. Für die SLM kommt das Urteil zu einem sehr ungünstigen Zeitpunkt. Im Februar musste Geschäftsführer Martin Deitenbeck überraschen gehen (vgl. FLURFUNK vom 15.2.2019: "SLM: Geschäftsführer Deitenbeck und Medienrat verständigen sich auf Auflösung des Arbeitsvertrags"). Über die Neubesetzung sind die beiden Gremien der SLM, Medienrat und Versammlung, in heftigen Streit geraten (vgl. FLURFUNK vom 21.5.2019: "SLM: Fordert die Versammlung vom Landtag einen neuen Medienrat?")
Mai 24, 2019
Ist es nicht traurig, dass gebildete und studierte Menschen nicht in der Lage sind, dieses Verfahren vernünftig abzuwickeln.
Der Leid tragende ist der begeisterte Hörer, der sich Programmvielfalt ohne Rauschen, ohne Datenabgriff und Zusatzkosten wünscht.
Das ist für mich das Ende von DAB+. Die Lobbyisten, die auf Dauer Internet & Co als einzigen Verbreitungsweg haben wollen, haben gewonnen.
DAB+ wird abgeschaltet, was eigentlich UKW ablösen sollte.
Es geht weiter auf UKW sowie Internet und Co.
Die Privaten Jubel, insbesondere in NRW. Keine weitere Konkurrenz auf terrestrischer Ebene.
Wenn ca. mehr als 50% Aller Hörer auf Internet & Co umgestiegen sind, dann wird nur noch UKW abgeschaltet.
Statt Programmvielfalt ohne Rauschen, Datenabgriff und Zusatzkosten (DAB+) genau das Gegenteil (Internet & Co).
In anderen Ländern laufen Internet & Co und DAB+ friedlich nebeneinander.
Warum ist dies nicht in Deutschland möglich?
Mai 24, 2019
Ich will ja mal hoffen, das der 2. Bundesmux doch noch irgendwann kommt, wir in Niedersachsen, sind eh schon die ang... bei unserem 1 privaten DAB+ Sender. Abewr wie heißt es so schön, die Hoffnung stirbt zu letzt