Anfang vergangener Woche zogen wir einen Briefumschlag ohne Absender aus dem Briefkasten. Darin: Der zweiseitige Ausdruck einer Mail von DDV-Geschäftsführer Carsten Dietmann vom 23.6.2016. Überschrift: "Achtung – Gewinnwarnung".
Tenor der internen Mail, die offenkundig nicht zur Veröffentlichung vorgesehen war: Das Anzeigengeschäft bei "Morgenpost" und "Sächsischer Zeitung" sei wider erwartend seit Mitte April um fast 1 Mio. Euro im Vergleich zum Vorjahr eingebrochen. Alle Führungskräfte müssten nur prüfen und schauen, wo gespart werden könne, aber auch, wo noch Umsatz zu machen sei.
Außerdem mit im Umschlag: Ein Anschreiben, dass einen Bezug zwischen den geforderten Anstrengungen und dem Urteil des Kartellamts von Ende 2015 herstellt. Damals hatten "Freie Presse", der Verlagsgruppe Monschau und eben die DDV Strafen in Höhe von insgesamt 12,44 Mio. Euro zu zahlen (vgl. Flurfunk vom 8.12.2015: "Kartellamt: Strafe über 12,44 Mio. Euro für Einstellung von 'WochenSpiegel Sachsen' und 'Sächsischer Bote'") – nun habe die Belegschaft, so das Anschreiben, erneut fehlendes Geld zu erwirtschaften.
Die anonyme Post ging nicht nur an uns. Anfang dieser Woche (18.7.2016) berichtete bereits das Branchenportal Meedia über Dietmanns Gewinnwarnung (Titel: "'Gewinnwarnung' bei der Sächsischen Zeitung: G+J-Beteiligung büßt massiv Anzeigenumsatz ein"). Zitat:
"Dass es zu betriebsbedingten Kündigungen oder gar einem größeren Stellenabbau kommen wird, könne Dietmann auf Nachfrage von MEEDIA derzeit ausschließlichen. 'Trotz des Begriffs der Gewinnwarnung gehen wir derzeit nicht davon aus, dass wir das laufende Geschäftsjahr mit einem negativen Ergebnis abschließen werden', so der Manager."
Die Geschichte hinter der Geschichte
Heute hat nun auch die geschätzte Kollegin Ulrike Simon das Thema aufgegriffen - und nimmt aus unserer Sicht die treffendere Einordnung vor. Titel der Meldung im rnd-news-Blog: "Verstimmt in Dresden".
Simon stellt aus unserer Sicht die richtigen Fragen:
"Ist in dieser Lage nicht verständlich, dass sich die Stimmung im Haus dreht und gegen jene richtet, die die millionenschwere Kartellstrafe zu verantworten haben? 'Wie man hört', schreibt der Anonymus, habe das Unternehmen sogar die angeblich sechsstellige Summe übernommen, die gegen die beiden Geschäftsführer persönlich verhängt worden sei, also gegen Dietmann und Oliver Radtke, bei G+J unter Verlagschefin Julia Jäkel und neben Stephan Schäfer Mitglied der Konzernführung."
Und weiter:
"Dietmann versicherte mir im Gespräch, kein einziger Mitarbeiter habe unter der Strafzahlung gelitten. Dasselbe gelte jetzt. Das Bußgeld sei in der Bilanz des Geschäftsjahrs 2015 von jener Summe abgezwackt worden, die als Gewinn an die Gesellschafter G+J und DDVG geflossen ist. In Dresden hätte man folglich so oder so nicht darüber verfügen können."
Und doch bleiben Fragen
Aus unserer Sicht eine plausible Darstellung, die auch zu unseren Eindrücken von der wirtschaftlichen Situation des Hauses passen. Und doch sind da noch ein paar Fragen offen - wie es auch Simon in ihrem Beitrag im Grunde zum Ausdruck bringt:
Wie kann es eigentlich sein, dass eine Kartellamtsstrafe über 12,44 Mio. Euro bei allen beteiligten Unternehmen (zumindest nach unserem Kenntnisstand) komplett ohne Konsequenzen bleibt? Offenkundig – und das war uns auch neu – beinhaltete die Strafe ja auch hohe persönliche Summen für die beteiligten Manager.
Wenn also die Gesellschafter und Eigentümer keine Konsequenzen ziehen – bedeutet das im Umkehrschluss, die Manager hatten Rückendeckung?
Wie aber passt das – zum Beispiel – zur Philosophie des DDV-Gesellschafters ddvg, der immerhin zur SPD gehört, der laut eigenem Bekunden "zum Erhalt einer lebendigen mittelständischen Presselandschaft" beitragen will?
Wir sind sehr gespannt, was uns demnächst noch so für Post erreicht.
Juli 22, 2016
Vorhang zu und alle Fragen offen - genau so ist es! Eine wirklich bittere Nachricht für die vielen fleißigen Mitarbeiter von DD+V, die nun ausbaden müssen, was andere verbockt haben. Und wer sollte wirklich glauben, dass es zwischen den Kartell-Strafen für die Verlagen und fehlenden finanziellen Mitteln keinen Zusammenhang gibt? Aber vielleicht ist es auch gut, wenn sich die Wut der Mitarbeiter jetzt gegen ihre Führungsspitze richtet. Von Seiten der Gesellschafter scheinen diese ja alle Freiheiten zu haben. Illegale Absprachen? Kein Problem! Millionenstrafen? Ach, was soll's! Lässt ein kleiner Mitarbeiter mal einen Kugelschreiben mitgehen, gibt es bestimmt die Kündigung. Das nachgewiesene Fehlverhalten der Manager hätte anderswo zu sofortigen Entlassungen oder zumindest freiwilligen Rücktritten geführt. Aber bei den großen Medienhäusern in Chemnitz und Dresden scheint das den Karrieren der Geschäftsführer keinen Knick zu bescheren. Wie heißt das Sprichwort doch? "Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen."