Am Donnerstag dokumentierten wir in unserem Blog einen offenen Brief von Profressor Gerd Schwerhoff an Professor Werner Patzelt (vgl. FLURFUNK vom 13.9.2018: "Reaktion auf die 'Hetzjagd'-Petition: Offener Brief an Prof. Patzelt").
Hintergrund war die Petition, die Professor Patzelt unterstützt und in der die Bundeskanzlerin aufgefordert wird, die Herkunft des von ihr verwendeten Begriffes "Hetzjagd" für die Vorkommnisse in Chemnitz zu erklären.
Die Mit-Petenten von Prof. Patzelt hatten wir vorher in einem Beitrag etwas näher beleuchtet und scharf kritisiert (vgl. FLURFUNK vom 9.9.2018: "Die seltsamen Verbündeten des Professor Patzelt").
Nun hat uns Professor Patzelt eine Antwort auf den offenen Brief von Gerd Schwerhoff übermittelt, die wir selbstverständlich hier auch publizieren:
Patzelts Antwort auf Gerd Schwerhoff
Sehr geehrter Herr Kollege,
zur im "Offenen Brief" vorgebrachten Kritik habe ich mich auf meinem Blog wjpatzelt.de längst ausführlich geäußert. Deshalb kann hier die Bemerkung genügen, dass auch mir bisweilen Kommunikationsfehler unterlaufen.
Doch es ist mir ein Rätsel, warum trotz deren Klärung so viel Lärm um so wenig entfaltet wird. Vor allem frage ich mich, wie jemand in redlicher Weise dazu kommen kann, mir die Rolle eines "rechten Agitators" zuzuschreiben. Meine Position ist doch aus Dutzenden von Interviews mit großer Reichweite sowie aus vielen Publikationen wohlbekannt: Ich stehe für jene pluralistische Demokratie, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung in konkretes politisches Leben umsetzt, und ich möchte, dass unser Land nicht weiter den Zusammenhalt der Bürgerschaft untereinander sowie zwischen Bürgern und Politikerschaft verliert.
Weil genau das sich derzeit ereignet, wäre es unser aller Aufgabe, weitere schlimme Entwicklungen unserer Demokratie zu verhindern. Wer aber in dieser Absicht zumal dem weiteren Aufstieg des Rechtspopulismus wehren will, der muss schon auch zur Lösung jener Probleme beitragen, die zur Rechtsradikalisierung in unserem Land führen. Zudem muss er versuchen, über den aufgerissenen Gräben unserer Gesellschaft Brücken zu bauen.
Das alles ist aber unmöglich, wenn die realen politischen Herausforderungen und Dynamiken verkannt werden. Dann zerfällt leicht der Diskurs, halten sich unzulängliche Diagnosen, kommt es zu keiner problemlösenden Politik. Ich habe das alles seit 2014 oft genug erlebt. Da wurden meine Empfehlungen – damals zum Umgang mit Pegida – zuerst in den Wind geschlagen und dann, wenn genau die von mir vorhergesagten üblen Folgen falscher Problembehandlung eingetreten waren, halbherzig und unwillig eben doch umgesetzt. Gerade so verhält es sich mit den inzwischen vorgenommenen Korrekturen unserer so lange so fehlerhaften Migrationspolitik. Und ebenso verhält es sich bei derzeitigen Versuchen, allmählich doch noch die Themen derer aufzugreifen sowie mit konstruktiven Problemlösungen zu versehen, die über Deutschlands Migrationspolitik, Medienlandschaft und Politikerschwerhörigkeit besorgt sind. Nur setzten alle diese Korrekturen so spät ein, dass jetzt die Chancen stark gesunken sind, die AfD ohne deren Selbstzerstörung durch eigene politische Torheit wieder kleinzubekommen.
Woher also nehmen meine Kritiker ihren Hochmut, ausgerechnet mir mit politischen Vorwürfen zu kommen, dessen Analysen und warnenden Vorhersagen sich doch seit vielen Jahren bestätigen, während ihre eigenen Handlungsrezepte zu offensichtlich erfolgloser Politik mit jeder Menge von Kollateralschäden geführt haben? Woher nehmen sie die Dreistigkeit, jemandem eine zweifelhafte demokratische Haltung anzudichten, der allgemein für Geradlinigkeit, für Sorgfalt beim Feststellen und Bewerten von Tatsachen sowie für jederzeitige Diskursoffenheit bekannt ist? Der obendrein in Forschung, Lehre und öffentlichem Wirken viel zum Verständnis von Deutschlands repräsentativer Demokratie und ihrer Probleme beigetragen hat?
Derlei Verhalten enttäuscht mich menschlich und intellektuell. Wäre es nicht besser, anstelle selbstgerechter Skandalisierungsinszenierungen das sachliche Gespräch mit mir zu suchen, etwa über die Inhalte meines im letzten März erschienen Buchs "Neue Deutsche in einem alten Land. Zuwanderung, Integration und Beheimatung", oder über mein im Oktober erscheinendes neues Buch über "Deutsche und ihre Demokratie"?
Mit freundlichen Grüßen
Werner J. Patzelt
September 16, 2018
Eine Runde Mitleid für Prof Patzelt, bitte.
September 16, 2018
@Redaktion: Der erste Link im Text ist falsch.
@Patzelt: Wo genau auf Ihrem Blog haben Sie sich mit der Kritik Ihres Kollegen Schwerhoff auseinandergesetzt? Ich kann dazu zumindest auf den ersten Blick nichts finden.
Gefunden habe ich dort allerdings die Behauptung, es sei völlig abwegig anzunehmen, der dem Schaubild hinterlegte Goebbels sei als Vergleich zu Merkel gemeint. Was - um Herrn Schwerhoff zu zitieren - eine "Beleidigung der Intelligenz des Lesers" darstellt. Was soll der Goebbels denn wohl sonst dort, wo er doch die "Lügenspirale" bebildert(e) und Frau Merkel doch Teil dieser Lügenspirale sein soll? Und dass Goebbels von rechten Demagogen alle Nase lang als Vergleich zu Politikern und Journalisten herangezogen wird, ist dem Politikwissenschaftler Patzelt wohl auch entgangen? Ebenso, dass Ihre schöne Petition auf der stark rechtsgerichteten, wissenschaftsfeindlichen Propagandaschleuder "sciencefiles" erschien? Sie veröffentlichen zusammen mit rechten Agitatoren eine als Petition getarnte rechte Meinungsmache und wundern sich dann ernsthaft, dass Sie als rechter Agitator wahrgenommen werden?
Ansonsten wieder die alte Leier davon, die Sorgen der Bürger ernstzunehmen. Gewiss, aber... Wissen Sie, ich bin Ostdeutscher und kenne so einige "besorgte Bürger", manche davon habe ich sogar sehr gern. Nein, diese Leute sind keine Nazis und mögen tatsächliche Nazis auch nicht besonders. Aber es sind Rassisten. Der Kern ihrer Sorgen ist ganz banal: Die wollen in ihrer Umgebung keine Leute, "die anders sind als wir", "die nicht zu uns passen". (Bisschen intellektueller ausgedrückt: die "kulturfremd" sind.) Darum geht es - diese Leute treibt nicht die Sorge um den Arbeitsplatz oder den Lehrermangel um (dergleichen mag allenfalls als Verstärker dienen), sondern der Anblick von Männern mit dunkler Hautfarbe und Frauen mit Kopftüchern. Alles andere, also die Zuschreibung aller möglicher schlechter Eigenschaften oder die Sorge vor Kriminalität, ist nur Bebilderung dieser Sehnsucht nach ethnisch-kultureller Homogenität. Auch die Wut auf linke und bürgerliche Politiker und die Medien leitet sich davon ab: Die Politiker lassen so viele "von denen" herein, und die Medien berichten darüber nicht negativ genug.
Natürlich muss man solche "Sorgen", sprich solchen Rassismus, ernst nehmen. Aber wenn man das tut, indem man auf ihre Forderungen eingeht, zerstört man die pluralistische Gesellschaft, zu der die Berliner Republik geworden ist (und die zweifellos ein besseres Deutschland darstellt als alles, was davor war). Stattdessen muss man Wege suchen, die "Besorgten" davon zu überzeugen, dass eine offene und pluralistische Gesellschaft letztlich besser ist als eine zwangsweise homogenisierte.
September 18, 2018
"Ebenso, dass Ihre schöne Petition auf der stark rechtsgerichteten, wissenschaftsfeindlichen Propagandaschleuder "sciencefiles" erschien?" ist eine "guilt by association fallacy".
In Deutschland gilt der für gefährlicher der auf den Dreck hinweist, als der, der den Dreck macht.
Schwerhoff jammert über die zugegeben überspitzte Symbolik und ignoriert die inhaltlichen Punkte Patzelts, die bislang unwiderlegt sind - ganz im Gegensatz zu den Aussagen Merkels zu Chemnitz. Wer Menschenjagt und Hass sehen will, der braucht nur in den Hambacher Forst zu schauen, wo die Umwelt-Terroristen Journalisten und Polizei angreifen und hetzen.
Aber Maaßen wird Ketzer geschimpft und umbesetzt.
Wer die Wahrheit sagt, braucht eben ein schnelles Pferd.
Mir graut vor einem Nachfolger von Merkels Gnaden.
Der Spalt durch die Bevölkerungsmitte wird so nur noch weiter vorangetrieben.
Es ist die blanke Unvernunft...