Auf den Jugendmedientagen hielt Tim Wolff, seit 2013 Chefredakteur des Satiremagazins Titanic, einen Workshop zum Thema "Endlich geklärt: Was darf Satire?" Ganz so klare Antworten gab es am Ende dann doch nicht. Trotzdem konnten die Teilnehmer am Ende viel über die Kunstform lernen, die in letzter Zeit für Aufregung gesorgt hat.
Im Flurfunk-Interview spricht Wolff darüber, wo die Unterschiede zwischen Satire und Journalismus liegen und ob Satire schwieriger geworden ist. Fragen zum Fall Böhmermann haben wir uns verkniffen, denn "die nerven in letzter Zeit gewaltig".
Flurfunk: Du sagst, dass sich „richtige Journalisten“ oft über eure Themen aufregen. Bist du nun ein falscher Journalist bzw. würdest du die Titanic als Journalismus einordnen?
Tim Wolff: Satire bewegt sich immer zwischen Journalismus und Kunst. Als Satiriker braucht man das journalistische Rüstzeug. Denn man will ja oft Journalisten parodieren, dann muss man auch wissen, wie die ticken. Außerdem muss man natürlich gute Texte schreiben können, die das Publikum dann auch lesen will.
Am Ende ist es unsere Aufgabe, journalistische Texte zu imitieren – aber vielleicht nicht unbedingt zu ersetzen.
Flurfunk: Was ist deine persönliche Motivation, Satire zu betreiben?
Tim Wolff: Die Meisten Satiriker sehen irgendwo einen Bruch in der Welt, etwas, was stört. Und sie können leichter damit umgehen, wenn sie sich darüber lustig machen. Oft sind Satiriker Menschen, die irgendwo gescheitert sind und ihr Heil darin sehen, sich eben über die Welt lustig zu machen.
Seien wir mal ehrlich: Wenn man das Leben zu hundert Prozent ernst nimmt, müsste man sich eigentlich gleich umbringen. Wir Menschen sind die einzigen Säugetiere, die immer wissen, dass sie irgendwann sterben müssen. Man kann nun also entweder erstarren und in Panik verfallen – oder man nimmt’s mit Humor. Satire ist meine ganz persönliche Art, mit einer verrückten Welt umzugehen.
Flurfunk: Über welche Reaktion auf eure Arbeit freust du dich am meisten?
Tim Wolff: Meine Lieblingszuschriften sind solche mit dem Tenor, wir seien die einzigen, die die Welt erträglich machen würden. Das motiviert uns für unsere Arbeit natürlich besonders.
Wenn sich von uns Getroffene dann noch ordentlich darüber ärgern, ist das aber auch super. Online freue mich, wenn unser Witz noch weitergesponnen wird – zum Beispiel in sozialen Netzwerken. Dann wissen wir, dass wir einen Nerv getroffen haben.
Flurfunk: Was ist ein Garant für Aufregung?
Tim Wolff: Wenn man auf einen einfachen Kalauer hinauswill, ganz klar Hitler. Die Deutschen lieben Hitler einfach.
Ansonsten gehen Religionen immer, besonders gegen das Christentum. Im Streit mit dem Vatikan haben wir in den vergangenen Jahren großartige Erfahrungen gemacht. Gegen den Islam geht das gar nicht so gut, Muslime sind da noch eher zurückhaltend.
Flurfunk: Du hast gesagt, die NDR-Satiresendung extra 3 ist dir oft zu moralisch. Muss gute Satire unmoralisch sein?
Tim Wolff: extra 3 präsentiert eine Aussage häufig einfach in einem lustigen Kontext, anstatt einen Witz darüber zu machen. Außerdem schwingt da oft der Wunsch mit, die Welt zu verändern. Das ist aber nach meiner Auffassung nicht erstes Ziel von Satire. Es nimmt den Spaß und überzeichnet Sachverhalte stattdessen unnötig. Deswegen glaube ich, dass sich Satiriker unmoralisch geben müssen und auch dahingehen sollten, wo sich eigentlich alle einig sind. Witze über die Rechten zu machen, ist einfach, da ist dir dann auch keiner böse.
Die Titanic kommt ja auch aus dem eher linken Milieu. Trotzdem haben wir immer wieder gegen „die Guten“ geschossen. Denn es ist nicht schwer, sich auf seiner Moral auszuruhen und sich klüger zu fühlen.
Flurfunk: Ist Satire heute leichter oder schwerer als früher? Regen sich die Leute nicht mehr so leicht auf?
Tim Wolff: Das Personal in der Politik ist mittlerweile geschulter, was Satire angeht. Die Meisten wissen, dass der beste Umgang mit Satire ist, sie zu ignorieren.
Außerdem gibt es nicht mehr so große, homogene Gruppen wie früher und stattdessen viele kleine Gruppierungen mit ihrem eigenen Weltbild. Es gibt also keinen großen Wissensschatz mehr, auf den man bauen kann. Das spielt uns nicht gerade in die Karten, denn jeder Witz basiert auf Vorwissen. Und es gibt immer weniger Vorwissen, das wir breiten Bevölkerungsschichten unterstellen können.
Ich würde also schon sagen, dass Satire schwerer geworden ist.
Flurfunk: Vielen Dank für das Gespräch!
Interview: Benjamin Kutz
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