“Technischer Fehler”: Focus-Online verbreitet alte Polizei-Meldung

Ein Beitrag zur Diskussion über Fake-News:

Am Mittwoch (22.2.2017) berichtete die Freie Presse über Aufregung in Limbach Oberfrohna wegen einer Meldung bei Focus-Online. Titel der FP-Geschichte: "Veraltete Focus-Meldung über Sexualdelikt sorgt für Verwirrung".

Das Online-Angebote aus München hatte am Montagabend von einem sexuellen Übergriff in Limbach Oberfrohna berichtet. Zitat aus der Focus-Meldung:

"Am Samstagmittag kam es Am Stadtpark zu einer sexuellen Belästigung durch einen Unbekannten. Gegen 12:30 Uhr kam der Geschädigten ein Radfahrer entgegen, hielt auf deren Höhe und lief auf die Frau zu. Er umarmte sie, wobei die Geschädigte schrie und ihn wegstoßen konnte."

Falsches Datum

Die Meldung machte in dem Örtchen mit rund 26.000 Einwohnern ab Dienstag die Runde. So verbreitete die Facebook-Seite "Limbach-Oberfrohna - meine Stadt" mit rund 4.000 Fans die Meldung am Dienstagfrüh.

Dieses Posting ist auf der FB-Seite nach wie vor und unverändert zu finden. Auch die Reichweite "stimmt": Inzwischen ist die Meldung 32x geteilt worden  (s. Screenshot rechts, vom 24.2.).

Am Mittwoch schrieb die Freie Presse zur ursprünglichen Meldung:

"Das jedoch ist falsch, wie Anett Münster, Sprecherin der Polizeidirektion Zwickau, auf Anfrage bestätigt. Am vergangenen Wochenende sei kein entsprechendes Sexualdelikt aus Limbach-Oberfrohna gemeldet worden. Vielmehr habe sich die Tat schon vor Monaten ereignet. Wer die Pressemitteilungen der Zwickauer Polizei aus dem Vorjahr durchstöbert, wird in der Tat fündig: Am 1. August 2016 hat die Polizei eine entsprechende Meldung veröffentlicht."

Technischer Fehler

Daniel Steil, Chefredakteur von Focus Online, bedauert im Gespräch mit FLURFUNK die fehlerhafte Veröffentlichung der Meldung. Und betont, dass es sich nicht um gezieltes Republishing – also erneutes Veröffentlichen von älteren Meldungen zur Steigerung der Seiten-Reichweiten – gehandelt habe.

Steil sagt: "Das war ein technischer Fehler, den wir so noch nicht kannten und mittlerweile behoben haben. Er sollte nicht wieder vorkommen."

Mehr Hintergründe, was genau passiert ist, mag er nicht verraten.

Die ursprüngliche Meldung bei Focus-Online (Titel: "Kripo ermittelt wegen sexueller Nötigung") ist inzwischen mit einem redaktionellen Hinweis versehen.

Zitat:

"Hinweis der Redaktion: Zunächst war diese Meldung bei FOCUS Online mit dem Zeitstempel 20. Februar erschienen. Tatsächlich spielte sich der Vorfall am 1. August 2016 ab. Es handelt sich hierbei um einen technischen Fehler."

Fehler passieren

Branchen-Insider weisen darauf hin, dass auch bei anderen Anbietern schon vergleichbare Fehler vorgekommen und alte Meldungen von den komplexen Redaktionssystemen einfach erneut veröffentlicht worden sind. Gegen eine gezielte Republishing-Maßnahme durch die Focus-Redaktion spricht auch, dass die Geschichte von Focus-Online selbst nicht bei Facebook verbreitet wurde – was die Reichweite ja noch mal erheblich angekurbelt hätte.

Bleibt die Frage: Was tun bei "Fake-News", die durch eine technische Panne in die Welt kommen?

Welche Rolle spielen lokale Facebook-Seiten?

Es gibt noch einen Aspekt, der ebenfalls in die Fake-News-Debatte gehört: Welche Rolle spielen eigentlich Facebook-Seiten wie "Limbach-Oberfrohna - meine Stadt" bei der Bildung der öffentlichen Meinung und der Verbreitung lokaler Informationen?

Auf solchen lokalen Facebook-Seiten werden sehr oft Meldungen ohne jegliche Überprüfung verbreitet (der Fachbegriff lautet kuratieren). Ein kurzer Anruf bei der Polizei-Pressestelle wäre aber für ein richtiges Nachrichten-Angebot Standard.

Nur: Handelt es sich bei dieser Fanpage überhaupt um ein journalistisches Angebot? Man darf das und die Frage, ob sich die Macher der Seite eigentlich ihrer Verantwortung bei der Verbreitung solcher Meldungen bewusst sind, durchaus bezweifeln.

Denn: Die Meldung ist trotz Berichts der Freien Presse und Korrektur durch die Focus-Redaktion in der Gruppe unverändert und unkommentiert online (Stand: 24.2., 23:43 Uhr).

Noch keine Kommentare.

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.