Interview mit Nea Matzen: Wie steht’s um den Online-Journalismus?

Nea Matzen und Herbert von Halem im Gespräch

Die Buchmesse in Frankfurt ist mittlerweile vorbei. Vielen Dank an Alle, die bei uns am FUNKTURM-Stand vorbeigeschaut haben!

Während der Messe hat sich FLURFUNK noch ein wenig umgehört und einige spannende Veranstaltungen besucht. So auch ein Podium am Freitag mit dem Titel: "Online-Lust statt Online-Frust: Wie Journalismus im Netz funktioniert", das der Herbert von Halem-Verlag organisiert.

Auf dem Podium Verlagsleiter Herbert von Halem und die Onlinejournalismus-Dozentin und tagesschau.de-Redakteurin Nea Matzen. Im von Halem-Verlag soll bald die vierte Auflage ihres "Handbuch Online-Journalismus" erscheinen.

Nach der Veranstaltung hatten wir noch die Gelegenheit, ein Interview mit Frau Matzen zum Stand und neuen Trends im Online-Journalismus zu führen.

"Auch früher gab es nicht nur Lesebriefe."

FLURFUNK: Wie wird man denn Autorin eines Buches über Onlinejournalismus?

Nea Matzen: Ich gebe schon länger an der Uni Hamburg Recherche-Seminare. Im Praxisteil haben die Studierenden dann zur Geschichte der Tagesschau recherchiert. Das ist so gut geworden, dass wir auf Verlegersuche gegangen sind. Als ich dann einen Kontakt zum UVK-Verlag hatte, ist mir aufgefallen, dass mein Material zu Seminaren über Online-Journalismus schon ein halbes Buch ist. Und so sind wir ins Gespräch gekommen. Mittlerweile ist mein Buch in drei Auflagen erschienen. Die vierte Auflage ist beim Herbert-von-Halem-Verlag in Planung.

FLURFUNK: Brauchen Online- und Printjournalismus eine unterschiedliche Ausbildung?

Nea Matzen: Eine komplett unterschiedliche Ausbildung braucht es nicht, denn die Standards bleiben ja die Gleichen. Am Ende geht es immer um eine gute Idee, eine Geschichte zu erzählen. Nur die Werkzeuge dazu sind andere, werden vielfältiger. Eine Geschichte wird online nun mal anders erzählt werden muss als in der gedruckten Zeitung.

FLURFUNK: Wie wichtig ist Social Media für den Onlinejournalismus?

Nea Matzen: Früher waren die Sozialen Netzwerke fast reines Marketing-Instrument, also einfach ein weiterer Ausspielweg für die Artikel oder Radio- und Fernsehbeiträge. Für viele Redaktionen ist das bis heute noch so. Immer öfter sieht man allerdings, dass ambitionierte Redaktionen extra Content für Facebook, Instagram und Twitter produzieren.
Das ist sinnvoll, denn das Nutzerverhalten in Sozialen Netzwerken ist ein ganz anderes als auf Webseiten. Zum Beispiel produziert die Tagesschau Webvideos für Instagram. Das Wichtigste ist, dass diese kurz und knapp sind, denn lineares Bideoschauen passt eigentlich gar nicht zum Verhalten der Online-Nutzer, die eher die Inhalte überfliegen oder scannen. Wenn eigener Content für Facebook und Co. produziert wird, ist es allerdings sehr wichtig, dem Profil des Mediums treu zu bleiben.

FLURFUNK: Ist Online-Journalismus oft zu wenig aufs Medium abgestimmt, also noch zu nah an einem typischen Print-Text?

Nea Matzen: Oft ist das so. Es gibt im Onlinejournalismus ganz neue Möglichkeiten, Geschichten zu erzählen. Scrollytelling zum Beispiel, wenn ich also auf einer Seite nach unten scrolle und immer neue Aspekte auf dem Bildschirm erscheinen. Die ersten, die das konsequent umgesetzt haben, waren die Kollegen und Koleginnen von der New York Times mit ihrer Geschichte Snowfall im Jahr 2012. Im Netz will der der Nutzer keine „Bleiwüsten“ sehen, deswegen ist das eine schöne Idee, lange Texte aufzubrechen. "Wollen wir das snowfallen?" war in einigen Redaktionen zeitweilig ein gefügeltes Wort. Inzwischen gibt es zahlreiche Programme, mit denen man Geschichten so und noch besser aufbereiten kann.
Manche Redaktionen sind da ziemlich ambitioniert, stecken viel Zeit und Resourcen in diese Entwicklungen. Andere Redaktionen kennen das noch gar nicht und sehen. Wenn man sich ein wenig damit beschäftigt, wird man feststellen, dass die Programme gar nicht so kompliziert sind.

FLURFUNK: Durch das Internet sind die Journalisten näher am Nutzer, durch Kommentare gibt es einen direkten Draht. Ist das mehr Fluch oder mehr Segen für den Journalismus?

Nea Matzen: Wie eigentlich fast immer: beides. Natürlich vergreifen sich einige Kommentatoren im Ton. Aber es gibt auch hilfreiche Hinweise und Ideen von Nutzern. Die Redaktionen lernen zudem, transparenter zu sein, unsere Arbeit mehr zu erklären. Je besser eine Seite moderiert ist, desto besser ist auch die Diskussion.

FLURFUNK: Hat sich der Journalismus durch diesen direkten Draht denn verändert?

Nea Matzen: Ja, aber andererseits funktioniert das Digital Village auch nicht so viel anders als ein echtes Dorf oder eine Kleinstadt. Auch früher gab es nicht nur Leserbriefe. Ich habe längere Zeit im Lokaljournalismus gearbeitet. Und wenn man eine kritische Geschichte über das Stadtgeschehen gebracht hat, gab es darüber auch eine Debatte oder Auseinandersetzung mit den Leuten vor Ort. Oder wenn man auswärts auf Terminen war, gab's genauso das direkte Feedback. Durch das Internet hat sich das natürlich verstärkt, komplett neu ist der Trend allerdings nicht.

FLURFUNK: Danke für das Interview!

Interview: Ben Kutz

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