Datenjournalismus adé, Sparkurs passé – die Universität Leipzig hat gestern Abend ihre Pläne für die Reform des Masterstudiengangs Journalistik vorgestellt und dabei mehrere Überraschungen verkündet.
Die wichtigste Entscheidung: Anders als bislang verlautbart, bildet die Hochschule zukünftig keine spezialisierten Datenjournalisten aus, sondern setzt weiterhin auf einen Studiengang, der Absolventen auf das gesamte Berufsfeld vorbereitet: "Wir sind von der Idee des Datenjournalismus ausgegangen. In Kooperation mit dem Institut für Informatik haben wir dann aber gesehen, dass wir noch viel mehr tun können. Wir machen jetzt eine Ausbildung die sich den digitalen Herausforderungen des Journalismus vollständig stellt", sagte Dr. Markus Beiler, Junior-Professor für Journalismusforschung.
Marcel Machill wird entmachtet
Markus Beiler wird den neuen Masterstudiengang Journalistik auch verantworten. Dies hängt mit der zweiten unerwarteten Entscheidung zusammen: Dr. Marcel Machill, der bislang einzig verbliebene ordentliche Professor an der Abteilung Journalistik, wird zukünftig keine Masterstudenten unterrichten. Der umstrittene Hochschullehrer, der beim Pressetermin nicht anwesend war, wird stattdessen im Bachelorstudiengang Kommunikations- und Medienwissenschaft die Grundlagenausbildung übernehmen. Dort soll der Anteil journalistischer Inhalte steigen. Fußnote: Die Absolventen des Bachelorstudiengangs sollen sich in Zukunft außerdem für den Masterstudiengang bewerben können. Bislang war das nicht möglich.
Rektorat öffnet das Portmonee
Möglich wird dieser Um- und Ausbau durch eine Finanzspritze des Rektorats. Die Verantwortlichen hatten bislang stets betont, dass eine Reform des Studiengangs ohne zusätzliche personelle und finanzielle Ressourcen gelingen müsse. Nun die Rolle rückwärts: Markus Beiler soll mittelfristig zum außerordentlichen Professor ernannt und ein neuer Junior-Professor angestellt werden.
Außerdem richtet die Universität zum Start des neuen Masterstudiengangs im Wintersemester 2018 eine Gastprofessur ein, die den Namen von Institutsgründer Karl Bücher tragen wird. "Das ist einer der Beiträge des Rektorats zum Reformprozess", sagte Prof. Dr. Thomas Hofsäss, Prorektor für Bildung. Dabei verwies er auf die "mediale Wahrnehmung", die mit diesem Schritt verbunden sei.
Journalismus trifft Informatik und Soziologie
Doch wie sieht der neue Masterstudiengang Journalistik im Einzelnen aus? Tatsächlich sind nun neben der Abteilung Journalistik weitere Fachrichtungen des Instituts für Kommunikations- und Medienwissenschaft (IfKMW) sowie die Institute für Informatik und Soziologie der Universität beteiligt.
"Der Studiengang wird durch drei Säulen getragen", erklärte Markus Beiler. "Die erste Säule umfasst das journalistische Handwerk, also etwa Recherche und Darstellungsformen, aber auch neue Trends wir Storytelling". Die zweite Säule seien die Informatik-Inhalte, die 20 von insgesamt 120 Leistungspunkten ausmachen. "Hier bilden wir aber keine Programmierer aus. Es geht um grundlegendes Wissen über Algorithmen, Daten und die Technik des Internets", so Beiler. Die dritte Säule umfasse die Vermittlung von Kompetenzen der Journalismus und Sozialforschung. Hier sollen die Studierenden Fertigkeiten erlangen, um aktuelle Phänomene in ihrem Berufsfeld mit wissenschaftlichen Methoden empirisch zu untersuchen. Die Lehrveranstaltungen zu dieser dritten Säule umfassen 30 Leistungspunkte.
Mindestens 50 Prozent journalistische Inhalte
Vor der Reform waren die Befürchtungen groß, die eigentliche journalistische Ausbildung könne ausgehöhlt werden. Solchen Stimmen trat Studiendekan Prof. Dr. Thomas Kater entgegen: "Mindestens 50 Prozent des Curriculums sind ausdrücklich journalistisch ausgerichtet." Bei weiteren Teilen des Studiums – etwa dem Wahlpflichtbereich oder der Masterarbeit – könnten journalistische Fragen ebenfalls im Mittelpunkt stehen, betonten alle Universitätsvertreter. Außerdem sehe der Lehrplan ein großes "Innovationsprojekt" vor, in dem die Studierenden gemeinsam journalistische Formate oder Inhalte entwickeln sollen. Markus Beiler sprach von einer "Lehrredaktion 3.0" und bestätigte zugleich, da ein einjähriges Volontariat bei einem Medienunternehmen wie bislang Bestandteil des Studiums sein wird. Studiendekan Kater: "Unsere Absolventen werden auf dem Arbeitsmarkt viel breitere Möglichkeiten haben als bislang. Sie können nicht nur als Redakteure, sondern auch im Management in Medienunternehmen oder in Forschungseinrichtungen arbeiten." Es würden "keine Nerds" ausgebildet.
Bewerbungen ab Frühjahr 2018
Vor der Präsentation hatte der Fakultätsrat der Sozialwissenschaften und Philosophie den Reformplänen einstimmig zugestimmt. Nun müssen lediglich noch Rektorat und Senat die Neuerungen final beschließen. Der viel diskutierte Immatrikulationsstopp (vgl. FLURFUNK vom 25.4.2017: "Universität Leipzig bildet vorerst keine weiteren Journalisten aus") könnte damit in wenigen Monaten enden. Die ersten Studierenden sollen sich bereits ab Frühjahr 2018 bewerben. Zunächst werden lediglich 20 statt bisher 30 Studenten aufgenommen.
Autor: Alexander Laboda (hat selbst Journalistik studiert an der Uni Leipzig, von 2009 bis 2013)
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