Der Rauswurf eines einzelnen Journalisten der Sächsischen Zeitung beim Landesparteitag der AfD Sachsen am Wochenende in Klipphauen sorgt für viel Kritik an der Partei und ihrem Verständnis von Presse- und Meinungsfreiheit.
Journalisten und Verbände üben scharfe Kritik. Die Morgenpost Sachsen reagiert mit einem Boykott der Berichterstattung. Es gibt auch Stimmen, die die Entscheidung mit dem Verweis aufs "Hausrecht" verteidigen.
Eine Medienschau von Andreas Szabo
AfD-Sachsen Parteitag: Journalist unter Applaus rausgeworfen
Zunächst zum Hintergrund (vgl. FLURFUNK vom 29.01.2017): Die Delegierten des AfD-Landesparteitages Sachsen haben am vergangenen Samstag einen einzelnen Journalisten der Sächsischen Zeitung per Abstimmung von der Veranstaltung ausgeschlossen. Nach dem Antrag eines Mitglieds wurde der Journalist des Saales verwiesen.
Breitschultrige Ordner begleiteten den Kollegen unter Applaus der Delegierten aus dem Saal. Der freie Journalist Thomas Datt hielt die Szene auf Video fest (hier bei Twitter zu sehen).
Der AfD-Delegierte, der den Ausschluss beantragte, begründete diesen mit "Hetzartikeln", die schon Existenzen zerstört hätten und angeblichen Antifa-Aufkleber auf dem Handy des Reporters – was laut Datt und SZ nicht stimmt.
Erst kein Presseausschluss
Zu Beginn des Parteitages war ein Ausschluss der Presse von den Delegierten noch abgelehnt worden, wie Tino Moritz von der Freien Presse bei Twitter berichtete. Er begleitete den Parteitag der AfD in Klipphausen (Landkreis Meißen) an beiden Tagen.
Am Nachmittag des ersten Tages folgte die Wende: Ein einzelner Reporter der Sächsischen Zeitung wurde unter Applaus nach Abstimmung rausgeworfen, während andere Journalisten wie Datt oder Moritz vor Ort weiter ihrer Arbeit nachgehen konnten.
Der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Thomas Hartung hatte sich gegen den Ausschluss des Reporters ausgesprochen. Auch weitere Mitglieder der AfD entschuldigten sich bei dem Journalisten (nachzulesen bei Twitter).
Eine Vertreterin der Landespressekonferenz protestierte noch vor Ort. Auch die DJV-Sachsen-Vorsitzende Ine Dippmann protestierte – via Twitter – am Samstag scharf.
Morgenpost Sachsen druckt leeren Bericht
Die Morgenpost Sachsen, die wie die Sächsische Zeitung zur DDV-Mediengruppe gehört, veröffentlichte am Montagmorgen einen leeren Berichtskasten in ihrer Printausgabe mit der Überschrift "Mut zur Lücke". Im Begleittext erläuterte die Redaktion, dass dort eigentlich über den AfD-Parteitag berichtet werden sollte. Aus Solidaritätsgründen habe man aber auf die Berichterstattung verzichtet.
Schon am Sonntag hatte der der stellvertretende Chefredakteur der Morgenpost und des Onlineportales Tag24, Sebastian Günther, via Twitter angekündigt, dass auf eine weitere Berichterstattung vom Parteitag verzichtet werde.
Auf Tag24 erläuterten die Kollegen ihre Haltung:
"Weil der Parteitag einen einzelnen Redakteur der 'Sächsischen Zeitung' wegen angeblicher 'Hetzartikel' ausschloss, hat Tag24 entschieden, nicht weiter über die Listenwahl zu berichten. Ausgerechnet die Partei mit dem Slogan 'Mut zur Wahrheit' stellt sich quer, wenn nicht nur über ihre 'Wahrheit' berichtet wird. Pressefreiheit beinhaltet aber auch, dass Inhalte geschrieben werden, die den Damen und Herren in der AfD nicht gefallen."
SZ-Chefredakteur Vetterick: "Gesamter Vorgang aus mehreren Gründen inakzeptabel"
Die SZ positionierte sich bereits unmittelbar nach dem Rauswurf klar. In einer ersten Meldung mit dem Titel "SZ-Reporter von AfD-Parteitag ausgeschlossen" war zu lesen:
"Die Redaktion der Sächsischen Zeitung verwahrt sich entschieden gegen die erhobenen Anschuldigungen und protestiert gegen die Behinderung ihrer Berichterstattung.“
Am Montag veröffentlichte die Zeitung einen Kommentar des Chefredakteurs Uwe Vetterick. Unter der Überschrift "Keine Alternative für Deutschland" schreibt Vetterick:
"Der gesamte Vorgang ist aus mehreren Gründen inakzeptabel. Da sind zum einen die erheblichen, ehrverletzenden Vorwürfe. Um welchen oder welche Artikel ging es? Welche Hetze? Wessen Existenz? Der AfD-Parteitag blieb jeden Beweis, ja auch nur Hinweis zu seinem Ausschlussbeschluss schuldig. Fast überflüssig zu erwähnen, dass auf dem Handy des Kollegen kein Antifa-Sticker klebt.
Da ist zum anderen die Rufschädigung und demütigende Behandlung eines Journalisten, den die Redaktion der Sächsischen Zeitung hoch schätzt. Und nicht nur sie. Im vergangenen Jahr wurde er mit dem renommierten Wächterpreis ausgezeichnet. Er hatte gemeinsam mit Kollegen die kleinkriminelle Karriere von Pegida-Gründer Bachmann recherchiert."
Und Vetterick schließt seinen Kommentar mit folgender Feststellung:
"Ein Kernwert des Journalismus ist die Freiheit der Recherche. Vor Ort. Durch Zuhören, durch offenes Fragen. Wer dies verhindern will, ist keine Alternative für Deutschland."
Die SZ selbst verzichtete aber nicht auf eine Berichterstattung vom Parteitag. Vielmehr solidarisierten sich Kollegen von Freier Presse, LVZ und dpa und unterstützten die SZ (s. Tweet).
Die SZ schloss ihren Artikel vom Parteitag (Titel: "Petry verliert Richtungskampf in der AfD") deswegen mit dem Hinweis:
"Die Redaktionen der Freien Presse, Leipziger Volkszeitung und der Deutschen Presseagentur haben nach dem Ausschluss des SZ-Reporters vom Parteitag aus Solidarität ihre Recherchen der Sächsischen Zeitung zur Verfügung gestellt."
Veranstaltung boykottieren und Solidarität zeigen?
Bereits am Samstagnachmittag entbrannte bei Twitter eine Debatte, ob die anderen Reporter vor Ort geschlossen die Veranstaltung verlassen sollten. Der Dresdner Grünen-Politiker Johannes Lichdi plädierte dafür, vor Ort zu bleiben. Ähnlich äußerte sich auch der Tagesspiegel-Journalist Matthias Meissner.
Zumindest unmittelbar nach dem Rauswurf hätten die Kollegen Solidarität zeigen und den Raum ebenfalls verlassen können. Die Reaktionen von Morgenpost, LVZ, Freier Presse, SZ und dpa am Montagmorgen waren dann aber ein starkes Zeichen.
MDR: "Unschöne Szene" und "#Hausrecht"
Für eine etwas größere Welle sorgte der MDR auf seinem Twitterkanal @MDRAktuell, wo der Rauswurf zunächst mit dem Hashtag "#Hausrecht" gerechtfertigt wurde.Die nachfolgende Debatte liest sich spannend: @MDRAktuell legte dabei sogar nach und verteidigte den Tweet und die Entscheidung mit einem Vergleich zum Hausverbot für AfD-Thüringen-Chef Björn Höcke in Buchenwald zum Holocaustgedenktag. Dafür musste man sich einiges an Kritik anhören
Auch in der Berichterstattung zu dem Rauswurf eines Kollegen sprach der MDR in seinem Onlineartikel ("Sachsens AfD-Basis blockt Debatte über Höcke ab") zunächst von einer "unschönen Szene". Diese Formulierung wurde dann später getilgt.
Verstoß gegen geltendes Recht
Ob die Sächsischen Zeitung den Vorgang rechtlich überprüfen lässt, ist uns nicht bekannt. Einen Versuch wäre es wohl wert, denn: Neben der grundgesetzlich festgeschriebenen Meinungs- und Pressefreiheit hält auch das Sächsische Pressegesetz fest:
"§ 1 Freiheit der Presse. (1) Die Presse ist frei. Sie unterliegt nur den durch das Grundgesetz zugelassenen Beschränkungen. Gesetzen, die für jedermann gelten, ist auch die Presse unterworfen. (2) Eine Zensur findet nicht statt. Sondermaßnahmen jeder Art, die die Pressefreiheit beeinträchtigen, sind unzulässig."
Selbst ein angenommenes "Hausrecht", wie vom MDR ins Feld geführt, greift da unseres Erachtens nach nicht. Das müsste aber im Zweifel am Verwaltungsgericht überprüft werden. Denn die Zulassung weiterer Journalisten und der Ausschluss eines Einzelnen würde keiner Behörde oder staatlichen Stelle durchgehen, warum sollte dies für eine Partei möglich sein? Würde dies akzeptiert, wäre der Willkür von Pressesprechern, Parteien und Politiker Tür und Tor geöffnet.
AfD-Bundestagswahl-Kandidat spricht von "Feindsender"
Übrigens: Der von den AfD-Delegierten auf Listenplatz 2 gewählte Kandidat für die Bundestagswahl, der Dresdner Richter und Björn Höcke-Unterstützer Jens Maier, verweigerte dem freien Reporter des MDR nach dessen Angaben ein Interview am Ende des Parteitages.
Die Begründung lässt aufhorchen:
Januar 31, 2017
bitte aktualisieren - AfD hat sich bei der SZ entschuldigt