Für sozialwissenschaftliche Forschung in Dresden gibt es neben der TU nun einen weiteren Player. Die ehemaligen IfK-Studentinnen- und mitarbeiterinnen Anja Obermüller und Rebecca Renatus haben im März 2017 das Dresdner Forschungswerk gegründet.
Im FLURFUNK-Interview erzählt Obermüller, wo die Gründerinnen mit ihrer Firma hinwollen.
FLURFUNK: Sie haben beide an der TU Dresden gearbeitet, am Institut für Kommunikationswissenschaft (IfK). Warum kehren Sie diesem nun den Rücken?
Anja Obermüller: Uns war ja schon lange klar, dass unsere Uni-Zeit irgendwann vorbei sein wird. Wenn man keine akademische Karriere anstrebt, laufen die Verträge irgendwann aus. Nun wollten wir aber beide erstens gern in Dresden bleiben und zweitens genau das weitermachen, was uns an der Uni am meisten Spaß gemacht hat: angewandte Forschung und Lehre. Außerhalb der TU gibt es da in Dresden aber nicht wirklich viele Möglichkeiten.
Während unserer Zeit am IfK sind viele Anfragen zu Praxisprojekten eingegangen, die teilweise nicht bearbeitet werden konnten, z.B. weil sie thematisch zu weit entfernt waren vom wissenschaftlichen Fokus der akademischen Forschung. Wir haben also gemerkt, es besteht Nachfrage nach angewandter Medien- und Sozialforschung in Dresden und Umgebung und haben uns deswegen für die Gründung entschieden.
Dabei haben wir der TU aber keinesfalls den Rücken gekehrt. Wir stehen in gutem Kontakt mit den Mitarbeitenden und unterstützen uns gegenseitig. Professor Hagen und Dr. Anna-Maria Schielicke vom IfK bilden unseren wissenschaftlichen Beirat und stehen uns bei Fragen zur Verfügung. Die enge Anbindung an das Institut ermöglicht es uns, praktische Fragestellungen auf Basis aktueller wissenschaftlicher Erkenntnisse fundiert zu beantworten. Im Gegenzug werden wir auch zukünftig dem IfK als externe Lehrbeauftrage zur Verfügung stehen. Daneben sind wir auch dem Förderverein beigetreten, um die Arbeit des Instituts zu unterstützen.
FLURFUNK: Wann ging es denn richtig los mit der Firma?
Obermüller: Gegründet haben wir uns März 2017, da haben wir aber beide noch an der Uni gearbeitet und die Firma zunächst nebenberuflich aufgebaut. Ich arbeite nun seit Februar dieses Jahres hauptberuflich für das Forschungswerk, meine Kollegin hat noch bis September 2018 einen TU-Vertrag und steigt danach voll ein. Die ersten Projekte sind aber schon gut angelaufen – wir sind zufrieden.
FLURFUNK: Was ist der Schwerpunkt Ihrer Arbeit? Welche Projekte standen bisher an?
Obermüller: Unser Institut hat zwei Standbeine: Lehre und Forschung. Im Wintersemester haben wir zum Beispiel schon drei Seminare an der privaten SRH-Hochschule in Dresden gehalten, zwei zu wissenschaftlichem Arbeiten und eins zum Thema quantitative und qualitative Methoden der Tourismus- und Eventforschung. Zudem war meine Kollegin bereits zum zweiten Mal für die Popakademie Baden-Württemberg in Mannheim als Gastdozentin im Rahmen der Vorlesung „Medienpsychologie“ tätig.
Im Forschungssegment arbeiten wir gerade für den Sächsischen Ausländerbeauftragten Herrn Mackenroth. Er möchte wissen, wie die Lage der in Sachsen eingebürgerten Menschen momentan aussieht, wie diese integriert sind und welche Herausforderungen es gibt – ein sehr spannendes Projekt. Da sind wir gerade in der Feldphase. Grundsätzlich strecken wir aber natürlich weiter unsere Fühler aus. Wir sind noch in der Startphase und Vieles muss sich erst einmal finden. Wir hoffen aber, dass es so erfolgreich weitergeht wie bisher.
FLURFUNK: Wie ist denn die Arbeitsauslastung momentan? Ist so ein Forschungsprojekt mit zwei Mitarbeiterinnen gut zu stemmen?
Obermüller: Das schwankt natürlich etwas. In den Hochphasen – als wir das Projekt konzipiert haben – war sehr viel zu tun. Jetzt in der Feldphase hält es sich in Grenzen und für die Auswertung kommt wieder mehr Arbeit auf uns zu.
Für uns heißt es jetzt erst einmal, Erfahrungen zu sammeln, wie viele Aufträge wir parallel bearbeiten können. Es hat gut angefangen. Aber es muss natürlich auch immer weitergehen. Geschäftsführerinnen eines eigenen Unternehmens zu sein, ist natürlich auch eine ganz neue Herausforderung für uns. Als wir angestellt waren, kam die Arbeit einfach zu uns, jetzt müssen wir uns diese selbst suchen. Unterm Strich ist das aber auch eine spannende, neue Aufgabe.
FLURFUNK: Was macht das Dresdner Forschungswerk Ihrer Meinung nach denn aus?
Obermüller: Ich glaube, unser kommunikationswissenschaftlicher Hintergrund ist da entscheidend. Das IfK legt Wert auf eine sehr ausgeprägte Methodenausbildung, die eine wichtige Grundlage für unsere Arbeit darstellt.
Wir möchten unseren Kunden Ergebnisse liefern, mit denen sie wirklich etwas anfangen können, die eine verlässliche Basis für Entscheidungen bieten. Uns ist wichtig, praktische Fragen wissenschaftlich fundiert zu beantworten, das heißt einerseits mit einem für die Fragestellung sinnvollen methodischen Design zu arbeiten und andererseits theoretische Erkenntnisse der Sozialwissenschaft zur Beantwortung der Forschungsfragen heranzuziehen. Wenn also Firmen, Behörden oder Vereine mit Kommunikationsproblemen auf uns zu kommen, wollen wir diese mit unserem wissenschaftlichen Know-How beantworten.
Unseren Mehrwert gegenüber anderen Marktforschungsunternehmen sehen wir zudem in unserem regionalen Bezug. Als langjährige Dresdnerinnen kennen wir die Besonderheiten der Stadt und des Freistaats Sachsen und können vor diesem Hintergrund kommunikationspraktische Fragen lokaler und regionaler Unternehmen und Institutionen besser einordnen.
FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview!
Interview: Ben Kutz
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