Gastbeitrag von Andreas Szabo, Redaktionsleiter Radio Dresden
Beim Umgang mit Fahndungsbildern hat der Sächsische Datenschutzbeauftragte jetzt die nächste Eskalationsstufe gezündet. (Hinweis owy, 14.12., 13.23 Uhr: Bitte berücksichtigen Sie unser Update am Ende des Beitrags)
Wie FLURFUNK bereits berichtet hatte, werden Medienhäuser in Sachsen von den Pressestellen der Polizei seit einiger Zeit in weniger schwerwiegenden Fällen gebeten, Bilder nur in regionalen Printerzeugnissen zu veröffentlichen. Der Strafrechtler Udo Vetter hatte das als Eingriff in die Pressefreiheit gewertet, er empfiehlt sächsischen Medienhäusern im Zweifel die Sache auch rechtlich durchzufechten (vgl. FLURFUNK vom 6.12.2016 sowie unser Interview mit dem Leipziger Polizeisprecher Andreas Loepki).
Datenschützer droht Medienhäusern mit Bußgeld
Nun hat der Sächsische Datenschützer die Pressestellen der Polizei zu schärfer formulierten Hinweisen aufgefordert. Darin wird Medienhäusern nun sogar ein Bußgeld angedroht.
In einer aktuellen Pressemitteilung der Chemnitzer Polizei zum Angriff auf einen Busfahrer und der Veröffentlichung von Überwachungsbildern heißt es:
"Unsere Bitte um Veröffentlichung bezieht sich zunächst ausschließlich auf Druckerzeugnisse im Großraum Chemnitz. Wir bitten nachdrücklich darum, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit von einer Veröffentlichung im Internet einschließlich sozialer Netzwerke (facebook) abzusehen.
Gemäß § 16 Abs. 4 SächsDSG darf der Empfänger die übermittelten Daten nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Ohne Einwilligung der übermittelnden Stelle ist eine Verarbeitung für andere Zwecke nicht zulässig. Zuwiderhandlungen stellen eine Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 16 Abs. 4 i.V.m. 38 Abs. 1 Nr. 6 SächsDSG dar."
Im Sächsischen Datenschutzgesetz heißt es konkret:
"Die Übermittlung personenbezogener Daten an natürliche Personen oder nicht-öffentliche Stellen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist zulässig, wenn
1. sie zur Erfüllung der Aufgaben der übermittelnden Stelle erforderlich ist und die Voraussetzungen vorliegen, die eine Nutzung nach § 13 Abs. 1 bis 4 zulassen würden. (…)
(4) Der Empfänger darf die übermittelten Daten nur für den Zweck verarbeiten, zu dessen Erfüllung sie ihm übermittelt worden sind. Die übermittelnde Stelle hat den Empfänger hierauf hinzuweisen. Eine Verarbeitung für andere Zwecke ist nur zulässig, wenn eine Übermittlung nach Absatz 1 zulässig wäre und die übermittelnde Stelle eingewilligt hat.
(5) Die übermittelnde Stelle kann die Übermittlung mit Auflagen versehen, die den Datenschutz beim Empfänger sicherstellen, oder mit diesem Vereinbarungen zur Gewährleistung des Datenschutzes treffen."
Polizeipressestellen sollen Datenschützer über Verstöße informieren
Nach Informationen von FLURFUNK sollen die Pressestellen der Polizei sogar die Arbeit für den Datenschützer machen. Die Pressestellen wurden vom Sächsischen Innenministerium gebeten, mögliche Verstöße beim Sächsischen Datenschutzbeauftragten anzuzeigen. Die Bitte des Ministeriums ging vor einigen Tagen mit dem neuen Textbaustein des Datenschützers für Fahndungsbilder an die Pressestellen.
Hoch aktuell ist die Debatte auch aufgrund des Falles eines Überwachungsvideos aus Berlin. Erst sechs Wochen nach der Tat ist ein Video veröffentlicht worden, das drastisch zeigt, wie eine Frau von einem Mann getreten wird und eine U-Bahn-Treppe hinunterstürzt.
Polizei und Staatsanwaltschaft stehen in der Kritik (vgl. bild.de vom 10.12.2016), weil das Video erst nach langer Zeit als letztes Mittel veröffentlicht wurde. Zudem wird sogar in eigenen Reihen ermittelt, da das Video einen Tag vor der Freigabe für die Medien offenbar der Bild-Zeitung und der B.Z. (vgl. bz-berlin.de vom 9.12.2016) aus Reihen der Polizei zugespielt wurde.
Datenschützer: Gerichtsbeschlüsse werden unterlaufen
Andreas Schneider, Sprecher des Sächsischen Datenschutzbeauftragten, verweist im Gespräch mit FLURFUNK darauf, dass einzelne Medien bewusst immer wieder Gerichtsbeschlüsse bei Öffentlichkeitsfahndungen unterlaufen würden. "Eine Online-Verbreitung ist letztendlich datenmäßig nicht mehr zu beschränken. Die Bilddaten stehen dann nicht selten für unbegrenzte Zeit im Netz, können dupliziert und technisch unbegrenzt weiterverbreitet werden. Es kann aber nicht sein, dass jemand - bei geringen Straftaten - online für alle Zeiten als Täter gesucht wird."
Schneider nennt als rechtliche Grundlage das Kunsturhebergesetz (insbesondere §§ 24 und 33, hier nachzulesen). "Wenn ein Medium andere Bilder nutzt, müssen auch vorab die Rechte geklärt sein. Eine Erlaubnis zur Verbreitung besteht nur abgeleitet von dem richterlichen Beschluss beziehungsweise einer behördlichen Entscheidung der Strafverfolger, die nicht selten nur auf eine Veröffentlichung des Fahndungsaufrufs über Printmedien vorsieht."
Nach abgeschlossenen Fahndungen, also der Zweckerreichung, müssten die Bilddaten auch aus dem Netz entfernt oder verfremdet werden. Hinzu käme, dass durch Öffentlichkeitsfahndungen nicht nur "Täter", sondern auch auch Zeugen oder vermisste Personen betroffen sein können.
Schließlich verweist Schneider darauf, dass auch Öffentlichkeitsfahndungen nach der Strafprozessordnung nicht nur beim Ob, sondern auch in der Art und Weise ihrer Umsetzung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz genügen müssen. Hier seien mehrere Aspekte abzuwägen: Das zu erreichende Ziel der Fahndung, die Schwere der Straftat und die zur Verfügung stehenden anderen Fahndungsmittel oder Tatortspuren müssten im Verhältnis zur Unschuldsvermutung (soweit es sich um einen Täter handelt) und den Persönlichkeitsinteressen des Abgebildeten betrachtet werden. Diese Entscheidung werde grundsätzlich durch einen Richter getroffen, nicht einzelne Medienvertreter.
Lawblogger Udo Vetter: "absurd"
Der Strafrechtsexperte und Lawblog-Betreiber Udo Vetter nannte das Vorgehen des Datenschutzbeauftragen auf FLURFUNK-Anfrage "absurd" und "dreist". Der Datenschützer habe keine Weisungsbefugnis für Polizei oder gar Medienhäuser. "Der Datenschützer muss aufpassen, dass er sich nicht über seine Kompetenzen hinwegsetzt", sagt Vetter.
Das sächsische Datenschutzgesetz sei schon deswegen nicht anwendbar, da es sich bei Medienveröffentlichung um keine Datenverarbeitung handelt, so die Einschätzung des Strafrechtlers. Zudem sticht Bundesrecht (Art 5. GG) Landesrecht, schließt Vetter in einer ersten knappen Reaktion.
Update 14.12.2016, 13.23 Uhr
Der Sprecher des Sächsischen Datenschutzbeauftragten hat in einem Rundschreiben an die Mitglieder der Landespressekonferenz unsere Berichterstattung aufgegriffen und folgende Zeilen formuliert:
"In diesem Zusammenhang hat meine Dienststelle weder Medienhäusern mit Bußgeld gedroht noch Polizei und Staatsanwaltschaft Weisungen erteilt, vgl. den vorbezeichneten Internet-Beitrag. Hinweise des Sächsischen Staatsministeriums des Innern zur Ordnungswidrigkeit im Falle abweichend vorgenommener Internet-Veröffentlichungen durch Medien werden seitens meiner Behörde nicht geteilt."
Hinweis der FLURFUNK-Redaktion: Wir haben eine entsprechende Anfrage an das Sächsische Innenministerium gestellt und warten derzeit auf Antwort.
Dezember 13, 2016
Welche "Weisung" hat denn der Sächsische Datenschutzbeauftragte erlassen? Wenn ich den richtig Text lese, kommt die konkrete Anweisung vom SMI und dieses ist durchaus Weisungsbefugt gegenüber den Medienstellen der Polizei.
Dezember 13, 2016
Hallo, es wäre durchaus hilfreich, ab und an mal darauf hinzuweisen, dass solchen Fahndungsersuchen der Polizei in der Regel ein richterlicher Beschluss zugrunde liegt. Ein Richter hat die Schwere des Eingriffs in Persönlichkeitsrechte von Verdächtigen geprüft. Da sehen die Juristen eben graduelle Unterschiede, ob Fahndungsbilder - und sogar gezeichnete Fantombilder - nur zum Ansehen sind oder zum Weiterverbreiten in der Echokammer. Ich finde, darüber kann man ja erst mal nachdenken, bevor man in den Krieg zieht.