Die MDR-eigene “Hall of Shame”

Seit geraumer Zeit hat der MDR einen hausinternen Korrekturen-Service – eine eigene Seite mit dem Titel "In eigener Sache: Korrekturen". Hier werden von allen Angeboten des MDR Fehler gesammelt, eingeordnet und korrigiert.

Auch Zuschauer können den MDR auf Ungereimtheiten aufmerksam machen (unter diesem Link). Dies gehöre für den MDR zu einem "sachlichen und transparenten Umgang" mit Fehlern, heißt es. Dieser selbstkritische Umgang sei für den MDR ein journalistisches Grundprinzip.

Screenshot der Korrekturen-Seite

Vom Ansatz her klingt das alles gut. In Zeiten von "Lügenpresse"-Rufern und dem Vertrauensverlust der Medien kann es eine gute Taktik sein, entwaffnend offen und transparent mit den eigenen Fehlern umzugehen. Aber so?

Im folgenden lesen Sie einige Beispiele aus dem Korrekturen-Blog. Manche sind lustig, andere einfach nur zum Kopfschütteln.

Der Bürgermeister heißt nicht Quark

Am 20.8.17 meldete die Seite zur Sendung "Unser Dorf hat Wochenende – Theuma" folgendes:

"In unserer Sendefolge aus Theuma wurde gesagt, dass der ehemalige Bürgermeister mit Nachnamen Quark heißt und seit Jahren im Clinch mit seinem Nachbarn liegt. Wir möchten das korrigieren. Der Bürgermeister heißt mit Nachnamen Riedel (Ulrich Riedel), hat aber von Dorfbewohnern den Spitznamen Quark bekommen. Herr Riedel war 30 Jahre lang Bürgermeister von Theuma."

Drei, vier Nullen mehr oder weniger...

Zu einem Beitrag auf der Website von MDR Thüringen meldet der Korrekturservice am 11.7.17:

"Der MDR THÜRINGEN berichtete in einem Online-Artikel am 11. Juli 2017 unter der Überschrift "Naturschützer kritisieren Naturschutzprojekte nach A71-Bau" über Ausgleichsmaßnahmen für den Bau der Autobahn 71. In der ersten Fassung des Artikels stand, Projekte auf rund 27 Millionen Hektar seien realisiert worden. Das ist jedoch falsch. Es wurden Naturschutzprojekte auf lediglich 2.700 Hektar Fläche umgesetzt. Die Zahl wurde in dem Text korrigiert."

Der Nachrichtensprecher ist Schuld!

am 9.1.17 liefert das Portal auch gleich noch den Schuldigen mit. Nicht der Redakteur hat's versaut, sondern ganz klar der Nachrichtensprecher!

"Innerhalb dieser Nachrichtensendung berichteten wir über den Beginn von Reinigungsarbeiten in der Dresdner Frauenkirche. Der Nachrichtensprecher sprach hingegen von der Leipziger Frauenkirche, obwohl im Manuskript die korrekte Ortsbezeichnung 'Dresdner' stand. Wir bitten diesen Fehler zu entschuldigen. In den darauffolgenden Nachrichten bzw. Sendungen wurde der Fehler nicht wiederholt."

Die Freudsche Spracherkennung

Im Rahmen der Sendung "Sport im Osten" wollte sich der MDR wohl einmal mit dem Chemnitzer FC anlegen. Ein gefährliches Terrain!

"Während des Spielberichts Wiesbaden – Chemnitz in der Sendung 'Sport im Osten' am 5.11.2016 kam es infolge eines technischen Fehlers zu einem falsch angezeigten Untertitel. Die Untertitelung von Live-Sendungen geschieht zeitgleich zum gesprochenen Kommentar mit Hilfe einer Spracherkennungssoftware. Während der MDR-Sportreporter korrekt von einem Spieler als 'Chemnitzer' gesprochen hat, generierte die Spracherkennungssoftware das Wort als 'Chemnitzersack'. Obwohl immer mindestens ein Kollege bei der Texterstellung Korrektur liest, sind solche Fehler technisch bedingt nicht auszuschließen. Wir bedauern die falsche Untertitelung sehr und bitten den Fehler zu entschuldigen."

"Schwarzer Kanal"-Mitarbeiter verantwortet MDR-Doku

Die Doku "Dresden – eine Stadt im Zwielicht" äußerte sich kritisch zu Pegida und Co. Schwierig wird es dann, wenn die Sendung von einem Ex-Mitarbeiter des Schwarzen Kanals verantwortet wird, der Anti-West-Propagandasendung des DDR-Fernsehens. Am 31.8.16 steht folgendes im Korrekturen-Blog:

"Auf unserem Facebook-Profil "mdrinvestigativ" hatten wir auf die Frage, ob der Autor des Films "Dresden – eine Stadt im Zwielicht" für den "Schwarzen Kanal" gearbeitet hat, folgendes geantwortet: "Die Frage nach dem Gerücht, wonach unser Autor für den Schwarzen Kanal gearbeitet haben soll, wurde schon mehrmals mit 'Nein' beantwortet." Richtig ist aber, dass der Kollege zwar nicht als Redakteur, allerdings als Rechercheur für den "Schwarzen Kanal" gearbeitet hat. Für diesen Fehler entschuldigen wir uns ausdrücklich."

Das macht es den Rechten natürlich einfach, ihren Vorwurf der Systempresse weiter zu verfolgen, wenn der MDR Journalisten aus ausgewiesenen Ex-Propaganda-Sendungen beschäftigt. Mehrere rechte Seiten und Organisationen berichten polemisch über den Vorfall (vgl.  pi-news vom 31.8.2016: "MDR: Pegida-Bashing mit Schnitzler Redakteur"; vgl. afdsachsen.de vom 2.9.2016: "MDR zeigt Dresden-Doku eines 'Schwarzer Kanal'-Redakteurs!"). Hmm, dumm gelaufen...

Bringt's das nun?

Am Ende bleibt die Frage, ob der MDR sein Ziel erreicht, den journalistischen Ansprüchen gerechter zu werden. Und wie hoch der Anspruch auf Vollständigkeit ist – wird die Korrekturenseite wirklich von allen Redaktionen angenommen? Zwischen dem 7.9. und dem 4.11. erschien beispielsweise kein einziger Eintrag (sollte das Programm in dieser Zeit tatsächlich fehlerfrei gewesen sein...?).

Außerdem ist die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, seine Fehler an den Stellen zu korrigieren, wo sie auch gemacht wurden – wie es andere Medien auch tun. Also beispielsweise im laufenden Radioprogramm oder auf den entsprechenden Webseiten.

Der MDR macht sich angreifbar

Durch diese Auflistung erschafft der MDR eine hausinterne Hall of Shame. Einerseits mag der Ansatz löblich sein, offensiv mit seinen Fehlern umzugehen. Auf der anderen Seite macht man sich angreifbar, indem alle Fehler auf einer Seite gebündelt werden.

Als Journalist ist man in der komfortablen Situation, etwas anprangern zu dürfen, ohne einen konstruktiven Gegenvorschlag in der Tasche zu haben. Deswegen halten wir fest: in dieser Form ist das Ganze – trotz des grundsätzlich positiven Ansinnens – irgendwie nicht rund. Denn unterm Strich schneidet sich der MDR ins eigene Fleisch.

Der Sender wirkt auf den ersten Blick unprofessioneller oder "schlampiger" als andere Medien. Zwar unterlaufen dem MDR sicher nicht signifikant mehr Fehler als diversen anderen Sendern oder Zeitungen – Journalismus ist bekanntlich nie fehlerfrei. Es wirkt aber so, weil andere eben keine schier endlose Liste mit momentan 35 (!) Verfehlungen online stellen.

Und: Dem einen oder anderen FLURFUNK-Redakteur macht es die Liste auch einfacher als nötig aufzuschnappen, dass der MDR tatsächlich Ex-Mitarbeiter von der bekanntesten DDR-Propaganda-Schau beschäftigt hat. Unglaublich!

Ben Kutz

8 Kommentare
  • Basic.Master
    Dezember 21, 2017

    Der MDR ist übrigens nicht der einzige; der hr hat eine ähnliche Korrekturseite:
    http://www.hr.de/unternehmen/korrekturen/index.html

    Generell finde ich gut, dass man Fehler einräumt, anstatt sie klammheimlich zu korrigieren....sehe das also nicht als "Hall of Shame", sondern als nüchterner Beweis, das man halt nicht auf dem hohen Ross sitzt und nicht unfehlbar ist.

    Noch besser wäre tatsächlich, wenn die Korrektur auch beim Beitrag selbst stünde; ich weiß nicht, inwiefern das auch der Fall ist.

  • Tim
    Dezember 21, 2017

    Lieber Herr Kutz,

    ich verstehe nicht, was es daran zu kritisieren gibt, wenn jemand Fehler offen legt. Ist doch eine super Sache. Ihre Ansicht, dass der Sender sich angreifbar macht oder unprofessionell wirkt, zeigt sehr klar ein Grundproblem unserer Gesellschaft: Stärke zeigen und sich wichtig tun wird höher bewertet als gute Arbeit und sinnvolle Entscheidungen. Das zeigt sich am krassesten in der Politik, aber auch in vielen anderen Bereichen. Traurig, dass sie auch auf diesen Karren aufspringen statt eine Lanze für diese seltene Offenheit zu brechen. Ich sehe kein sinnvolles Argument ihrerseits, das weiterhilft, sondern nur einen Text auf dieser “politischen Ebene“, die niemand braucht, aber irgendwie trotzdem omnipräsent ist.

    Viele Grüße,
    Tim

  • Dominic Zander
    Dezember 21, 2017

    Zitat: "Der Sender wirkt auf den ersten Blick unprofessioneller oder "schlampiger" als andere Medien. [...] Es wirkt aber so, weil andere eben keine schier endlose Liste mit momentan 35 (!) Verfehlungen online stellen."

    Also ich muss sagen, dass es auf mich eben nicht so, sondern ganz gegenteilig wirkt. Der MDR geht offen und transparent mit seinen Fehlern um. Sobald man sich darum Gedanken macht, ob man sich dadurch nicht angreifbar machen könnte, passiert, was zu oft passiert: man schwurbelt herum, um am Ende keinen Fehler eingestehen zu müssen. Und das ist etwas, was meiner Wahrnehmung nach sehr viele Menschen stört.

  • Christoph Lüdecke
    Dezember 22, 2017

    Ich selbst habe die Möglichkeit, Korrekturvorschläge bei einzelnen Beiträgen zu hinterlassen, schon genutzt und mich gefreut, dass mein Vorschlag übernommen wurde.
    Für mich ist klar, dass selbst Journalistinnen und Journalisten nicht unfehlbar sein können. Die journalistische Arbeit erfordert, dass über die schwierigsten Spezialthemen berichtet wird, ohne dass die schreibende Person selbst immer über detailliertes Expertenwissen verfügen kann. Ich selbst habe mich mittlerweile abgefunden, dass manchmal Aspekte verkürzt oder ungenau dargestellt werden oder auch mal Fehler auftauchen können. Besonders ärgerlich ist es, wenn es sich häuft oder ein Beitrag eine völlige Schieflage erhält.
    Daher finde ich es außerordentlich begrüßenswert, wenn das Wissen der interessierten Leser/innen genutzt und aufgenommen wird, um Informationen in bereits veröffentlichten Beiträgen auch nachträglich zu korrigieren. Selbstverständlich sind auch dafür belastbare Quellen notwendig, die aber erfreulicherweise immer stärker auch online verfügbar sind.

    Ich selbst würde die Korrektur auf den Seiten der eigentlichen Beiträge bevorzugen. Die hier kritisierte Sammlung von Korrekturen sehe ich eher als temporäre vertrauensbildende Kommunikation der "Nicht-Unfehlbarkeit" in Zeiten der Lügenpresserufe.

  • Frederik
    Dezember 22, 2017

    Um noch ein weiteres ÖR-Medium mit derartigem Angebot hinzuzufügen - auch der Deutschlandfunk macht das: http://www.deutschlandfunk.de/in-eigener-sache.2464.de.html

    Auch ich denke nicht, dass es sich um eine Hall of Shame handelt - zumindest ist das nur dann der Fall, wenn unseriöse Medien (Hust, Bild, Hust) nichts dergleichen unternehmen.

  • ben
    Dezember 23, 2017

    @Tim

    Ein Argument, was auch im Text auftaucht, ist für mich auf jeden Fall "Wenn, dann richtig". Und wenn man eben dann mal zwei Monate nichts veröffentlicht, ist das für mich nicht erfüllt. Dann scheint der Ansatz, die Fehler zentral zu korrigieren, noch nicht bei allen Redaktionen angekommen zu sein...

    Und ich bin der Meinung, dass man in den heutigen Zeiten die "politische Ebene" schlicht nicht vernachlässigen kann, so nervig das auch mal vorkommen mag. Aber wenn man einen solchen Service anbietet - so gut und ehrenhaft der Ansatz auch ist - muss man sich auch fragen, welche Wirkung das haben kann. Und ich vertrete eben die Meinung, dass es gerade auf Menschen, die ohnehin kritisch gegenüber den etablierten Medien stehen und nicht verstehen, warum sie einen Rundfunkbeitrag zahlen müssen, eher abschreckend wirkt. Und, dass diese Sammlung das Vertrauen in den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht gerade stärkt, eher im Gegenteil. (ben)

  • stefanolix
    Dezember 23, 2017

    Ich möchte Ben widersprechen: Wer aufgrund dieser Seite Häme über den MDR ausgießt, wird das ohnedies tun. Diejenigen werden wir nicht mehr medienkompetent machen.

    Der Rest (die große Mehrheit der Zuschauerinnen und Zuschauer) weiß, dass Fehler geschehen können und immer geschehen werden.

    Ich rechne es jeder Redaktion hoch an, wenn sie sich zu ihren Fehlern bekennt und wenn sie sie kennzeichnet. Die Schweizer sind hierbei schon weiter (zur Fehlerkultur im dortigen Fernsehen siehe den zweiten Teil des Artikels):

    https://stefanolix.wordpress.com/2014/10/24/die-schweizer-und-ihr-umgang-mit-fehlern/

  • Tim
    Dezember 24, 2017

    @ben:

    ich finde “etwas“ ist immer besser als “nichts“ von etwas Gutem. Natürlich wäre es noch besser, ALLE Fehler aufzudecken, aber was ist das denn für eine Logik, zu sagen: dann lieber nichts? Man schaue sich mal den lächerlichen “Ombudsmann“ der Bild an, dann weiß man wie unehrliche Selbstkritik aussieht. Gut, Bild darf natürlich nicht der Maßstab sein.
    “Wenn dann richtig“ ist für mich ein Scheinargument. Passt in die Kategorie “ich kann die Welt allein eh nicht retten, also verzichte ich lieber auf gar nichts (Fleisch, Auto, Flüge, ...)“.

    Und mit der Wirkung auf Menschen, die Medien kritisch gegenüber stehen (tun wir das nicht alle?) sehe ich es so, dass die meisten Menschen nicht so blöd sind zu glauben, dass derjenige der keine Fehler zugibt auch keine macht. Und die, die das glauben sind dumm und wahrscheinlich eh nicht mehr zu retten.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.