Von Donnerstag bis Samstag (27.-29.4.2017) war ich gemeinsam mit rund 30 Bloggern, Onlinern und Zeitungsmachern als Teilnehmer bei dem Workshop "Gekommen, um zu bleiben – neue Ideen für lokale Onlinemedien" in Berlin. Veranstalter war die Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.
Zielgruppe des Workshops waren vor allem kleine Online-Medien, etwa Lokalblogs und -Magazine, aber auch Vertreter von Online-Seiten großer Tageszeitungen. Im Blog der Drehscheibe sind einige Beiträge über das Seminar erschienen – bei Twitter wurde der Hashtag #lokon17 verwendet.
Ziemlich am Ende des Workshops diskutierte eine kleine Gruppe Blogger und Onliner die Frage, ob und wie sich Medien wie unserluensche.de (Lüdenscheid), leine-on.de (Hannover), hallo-minden.de (Minden), broeltal.de (Ruppichterorth), report-d.de (Düsseldorf), DieWiedertaeufer.de (Münster), irondan.de (Marbach Direkt), www.die-hunte.de (Wildeshausen), die Oldenburger-Onlinezeitung.de oder KleveBlog.de vernetzen könnten (Liste nicht vollständig - wer verlinkt werden will, bitte melden!)
Die Ergebnisse dieser Vernetzungsdiskussion will ich hier dokumentieren.
Kennzeichen: Vielfalt
Sehr spannend fand ich den Vortrag von Prof. Wiebke Möhring vom Institut für Journalistik der Universität Dortmund über eine Studie zu lokalen Onlinemedien. Tenor: Das maßgebliche Kennzeichen von (verlagsunabhängigen) Lokal-Blogs, -Magazinen und -Zeitungen (in der Folge zur Vereinfachung nur "lokale Onlinemedien" genannt) ist, dass es kein einzelnes gibt.
"Wissenschaftlich" formuliert: Das Hauptmerkmal ist die Vielfalt. Es gibt alle möglichen Formen von lokalen Onlinemedien. Manche werden von professionellen Journalisten betrieben, manche sind Hobby, manche veröffentlichen viel, andere wenig, viele wollen werbefinanziert sein, andere nicht. Auch in der Qualität gibt es große Unterschiede.
Gesellschaft braucht lokalen Journalismus
Aber, so die Wissenschaftler: Gesellschaft braucht lokalen Journalismus. Dieser schafft lokale Kommunikationsräume. Die Aufgabe von lokalen Medien, die im klassischen Bereich (Stichwort: Lokalzeitungen) immer schwächer und weniger werden, ist darüber berichten, was innerhalb des eigenen Kommunikationsraums geschieht.
Denn auch im Zeitalter der Digitalisierung sind die Leser sehr interessiert an Ereignissen aus dem Wohnort und Umgebung.
Es fehlt an Zeit, Geld und Unterstützung
Prof. Möhring und ihre Kollegin zitierten aus einer Studie von 2014 aus Großbritannien, wo die Szene deutlich aktiver sei. Dort hatten die Lokal-Blogger/Online-Medienmacher als hauptsächliche Probleme Zeitmangel, fehlende Mitstreiter und fehlende finanzielle Gründe genannt. Viele Anwesende im Raum nickten...
Folgendes Fazit zog Möhring: Der Bedarf an lokalen Onlinemedien ist groß - es geht damit auch eine publizistische Verantwortung einher! Aber: Die von den Dortmundern untersuchten Angebote entsprechen nur in Teilen dem publizistischen Anforderungen und unterliegen einer hohen Dynamik.
Und trotzdem ist festzustellen, dass sich unabhängige lokale Onlinemedien als Teil eines vielfältigen lokalen Kommunikationsraumes etablieren.
Vernetzung: bitte keinen Verband!
Es gibt in meinen Augen sehr viele Gründe, die gegen eine irgendwie geartete professionelle Vernetzung, etwa in Form eines (weiteren) Vereins oder Verbandes oder einer Interessensvertretung sprechen.
Da sind etwa die ganz unterschiedlichen Interessen und Ausrichtungen der einzelnen Medien. Da ist das sehr unterschiedliche Qualitätsniveau. Da ist auch die Kraft und Zeit, die fehlt, um so eine Geschichte ans Laufen zu bekommen – viele stecken ihre Kraft lieber in die eigenen Angebote, was legitim ist.
Da ist schließlich auch das Problem, dass sehr viele rein kommerzielle oder politisch nicht ganz astreine Angebote im Netz zu finden sind... Und dann ist da noch das Thema der vielen unterschiedlichen Charaktere (viele Einzelkämpfer ergeben nicht automatisch eine Gruppe, um es mal diplomatisch auszudrücken).
Außerdem gab es das alles schon mal: Man google nur mal die Begriffe Blogger+Verband, um zu erkennen, dass die Diskussion über 10 Jahre alt ist (abgesehen davon finden sich im Netz Hinweise auf den bloggerclub e.V. samt Bloggerkodex, den ich nicht einschätzen kann).
Ziel: Stärkung der Einzelkämpfer
Und doch, es gibt Gründe und Ziele, die für die weitere Vernetzung sprechen – s.o.: Es gibt einen Bedarf an Vielfalt in der lokalen Berichterstattung.
Die konkreten Ziele von irgendwie gearteten Vernetzungsaktivitäten haben wir in unserem Brainstorming so formuliert:
- die Stärkung der Einzelkämpfer, die zur Vielfalt der lokalen Berichterstattung in kleinen räumlichen Einheiten beitragen wollen;
- eine Sichtbarkeitmachung der Szene - da ist was! Das hat Bedeutung!
Wobei sich alle einig waren: Diese Vielfalt braucht auch Grenzen. Sämtliche Aktivitäten sollten sich zunächst an Angebote richten, die Inhalte liefern, die man im weitesten Sinne journalistisch aufbereitet oder "politisch" nennen kann, die aber vor allem vergleichsweise sehr lokal sind (womit der FLURFUNK vermutlich raus wäre – aber wir haben ja noch das derzeit ruhende dresdenwaehlt.de ;-) )!
Zielgruppe sind lokale Onlinemedien
Im nächsten Schritt haben wir über die Zielgruppe sämtlicher zu entwickelnder Maßnahmen gesprochen: Das sind besagte lokale Onlinemedien. Dazu zählen Blogger, Podcaster, Y-Tuber, Online-Magazin- & Zeitungsmacher. Diese sind aus unserer Sicht eher verlagsunabhängig – auch wenn das kein Ausschlusskritierium sein müsste.
Ideen: ein Fellowship, ein Preis, eine Plattform...
Kommen wir zu den Maßnahmen und Ideen, die spontan entstanden sind. Dabei handelt es sich um eine Vorschlagsliste – die, wie man sehen wird, definitiv auf Hilfe von außen angewiesen ist.
1. Vorschlag: Es gibt ein irgendwie geartetes Förderprogramm für einzelne Personen, kurz: ein Fellowship. Als Vorbilder wurden Ashoka genannt, wo sogar Geschäftsideen mit finanziellen Mitteln unterstützt werden, und die Kultur- und Kreativpiloten, bei denen es eher um idelle Unterstützung geht, etwa durch Vernetzung, die Vermittlung von Mentoren oder Fortbildungen.
2. Vorschlag: Es könnte eine Auszeichnung für lokale Onlinemedien geben. Hier wäre sicherlich eine Kriterienliste zu erarbeiten; aber vielleicht bestünde auch die Möglichkeit, sich an einen bestehenden Preis anzugliedern? Als wilde Idee wurde genannt, dass doch die bpb einen Förderpreis im Rahmen des Grimme-Online-Awards finanzieren könnte. Aber sicher gibt es auch andere Journalisten- und Medienpreise, die sich des Themas annehmen könnten. Angesprochen wurde auch mehrfach, dass NRW eine Stiftung für Lokaljournalismus mit dem Namen "Vor Ort NRW" gegründet hat. Könnte mal bitte jemand...
3. Vorschlag: Es entsteht eine gemeinsame Plattform – sichtbar oder vielleicht auch erst einmal intern. Im Rahmen des Seminars entstand etwa eine geschlossene FB-Gruppe, in der sich über Wahlberichterstattung ausgetauscht werden soll. Die Erfahrung lehrt: Wenige Wochen nach so einer Veranstaltung schläft die Aktivität in solchen Gruppen gewöhnlich wieder ein. Abgesehen davon: Es gibt schon jetzt wahnsinnig viele Blogger-Gruppen... Aber:
Wie wäre es, wenn unter Regie oder mit Unterstützung der bpb eine gemeinsame, öffentliche Plattform entsteht? Beispielsweise ein Blog, in dem die Wahlberichterstattung der lokalen Onlinemedien ein weiteres Mal veröffentlicht wird? Oder eine gedruckte Variante: eine Broschüre mit x Beiträgen von lokalen Onlinemedien, die über die Wahl zum EU-Parlament berichten?
Diskutiert wurde außerdem, ob es Sinn machen würde, ein Verzeichnis zu erstellen – Problem dabei: die hohe Fluktuation in der Szene bedeutet hohen Pflegeaufwand.
Stellt Öffentlichkeit her!
Es gab in der Diskussion der oben genannten Punkte noch mehr Ideen, die hoffentlich in einem der anderen teilnehmenden Blogs publiziert werden. Etwa die Forcierung von gemeinsamen Treffen in Institutionen wie Haus Busch. Oder bei #bsen2 (hier der Link zu #bsen1), dass vorrausichtlich Anfang September in Dresden stattfinden wird.
Denn, dass wäre meine Empfehlungen an die teilnehmenden Lokalblogger und -onliner: Nutzt das eigene Medium! Sichtbarkeit entsteht auch darüber, dass alle Beteiligten die Öffentlichkeit mit dem Thema suchen.
Soweit die Zusammenfassung - jetzt bin ich gespannt auf Kommentare und weitere Onlinemedien-Beiträge. Sollte Bedarf bestehen, eine der oben genannten Ideen im Detail auszuführen, stehe ich gern zur Verfügung!
Beiträge anderer Blogger zur #LokOn17 (nachträglich eingefügt, Liste wird laufend ergänzt):
Schwerin-lokal.de: "#LokOn17: Lokale Online-Medien leisten Beitrag zur Medienfreiheit"
die-hunte.de: "Über das Dasein lokaler Onlinemedien"
irondan.de: "Frische Ideen oder stirbt das Lokalblog?"
Mai 5, 2017
Lieber Herr Stawowy,
vielen Dank für Ihren spannenden Beitrag vom bpb-Seminar! Da unsere Stiftung Vor Ort NRW von Ihnen erwähnt wird, möchten wir gerne einige Infos ergänzen.
Die von Ihnen und den anderen Teilnehmerinnen und Teilnehmern angesprochen Fördermöglichkeiten bieten wir teilweise bereits an, auch wenn sie sich nur an Journalistinnen und Journalisten in NRW richten.
Gleiches gilt für den Vor Ort NRW-Preis, den wir in diesem Jahr zum zweiten Mal für innovative lokale Online-Formate und -Projekte vergeben.
Mehr Infos dazu finden Sie unter http://www.vor-ort.nrw
Melden Sie sich bei Nachfragen doch sehr gerne bei uns, wir freuen uns über Input aus der Szene. Und vielleicht inspiriert das ja Initiativen aus anderen Bundesländern. :)
Viele Grüße
Eva Abraham von Vor Ort NRW aus Düsseldorf