An der Universität Leipzig werden Journalisten offenbar künftig nicht mehr für das gesamte Berufsfeld ausgebildet. Der bisherige Masterstudiengang Journalistik soll durch einen spezialisierten Studiengang für Datenjournalismus ersetzt werden.
Dies hat der Leiter der Abteilung Journalistik am Institut für Kommunikations- und Medienwissenschaft (IfKMW), Professor Marcel Machill, am Montag in einem Gastbeitrag in der Magdeburger Volksstimme öffentlich gemacht (vgl. volksstimme.de vom 10.7.2017: "Das Ende der Leipziger Journalistik").
Die Universität bestätige am Dienstag gegenüber dem MDR ("Keine klassische Journalistenausbildung mehr an der Uni Leipzig") lediglich, dass sich die eingesetzte Kommission zur Reform der Journalistenausbildung auf eine Neuausrichtung des Masterstudiengangs Journalistik geeinigt habe. Einzelheiten würden aber noch bis September erarbeitet. Eine endgültige Entscheidung sei noch nicht gefallen.
Journalismus neben Informatik und Soziologie nur noch eine Säule der Ausbildung
Professor Machill schreibt in seinem Zeitungsbeitrag gleichwohl vom "Ende der Leipziger Journalistik". Aus seiner Sicht sei die "vollständige Journalistenausbildung der Universität Leipzig endgültig zerstört worden."
Der geplante Masterstudiengang für Datenjournalismus sei "hoch spezialisiert" und werde neben journalistischen Inhalten vor allem aus Lehrveranstaltungen aus den Bereichen Informatik, Statistik und Soziologie bestehen. "Ein Sammelsurium von Inhalten, das den Studierenden nichts Halbes und nichts Ganzes bieten wird", schreibt Machill.
Datenjournalismus hält Marcel Machill zwar grundsätzlich für ein "relevantes und zukunftsträchtiges Fachgebiet". Allerdings könne ein solch spezialisierter Master nur auf einem grundständigen, ganzheitlichen Journalistik-Bachelorstudiengang aufbauen. Eine solche Empfehlung habe er in der Reformkommission eingebracht, aber keine Zustimmung gefunden.
Journalistenverbände kritisieren Pläne
Die Pläne stoßen in ersten Reaktionen auf Kritik. Der Thüringer Landesverband des Deutschen Journalistenverbandes (DJV) kommentierte bei Facebook: "Die Grundlagen des Journalismus gehen in Leipzig zugunsten des modernen, und sicher notwendigen, Datenjournalismus flöten. Wir wünschen uns beides an dieser Ausbildungsstätte."
Ähnlich äußerte sich die Vereinigung "Junge Journalisten im DJV": "Datenjournalismus ist großartig! Aber dass es künftig an der Uni Leipzig, einer einst renommierten Ausbildungsstätte, nur noch Datenjournalismus und keine grundlegende Journalistenausbildung mehr geben soll, das gefällt uns gar nicht."
Der DJV in Sachsen Anhalt kommentierte lakonisch: "Trauriges Ende eines Studiengangs, der in den letzten zwei Jahrzehnten auch inhaltlich immer mehr auf Sparflamme gefahren wurde."
Auch Absolventen des Studiengangs und Journalisten aus Leipzig äußerten sich in sozialen Netzwerken, schrieben teilweise von einem "Skandal" und zeigten sich "fassungslos".
Wollte Marcel Machill mit seinem Beitrag diese öffentliche Empörung erzeugen? Wie sonst ist zu erklären, dass er im Alleingang Teile des noch gar nicht abschließend entschiedenen Konzepts der Reformkommission veröffentlicht? Der einzig verbliebene Journalistik-Professor (IfKMW) gilt als isoliert im eigenen Hause.
Der Einschreibestopp für den Masterstudiengang Journalistik (vgl. FLURFUNK vom 25.4.2017: "Universität Leipzig bildet vorerst keine weiteren Journalisten aus") wurde über seinen Kopf hinweg beschlossen und kommuniziert.
Professor Machill gesteht eigene Fehler ein
In seinem Zeitungsartikel räumte Machill eigene Fehler ein. Er habe zu lange dafür gekämpft, dass die Leipziger Journalistik in allen Mediengattungen vertreten sei. "Dabei sind über die Jahre bei allen Beteiligten (Mitarbeiter, Studierende und bei mit selbst) Abnutzungserscheinungen aufgetreten, die die Stimmung nicht besser gemacht haben und die nicht hätten sein müssen", schreibt er.
Nur wenige Zeilen später übt Machill dann erneut scharfe Kritik an Uni-Leitung, Fakultät und seinen Professorenkollegen. Diesen sei eine umfassende Journalistik "völlig egal" und sogar "ein Dorn im Auge", weil Journalistik "eben mehr Personalkapazitäten verschlingt als Seminare zur Medientheorie".
Pläne erfüllen anvisierten Zweck
Die geplante Neuausrichtung der Ausbildung auf Datenjournalismus kann indes als folgerichtig angesehen werden. Die Universitätsleitung hatte in der Vergangenheit mehrfach betont, dass keine zusätzlichen finanziellen oder personellen Mittel zur Verfügung stehen, um den Masterstudiengang Journalistik durchzuführen.
Mit der von Marcel Machill skizzierten Einbeziehung anderer Abteilungen und Fachbereiche kann die Abteilung Journalistik entlastet werden. Auf deren Website wird in einer Beitragsüberschrift aktuell Hans Leyendecker zitiert. Der profilierte Journalist sagte demnach kürzlich bei einem Besuch in Leipzig: "Datenjournalismus wird ein großes Feld". Alexander Laboda
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