Vorwürfe gegen Reinhard Bärenz, Leiter der Hauptredaktion Kultur beim MDR: Mit einer an Politiker und Medienvertreter geleakten Mail wird ihm unterstellt, interne Zensur ausgeübt zu haben.
In der Mail, die auch uns in Teilen vorliegt (ein großer Teil ist geschwärzt, s. Foto), schreibt Bärenz an Redaktionsvertreter:
"...wir haben uns intern darauf verständigt, uns nicht am 'Perren-Bashing' zu beteiligen und nicht mit einem Kommentar oder einer Bewertung rauszugehen, sondern die Lage im Blick zu behalten. Wenn was passiert, berichten wir, wenn nicht, dann nicht.
Da das Thema weiterhin eine aktuelle Entwicklung hat, bitte ich generell um inhaltliche Rückkopplung..."
Vorwurf der Zensur
Die anonyme Mail vom 5.11.2018 (mit der teils geschwärzten Fassung) ging mit einem Begleittext an diverse politische und journalistische Institutionen - und der begleitende Mailtext spart dabei nicht mit Vorwürfen.
Im Mail-Text heißt es:
"Der Hauptredaktionsleiter Kultur, zuständig für die gesamte aktuelle Kulturberichterstattung im MDR (Fernsehen, Hörfunk und Online) weist darin seine ihm unterstellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an, keine kritische Berichterstattung (Wertung, Kommentare, Meinungen) zum Fall Bauhaus, abgesagtes Konzert der Band "Feine Sahne Fischfilet" und speziell zur Person der Bauhausdirektorin Dr. Claudia Perren vorzunehmen."
Und weiter:
"Die Mail des Hauptredaktionsleiters verunglimpft sogar die bisherige kritische Berichterstattung über Frau Perren pauschal als 'Perren-Bashing' und spricht damit den Journalisten im MDR und außerhalb des MDR die Fähigkeit und/oder den Willen ab, seriös und auch mit wertenden Kommentaren über die Vorgänge und die Person von Frau Perren zu berichten, was Aufgabe von Kulturjournalisten ist, die Dinge einzuordnen."
Bärenz: keine inhaltliche Beeinflussung
Die Mitteldeutsche Zeitung hat bereits am Dienstag (6.11.) über den Vorgang berichtet und eine Stellungnahme von Reinhard Bärenz erhalten (vgl. MZ-web.de : "Bauhaus-Affäre Kein 'Perren-Bashing' beim MDR").
Gegenüber der Zeitung weist Bärenz die Vorwürfe zurück. In dem Bericht ist er zitiert mit:
"Keiner der Beiträge, die zum Thema Bauhaus bei MDR Kultur im Radio, Fernsehen oder Online veröffentlicht wurden, ist von mir in irgendeiner Weise korrigiert oder inhaltlich beeinflusst worden".
Im Gespräch mit FLURFUNK weist Bärenz außerdem darauf hin, dass die Mail nicht mehr aktuell, sondern bereits mehrere Tage alt sei. Die Entscheidung sei im Gespräch mit mehreren leitenden Redakteuren gefällt worden - und es sei ein absolut üblicher Vorgang, die Ergebnisse redaktioneller Besprechungen im Nachgang noch einmal schriftlich festzuhalten. Tatsächlich ist das Sendedatum in der geleakten Mail ebenfalls geschwärzt.
Politische Dimension
Die MZ schreibt weiter, Bärenz würden Chancen auf die Nachfolge von Nathalie Wappler-Hagen - der scheidenden Programmdirektorin für Halle (vgl. FLURFUNK vom 30.10.2018: "MDR: Nathalie Wappler-Hagen steht vor dem Wechsel in die Schweiz") - nachgesagt. Der Vorgang bekommt damit eine politische Dimension.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Sächsischen Landtag haben heute mit einer Pressemitteilung reagiert. Darin ist die medienpolitische Sprecherin Claudia Maicher zitiert:
"Bei diesem schwerwiegenden Vorwurf reicht es nicht aus, wenn sich der Rundfunkrat hinter verschlossenen Türen mit der Angelegenheit befasst. Ich erwarte eine öffentliche Stellungnahme der MDR-Intendantin Frau Prof. Karola Wille, um den Verdacht der Einschränkung der freien Berichterstattung beim MDR auszuräumen."
MDR verweist auf Beirat der Intendantin
Die MDR-Pressestelle gibt auf Anfrage allerdings nur folgendes Statement heraus:
"Zur Lösung von Konfliktfällen in Programmfragen gibt es im MDR bereits seit vier Jahren den von den festen und freien Programmmitarbeitern gewählten Beirat der Intendantin, dem Journalistinnen und Journalisten aus dem gesamten MDR angehören. Das regelmäßig tagende Gremium soll den Schutz der inneren Rundfunkfreiheit für die einzelnen Programmmitarbeiterinnen sicherstellen und die Unabhängigkeit der journalistischen Arbeit sichern. An den Beirat kann sich jede Programmmitarbeiterin – auch vertraulich – wenden, nachdem sie sich zuvor um die Klärung des Programmkonflikts mit der jeweiligen Vorgesetzten oder den beauftragenden Bereichen bemüht hat. Aus der Anrufung des Beirates dürfen den Beschwerdeführern keine Nachteile entstehen. Die Erfahrung im MDR aus den zurückliegenden Jahren zeigt, dass dieses Instrument bestens zur Klärung und Beilegung von Programmkonflikten und zur Sicherstellung der inneren Rundfunkfreiheit geeignet ist. Im Übrigen erstattet der Beirat jährlich dem Rundfunkrat einen Bericht über seine Arbeit, zuletzt im Dezember 2017."
Dort wird das Thema dann sicherlich demnächst auf den Tisch kommen.
0 Kommentare