Einige Anmerkungen zur Facebook-Sperre für Pegida

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Screenshot von der Pegida-Facebook-Fanpage (Stand: 19.7.2016)

Screenshot von der Pegida-Facebook-Fanpage (Stand: 19.7.2016)

Update 19.43 Uhr (zwei Minuten nach Veröffentlichung): Die Pegida-Fanpage ist wieder erreichbar.

"Leider ist dieser Inhalt derzeit nicht verfügbar" - das ist der Text, der erscheint, wenn man zur Stunde (19.7., 18 Uhr) die Facebook-Fanpage von Pegida (https://www.facebook.com/pegidaevdresden) anklickt. Wie auf der Facebook-Seite von Pegida-Mitorganisator Siegfried Daebritz nachzulesen ist, ist die Pegida-Fanpage seit heute gesperrt (zuerst gelesen bei Radio Dresden).

Aus dem Posting von Daebritz ist nicht erschichtlich, welche Meldung konkret zur Sperrung der Seite geführt hat und ob es sich um eine dauerhafte Sperrung handelt. Nach unserem Kenntnisstand wird die Pegida-Seite permanent von Nutzern gemeldet – Grund könnte also etwa sein, dass eine einzelne Meldung vermehrt von Nutzern gemeldet wurde, dass FB dieses Mal reagiert hat.

In den Kommentarspalten bei Daebritz vermuten viele Pegida-Anhänger, Facebook habe auf die vorgestern von Justizminister Maas bekannt gewordenen Drohung reagiert, endlich mehr gegen Hasskommentare und Hassbotschaften im Netz zu tun (vgl. tagesschau.de vom 17.7.2016: "Maas droht Facebook"). Das erscheint im Bereich des Möglichen; genausogut könnte es sich aber auch um einen zeitlichen Zufall handeln (zur Einschätzung siehe unten).

Die Gemeinschaftsstandards von Facebook sind vermutlich den wenigsten Nutzer wörtlich bekannt. Dabei bilden sie aus Sicht des Unternehmens die Grundlage für Löschvorgänge von Seiten, die gegen diese Standards verstoßen. Facebook geht dabei - nach eigenem Bekunden - nie offensiv vor, sondern reagiert auf Meldungen durch Nutzer.

In den Gemeinschaftsstandards heißt es unter der Überschrift "Hassbotschaften" u.a.:

"Facebook entfernt sämtliche Hassbotschaften, d. h. Inhalte, die Personen aufgrund der folgenden Eigenschaften direkt angreifen:

  • Rasse,
  • Ethnizität,
  • Nationale Herkunft,
  • Religiöse Zugehörigkeit,
  • Sexuelle Orientierung,
  • Geschlecht bzw. geschlechtliche Identität oder
  • Schwere Behinderungen oder Krankheiten.

Die Präsenz von Organisationen und Personen, die Hass gegen diese geschützten Gruppen schüren, ist auf Facebook nicht zulässig. Wie bei allen unseren Standards vertrauen wir darauf, dass unsere Gemeinschaft uns entsprechende Inhalte meldet."

Die Facebook-Fanpage von Pegida hatte zuletzt 204.826 Fans (Stand laut SocialBench vom 18.7.2016, Tendenz in der vergangenen Woche leicht sinkend, ansonsten in den vergangenen Wochen knapp über die 200.000er Marke stagnierend).

 

Zu der Sperrung der Seite einige Anmerkungen:

I.

Wie bei einem Workshop im deutschen Facebook-Unternehmenssitz in Berlin Ende Mai zur Vorstellung der Initiative für Zivilcourage Online (IOOC) deutlich wurde, laufen in dem sozialen Netzwerk regelrechte Melde-Schlachten. Ich hatte das Vergnügen, mit unserem Projekt asylfakten.de zum Workshop eingeladen zu sein. Ist eine Seite ersteinmal gelöscht, ist es kaum möglich, die gleiche Fanzahl wieder zu erreichen. Davon wussten mehrere Teilnehmer des Workshops aus eigener (leidvoller) Erfahrung zu berichten.

Im Rahmen des Workshops wurde nicht transparent, wie viele Mitarbeiter Facebook in diesem Bereich beschäftigt und ob die Meldefunktion zuerst durch einen Algorithmus bearbeitet wird, bevor eine natürliche Person involviert ist. Die Vermutung, dass die Meldung zunächst automatisiert verarbeitet wird, liegt nahe, wenn man sich die Masse der Postings anschaut, die täglich bei Facebook eingehen. Unter den Teilnehmern des Workshops wurde auch spekuliert, dass eine Meldung zunächst in Irland verarbeitet wird (dort hat Facebook in Europa seinen Hauptsitz).

Daraus leiten wir ab: Die Spekulation, Facebook habe die Pegida-Seite auf Druck der Bundesregierung abgeschaltet, erscheint uns ziemlich unwahrscheinlich.

Zum Thema gleich noch ein Lesehinweis: Ein kleiner Überblick zur Lösch-Problematik war am 6.6.2016 bei Spiegel.de zu lesen: "Facebook: Sperr-Attacken von rechts". Dort berichtet auch ein Teilnehmer des FB-Workshops. Allerdings teile ich nicht die Einschätzung des Berichts, "die anwesenden Seitenbetreiber haben nun einen direkten Draht zu Facebook."

II.

Facebook funktionierte für Pegida seit Gründung wie ein eigenes Medium. Insbesondere in der Anfangszeit sperrte sich Pegida komplett gegenüber Medien, zentrale Informationen liefen primär über die Facebook-Seite. Mit dem Schritt, Pegida (vorrübergehend?) die Seite zu nehmen, bekommt die zuletzt von Streit erschütterte und bei den Teilnehmern der wöchtenlichen Demonstrationen stark schwächelnde Organisation einen schweren Schlag.

Unsere Prognose: Sollte die Seite dauerhaft gelöscht werden, was nicht unwahrscheinlich ist, wird eine vergleichbare Seite kaum wieder die gleiche Fanzahl erreichen (mal so am Rande: Die gestern bei Pegida vorgestellte "Partei" FDDV hat zur Stunde 27 Fans bei Facebook).

III.

Wie oben schon erwähnt, hat Bundesjustizminister Heiko Maas dem Konzern Facebook jüngst gedroht, weil Zusagen im Kampf gegen Hass im Netz nicht eingehalten würden.

Zitat aus dem oben schon erwähnten tagesschau.de-Bericht:

"Maas moniert demnach, dass 'noch immer zu wenig, zu langsam und zu oft auch das Falsche gelöscht' werde. Meldungen problematischer Beiträge durch Nutzer müssten genauso zügig und sorgfältig bearbeitet werden wie solche von Organisationen."

Sollte Facebook die eigenen Zusagen nicht einhalten, so tagesschau.de, habe Maas mit einer Regulierung auf europäischer Ebene gedroht. Regulierung heißt in dem Falle: Gesetzliche Regelungen, die das Handeln von Facebook beschränken - vorstellbar wäre möglicherweise ein Modell, wie man es vom öffentlich-rechtlichen Rundfunk kennt.

Die zentrale Frage ist: Lässt sich so eine Regulierung noch vermeiden?

Die Löschung der FB-Seite von Pegida zeigt das ganze Dilemma des Themas auf: Einerseits kann es nicht sein, dass von Seiten wie Pegida (die im Vergleich zu manchem Angebot noch "harmlos" daher kommen) Fremdenhass geschürt wird und die Toleranz unserer Gesellschaft genutzt wird, um Intoleranz zu verbreiten.

Im Rahmen des FB-Workshops wussten Teilnehmer auch zu berichten, dass auf der Seite manchmal grenzwertige Posting erscheinen, die nach zwei Stunden wieder gelöscht würden – um eben der Sperre durch Facebook zu entgehen. Manch einer forderte, gesonderte Rechte beim Melden von Seiten zu bekommen (ich habe mir an der Stelle den Hinweis verkniffen, dass ich vom Modell Blockwart 2.0 nicht so viel halte).

Andererseits kann es nicht sein, dass ein in den USA beheimateter Konzern wie Facebook entscheidet, wo die Intoleranz-Grenze unserer Gesellschaft zu ziehen ist – zumal der Konzern international unterwegs ist und in den USA oder Saudi-Arabien ganz andere Toleranzgrenzen gelten (man nehme nur mal das Thema Nacktheit).

Was also sind die Interessen der Bürger, wie sollte die Politik agieren: Sollen die Feinde der Demokratie weiterhin im Netz ungehemmt Hetze verbreiten dürfen – die Meinungsfreiheit ausnutzend und permanent die Grenzen auslotend? Müssen wir wirklich alles ertragen?

Oder sollte ein Konzern entscheiden, wann eine Grenzüberschreitung vorliegt?

Es sind spannende Zeiten - warten wir mal ab, wie es weitergeht.

3 Kommentare
  • Kurt
    Juli 20, 2016

    Sollen Feinde der Demokratie weiter ungehemmt Hetze im Nezt verbreiten dürfen, fragt der Herr Stawowy, der im letzten Bürgerdialog in der Kreuzkirche einem Srpecher das Wort entzog unter Berufung auf die Verhinderung von Wortergreifungsstrategien der Rechten.
    Da erübrigt sich eigentlich schon die folgenden Frage nach der Definition.
    Was verteht wer unter Demokratie? Was versteht wer demnach unter Feind der Demokratie? Was versteht wer unter Hetze im Allgemeinen und unter Hetze im Netz im speziellen? Und warum sollte sie bekämpft werden müssen?

    Die USA haben eine sehr weitreichende Meinungsfreiheit bis hin zu straffreien öffentlichen Holocaustleugnung. Warum ist in diesem Staat die Diktatur immer noch nicht ausgebrochen? Das ist doch das beste Beispiel, dass Meinungsfreiheit und der offene Austausch einer Demokratie nur förderlich ist.

    Ebenso hat der ungehinderte Zugriff auf Pegida-Inhalte, ob auf Facebook oder youtube, n i c h t zu einem erhöhten Zulauf geführt. Selbst die NPD-Website ist problemlos zugänglich. Und wieviel Erfolg hat die bei den Menschen?

    Im Interesse der Bürger ist es, die Meinungsfreiheit nicht zu beschneiden! Auch wennd er Herr Stawowy und seine politischen Freunde noch so sehr davon träumen, Sachwalter der "Interessen der Bürger" sein zu wollen (sprich Zensur auszuüben). Wir haben Gerichte, die sehr gut entscheiden können, wann eine Grenzüberschreitung vorliegt.

    Ich möchte nicht von Euch vor "Hetze im Netz" beschützt werden. Ich bin ein mündiger Bürger. Deshalb verbitte ich mir eure Bevormundung. Was bildet ihr euch ein, wer ihr seid?

  • Norbert
    Juli 24, 2016

    Die Löschung der Seite von Pegida besagt eigentlich alles. Man verstößt hier permanent gegen das Grundgesetzt zur Demokratie und Meinungsfreiheit.
    Man hätte können einzelne Nachrichten löschen, welche wirklich Gegen die Sitten sprechen, aber nicht generell die Seite. Hier standen über 200.000 Menschen dahinter.
    Wie lautete der Spruch von Rosa Luxemburg?
    "Freiheit ist die Freiheit der Andersdenkenden".
    Ich empfinde die Löschung der Seite wie 1933 die Bücherverbrennung.
    Unsere Regierenden dulden keine Kritik, auch wenn fast ganz Europa Deutschlands Politik kritisiert.
    Erduan wird als Despot dargestellt (wenn auch von unserer Kanzlerin mit vorgehaltener Hand), hier in Deutschland steuern wir auf die gleiche Situation zu.
    Ich vermute, man wird auch meinen hier geschriebenen Kommentar löschen.

  • owy
    Juli 25, 2016

    @Norbert:

    Das Regelwerk, auf dass Sie sich beziehen, heißt "Grundgesetz".

    Auch wenn die Löschung der Seite tatsächlich hochgradig problematisch ist (s. unsere Argumentation oben), so liegen Sie mit Ihrer Argumentation doch völlig falsch. Tatsächlich ist nämlich niemanden die Meinungsfreiheit eingeschränkt worden, jeder der 200.000 kann sich weiterhin frei öffentlich - ob im Netz oder auf der Straße - äußern. Pegida ist lediglich ein Kommunikationsplattform genommen worden, es gibt bereits Ersatz. Ein Grundgesetzverstoß sähe anders aus.

    Im übrigen der Hinweis: Wir leben in einem Rechtsstaat. Wenn sich jemand in seinen (Grund-)Rechten eingeschränkt oder verletzt sieht, kann er dagegen klagen.

    Ihr Satz: "Ich empfinde die Löschung der Seite wie 1933 die Bücherverbrennung."

    Diese Aussage offenbart eines der zentralen Probleme, wie wir sie in unserer Gesellschaft gerade haben: Sie haben offenbar jedes Maß verloren. Mitnichten ist die Löschung einer von X Millionen Facebook-Seite mit der Bücherverbrennung von 1933 zu vergleichen! Wenn Sie sich einmal mit den Ereignissen von 1933 auseinandersetzen würden, würde Ihnen das sicher schnell bewusst werden.

    "Unsere Regierenden dulden keine Kritik, auch wenn fast ganz Europa Deutschlands Politik kritisiert."

    Mindestens der erste Teil der Aussage ist ja wohl komplett falsch - dafür muss man nur täglich in die Tageszeitung oder ins Internet schauen.

    "...hier in Deutschland steuern wir auf die gleiche Situation zu."

    Weil ein amerikanischer Konzern eine Seite im Internet löscht? Nicht alles was hinkt, ist ein Vergleich.

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