"Dumm gelaufen", "jetzt bekommt sie gesalzene Rechnung" und "Dreiste Anfrage: Bloggerin von Hotel bloßgestellt":
Derzeit schlägt die öffentliche Absage eines Hoteliers an die britische Bloggerin Elle Darby im Netz hohe Wellen. Darby hatte als Gegenleistung für die kostenlose Übernachtung im Hotel Berichterstattung und lobende Erwähnung des Hotels in ihren sozialen Kanälen angeboten.
Der Hotelbetreiber reagierte daraufhin mit einem öffentlichen Post. Zitat: "Es braucht ganz schön viel Mut, so eine E-Mail zu schreiben, dafür nicht besonders viel Selbstachtung und Würde. Wenn ich dich hier für ein Video übernachten lasse, wer bezahlt die Mitarbeiter, die sich um dich kümmern?"
Auf den aufbrandenden Shitstorm reagierte Darby mit einem YouTube-Video (hier anzuschauen) und verteidigte sich: "Als ein 22-jähriges Mädchen, das von zuhause aus ihr Business führt, glaube ich nicht, etwas Falsches getan zu haben."
Aber war die Anfrage wirklich einfach nur naiv? Und ist das so, dass Blogger und YouTuber alles immer nur für "lau" bekommen wollen?
Wir haben die Chemnitzerin Magda Lehnert, die das Reiseblog Wanderfolk.de betreibt, nach ihrer Einschätzung zu #Darbygate gefragt.
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"Die Anfrage war ziemlich unclever"
FLURFUNK: Ist das so üblich im (Reise-)Blogger-Geschäft, nach kostenlosen Übernachtungen zu fragen?
Magda Lehnert: Ich bin sehr überzeugt, dass die Finanzierung eines Reiseblogs - sieht man einmal von Affiliatemarketing und Produkten wie eBooks ab - nur so funktioniert. Es gibt wohl kaum einen Reiseblogger, der so erfolgreich ist, dass Tourismusunternehmen ab dem ersten Tag Schlange stehen. Im Gegenteil: Durch die schiere Masse ist man immer gezwungen Kaltakquise zu betreiben, wenn man auf der Suche nach geeigneten Kooperationspartnern ist. Und die Übernachtung (oder jede andere passende Dienstleistung) ist nicht umsonst: Sie ist ein Gegenwert für eine Media- und Marketing-Leistung - die, je nach Qualität, verdammt viel Arbeit bedeutet.
FLURFUNK: Stellst Du manchmal auch solche Andfragen?
Magda: Ja, durchaus. Obwohl ich aufgrund meiner thematischen Ausrichtung nie nach einer Hotelübernachtung fragen würde. Je nach Reise (die ich grundlegend alle privat finanziere), suche ich nach passenden Partnern vor Ort, die zu den Themen auf meinem Blog passen und von denen ich glaube, dass sie auch für meine Leser interessant sein könnten. Zum Beispiel habe ich in Island einen Tourenanbieter nach einer Gletschertour gefragt. Wir waren zu zweit unterwegs und ich habe konkret danach gefragt, ob sich das Unternehmen vorstellen könnte, uns beide zum Preis von einem (also mich “kostenlos”) auf diese Tour mitzunehmen.
Bei solchen Anfragen achte ich allerdings immer darauf, wen ich anfrage. Das setzt eine eingehende Recherche voraus und ich schicke immer mein Mediakit samt Vita und Referenzen mit. Somit hat jedes Unternehmen die Freiheit zu entscheiden, ob sich die Investition in eine Blogger Relation mit mir lohnt, oder nicht.
Trotzdem treffe ich immer Absprachen was mit der geplanten Berichterstattung passiert, wenn ich von einer Dienstleistung ggf. nicht überzeugt bin. In solchen Fällen behalte ich mir immer vor, keine Berichterstattung zu leisten, um der Verantwortung meinen Lesern gegenüber gerecht zu werden, ohne dabei das Unternehmen durch eine negative Berichterstattung zu schädigen.
FLURFUNK: Wie sehen dann da die Reaktionen aus - lassen sich die Leute darauf ein?
Magda: Bisher habe ich durchgehend positive Antworten bekommen. Zwar ist es nur ein kleiner Bruchteil an Unternehmen/Dienstleistern, die letztlich eine Kooperation eingehen, aber ich bekomme auch von den meisten anderen freundliche Antworten, in denen sie dankend das Angebot ablehnen.
FLURFUNK: Hast Du schon mal ähnliche Erfahrungen wie Darby gemacht?
Magda: Eine negative Reaktion wie Ellen Darby habe ich noch nie erhalten. Das schlimmste, was mir bisher passiert ist, ist keine Antwort zu erhalten.
"Das lässt auf einen geringen Qualitätsanspruch schließen."
FLURFUNK: Findest Du die Reaktion des Hoteliers in dem Fall von Darby berechtigt?
Magda: Schwierig. Ihre Mail wurde nur mit unzureichender Unkenntlichmachung veröffentlicht, die es möglich machte, Darby binnen kürzester Zeit als Absender zu identifizieren. Das finde ich verwerflich. Zudem hat auch Darby nicht nach einer Übernachtung “umsonst” gefragt - denn auch die Erstellung des Videos, Schnitt, Kommunikation und Organisation können viel Arbeit bedeuten. Allerdings kann und will ich mir kein Urteil über die Qualität von Darbys YouTube-Videos erlauben. 94.000 Abonennten bedeuten aber (geht man erst einmal davon aus, dass sie nicht gekauft sind), dass sie mit ihren Inhalten für eine Vielzahl an Menschen relevant genug ist, um ihre Videos zu schauen.
Andererseits verspricht sie im Vorfeld das Hotel positiv zu erwähnen, ohne jemals dort gewesen zu sein. Das wiederum lässt auf absolute Willkür, wenig Verantwortungsbewusstsein gegenüber ihren Abonnenten und geringen Qualitätsanspruch schließen. Zudem war diese Anfrage ziemlich unclever. Bei einem kurzen Blick auf das Facebook-Profil des Hotels wird ganz schnell klar, dass mit den Verantwortlichen nicht gut Kirschen essen ist. Wer schreibt, dass ein Gericht “mit der Asche von Veganern” gewürzt sei, dem möchte ich unterstellen, dass er nicht der harmonischste Zeitgenosse ist. Und dieser Annahme ist die Führungsetage spätestens mit der Reaktion auf die aktuelle Kritik gerecht geworden.
"Wir brauchen Aufklärung darüber, wie die Arbeit eines Bloggers/Influencers aussieht."
FLURFUNK: Die Reaktion des Hoteliers wie auch im Netz auf die Geschichten sind teilweise sehr heftig – ist die Blogger-Branche so verrufen?
Magda: Ich denke, dass es einfach inzwischen an Aufklärung mangelt. Vor einer Weile haben wir diskutiert, ob Blogger nicht doch das gleiche tun wie Journalisten. Inzwischen sprechen wir über die Abgrenzung zwischen Influencern und Bloggern. Welcher Außenstehende soll da noch durchsehen? Die heftigen Reaktionen spiegeln meines Erachtens nur die Unwissenheit und ein gewisses Unverständnis wieder, wie Leute mit “Nichtstun und gut aussehen” so viel Geld verdienen können. Hier braucht es zwingend Aufklärung darüber, wie die Arbeit eines Bloggers/Influencers aussieht. Dass dieser Job ein Fulltime-Job ist, der jede Menge Fachwissen im Texten, Fotografieren, IT, Webdesign, Kommunikation und Marketing bedeutet. Ich würde sogar unterschreiben, dass ich zu denen gehöre, die ohne Journalismus- und Medienmanagement-Studium UND Ausbildung zur Grafikerin gar nicht in der Lage wären, einen ansprechenden Blog zu erstellen und zu pflegen.
Trotzdem kann ich die heftigen Reaktionen verstehen. Blogs und Influencer-Profile schießen derzeit aus dem Boden und die kürzlich erschienene Reportage des WDR ist nicht die erste, die zeigt, wie leicht es ist, ein Fake-Influencer-Profil anzulegen. Dass das Wut macht auf den “Berufszweig” und dazu führt, dass pauschalisiert wird, ist doch klar. Das einzig effektive Mittel ist wohl, die eigene Qualität ständig hoch zu halten und mit dem eigenen Blog nicht der Verführung des “schnellen Geldes” nachzugeben - in der Hoffnung, dass sich die Spreu vom Weizen trennt, bevor der Beruf gänzlich in Verruf geraten ist.
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