Von Carolin Wilms
Der Anteil der Bevölkerung, der aus dem Ausland nach Leipzig gezogen ist, hat sich in den vergangen sechs Jahren verdoppelt und entspricht jetzt neun Prozent. Mit nahezu 53.000 ausländischen Bürgern gibt es zunehmend Bedarf an lokalen Informationen.
Die finden sich im Blog Leipzig Glocal, das von der Journalistin Ana Ribeiro seit zwei Jahren befüllt wird. Ana stammt aus Brasilien stammt und lebt in Leipzig – derzeit allerdings befindet sie sich zu Recherchezwecken in Südafrika.
Das Interview wurde schriftlich auf Englisch geführt und anschließend übersetzt.
Ana Ribeiro: "Es ist die Sache wert"
FLURFUNK: Ana, wofür steht Leipzig Glocal?
Ana Ribeiro: Es bedeutet, lokale Aspekte der Weltöffentlichkeit bekannt zu machen und gleichzeitig international relevante Themen an Leipzig heranzutragen. Für mich schließt der Begriff auch ein, dass man sich für ein “lokales Gewächs” halten kann, ohne in dieser Stadt verwurzelt zu sein, sondern mobil ist und ursprünglich von einem Ort stammt. Dafür bringt man unterschiedliche Erfahrungen mit und lässt diese in seine Berichterstattung einfließen. Unsere Autoren und Redakteure kommen aus verschiedenen Ländern und haben diverse berufliche Hintergründe. Wir schreiben über Themen mit einem besonders lokalen oder internationalen Fokus, von denen wir annehmen, dass sie für die hiesige Leserschaft – in und um Leipzig - von Interesse sein kann. Zudem erhoffen wir uns, bei Menschen außerhalb von Leipzig oder Deutschlands Interesse für diese Stadt zu wecken. Unsere Leser sind interessiert daran, etwas über die Leipziger Szene zu erfahren und was wir, mit unserem “hybriden” internationalem Leipzig-Hintergrund darüber und über die Welt zu sagen haben.
FLURFUNK: Welche Themen deckt ihr in eurem Blog ab?
Ana: Wir haben mehrere Rubriken: lokale Kunst- und Kultur-Szene, Unterhaltung (Kino, Konzerte, Festivals und andere Events), Reise, Gesellschaftsthemen (Treffpunkte, Essen, Familienthemen), lokale und internationale Politik, Arbeits- und Startup-Markt in Leipzig, Literatur (Kurzgeschichten, Poesie) und Tipps für Ausländer, die nach Leipzig ziehen und Hilfestellung in ihrer Sprache suchen (daher schreiben wir auf Englisch, da es die internationalste Sprache ist).
FLURFUNK: Wer trägt zu eurem Blog bei?
Ana: Zwei unserer Mitstreiter stammen - wie ich - aus Südamerika: Marina Renault aus Brasilien und Daniel Leon aus Venezuela. Wir kamen vor einigen Jahren nach Leipzig, um unsere Doktorarbeiten im Bereich Politikwissenschaft zu schreiben. Unsere vierte Autorin ist Maeshelle West-Davies, britisch-amerikanische Staatsbürgerin und bildende Künstlerin.
Insgesamt sind wir acht Autoren: Zwei Redakteure schreiben und redigieren jede Woche, andere tragen ab und zu Texte bei und wieder andere verfassen ein oder mehrere Male Artikel als Gastautoren. Die meisten Texte stammen aus unserer Feder, einige haben wir zweitverwertet, nachdem wir uns die Genehmigung eingeholt haben. Zudem verlinken wir englischsprachige Artikel von renommierten Tageszeiten wie z.B. The Guardian.
FLURFUNK: Was tut ihr für euren Bekanntheitsgrad?
Ana: Meistens posten wir Artikel auf unserer Facebook- oder Instagram-Seite. Wir haben auch einen Twitter-Account, aber den nutzen wir nicht so aktiv. Zudem haben wir Visitenkarten und sprechen mit Menschen über unseren Blog, wo auch immer wir gerade sind.
FLURFUNK: Wie viele Follower habt ihr in den Sozialen Medien?
Ana: Derzeit haben wir 3.060 Follower bei Facebook, 1.390 bei Instagram und 960 bei Twitter.
FLURFUNK: Seit wann habt ihr den Blog?
Ana: Ich habe im März 2015 damit begonnen einen eigenen Blog zu schreiben, aber sehr schnell hatte ich eine Reihe von Leuten, die mir regelmäßig zugearbeitet haben. Ich habe immer die Menschen ermutigt, etwas für die Seite zu schreiben und ich bin weiterhin dabei, nach neuen Autoren Ausschau zu halten.
FLURFUNK: Woher kommt deine Motivation, diesen Blog zu betreiben?
Ana: Ich würde gern ein zukunftsfähiges “Webzine” auf Englisch daraus machen, vielleicht sogar eines Tages mit einer Print-Ausgabe. Es war nicht immer einfach englischsprachige Veröffentlichungen in Leipzig am Leben zu halten, entweder aufgrund der potentiellen Leserschaft oder weil die Leute, die diese Publikationen betreut haben, die Stadt verlassen haben und zu neuen Unternehmungen aufgebrochen sind. Mit unserem Konzept aber, das nicht voraussetzt, dass wir auch physisch in Leipzig sind, können wir den Blog von überall auf der Welt schreiben und veröffentlichen. Ich denke auch darüber nach, irgendwann die Marke „Glocal“ in andere Städte zu exportieren.
FLURFUNK: Wie finanzierst du deinen Blog?
Ana: Wir hatten eine Reihe von bezahlten Anzeigen, aber keine regelmäßige Werbung. Letztlich bezahlen wir den Blog aus unserer eigenen Tasche und haben nebenher noch andere Jobs. Wir schauen uns verschiedene Geschäfts- und Werbemodelle an, aber das ist noch mal ein eigener Vollzeit-Job und wir verbringen die meiste Zeit damit, regelmäßigen Inhalt für den Blog zu produzieren.
FLURFUNK: Was hast du von dieser Arbeit persönlich?
Ana: Wir wissen, dass wir der Gemeinschaft in gewisser Weise helfen (Ärzte zu finden, Dienstleistungen, Unterhaltung, Hilfestellungen, um am gesellschaftlichen Leben Leipzigs teilnehmen zu können), Arbeitgeber mit Arbeitnehmern in Verbindung zu bringen, verschiedenen Menschen eine Stimme zu geben, Künstlern eine gewisse öffentliche Wahrnehmung mit lokalem und internationalem Publikum zu ermöglichen und Menschen dazu zu bringen, die Welt und auch Leipzig zu erkunden. Es wird aber noch eine Weile dauern, bis die Seite profitabel sein wird. Manchmal ist es ermüdend die Seite ständig zu aktualisieren, die sozialen Medien täglich zu bespielen und regelmäßig Anfragen und Mails zu beantworten. Ich muss das Projekt wirklich sehr mögen und daran glauben, um diese schwierigen Momente, in denen man mit Arbeit zugeschüttet wird, durchzuhalten – aber ich weiß, dass es die Sache wert ist.
FLURFUNK: Vielen Dank für das Interview!
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