Der Beitrag über den Blaulicht-Paparazzo Rico Löb, erschienen in der aktuellen Funkturm-Ausgabe in der Strecke "Kleine Macher" (S. 82-89), sorgte nach der Veröffentlichung im Dezember 2015 für Unmut. Von seinen ehemaligen Mitstreitern erreichte uns eine Beschwerde-Mail samt vorgeschriebener "Richtigstellung".
Da die vorformulierte Richtigstellung mit Tatsachenbehauptungen gespickt und mit "Die Redaktion" (damit waren wir gemeint) unterschrieben war, stand eine Veröffentlichung für uns nicht zur Disposition. Trotzdem blieb die Frage: Haben wir Rico Löb und das Projekt Blaulicht-Paparazzo.de falsch dargestellt?
Eine Recherche von Sebastian Martin.
Diesmal brennt es in Cunnersdorf bei Kamenz. Ein Carport steht in Flammen. Das Feuer droht zudem, auf das angrenzende Wohnhaus überzugreifen. Als Blaulichtreporter weiß Rico Löb: Die Bilder könnten Geld bringen. Deshalb steigt er in dieser Januarnacht aus dem warmen Bett und ins kalte Auto. Doch die 20 Kilometer lange Fahrt von Pulsnitz lohnt sich diesmal nur bedingt. Denn Rico Löb ist nicht der Einzige, der seine Kamera auf die Flammen richtet und mit den Feuerwehrleuten spricht. Auch Jonny Linke ist vor Ort.
Beide kennen sich gut. Gemeinsam mit Rocci Klein haben sie bis vor kurzem die Medien mit Katastrophenbilder beliefert sowie das Portal www.blaulicht-paparazzo.de betrieben. Das berichtet immer dann, wenn es im Landkreis Bautzen irgendwo brennt oder auf den Straßen knallt. Auch über Übungen der Feuerwehren informiert es die Leser detailliert. Nach eigenen Angaben steht dabei immer die Arbeit der Einsatzkräfte im Fokus, Fotos von blutüberströmten Personen sind tabu.
Die Geschichte im Funkturm
Das Angebot kommt an – nicht nur bei den Feuerwehren, die die Berichte angeblich sogar zur Weiterbildung nutzen. In Spitzenzeiten sollen bis zu 20.000 Besucher täglich die Inhalte der Website angeklickt haben. Der Facebook-Account zählt sogar mehr als 24.000 Fans. Es ist ein kleines Erfolgsprojekt – außerhalb der Aktivitäten der großen Medienhäuser.
Doch der Bericht über Blaulicht-Paparazzo Rico Löb in Funkturm Nr. 2 löst Unmut aus – vor allem bei Jonny Linke und Rocci Klein, die ihre Bilder seit dem vergangenen Jahr selbst vermarkten und bei www.roccipix.de veröffentlichen. Sie fühlen sich diskreditiert, weil sie mit keiner Silbe in dem Beitrag erwähnt werden.
Ihre Forderung nach einer Richtigstellung dürfte aber wenig Aussicht auf Erfolg haben. Denn der Bericht im Funkturm ist prinzipiell nicht falsch. Wie beschrieben, ist Blaulicht-Paparazzo heute mehr oder weniger ein Ein-Mann-Projekt.
Allerdings: Eine zweite Quelle, die für Qualitätsjournalismus essentiell ist und in unserer Recherche vernachlässigt wurde, hätte uns darauf aufmerksam machen können, dass Jonny Linke und Rocci Klein das Projekt ab 2012 mitaufgebaut und erfolgreich gemacht haben.
Von Kollegen zu Rivalen
Drei Jahre habe er das Portal unterstützt, sagt Linke. Als Blaulicht-Paparrazzo sei er meist in der Kamenzer Ecke unterwegs gewesen, Rocci Klein rund um Bischofswerda und Rico Löb in Bautzen und Umgebung. Man habe sich abgesprochen, wer zu welchem Einsatz fährt. Heute ist das anders. Heute sind er und Rico Löb Rivalen. Vor dem brennenden Carport in Cunnersdorf konkurrieren sie um die besten Bilder und Informationen. Außerdem geht es um Schnelligkeit. Denn nur was die Medien veröffentlichen, wird honoriert.
Irgendwann habe es Streit wegen des Geldes gegeben, erzählt Jonny Linke weiter. Löb, der die Finanzen kontrollierte, habe ihm und Rocci Klein lange Zeit einen vierstelligen Betrag vorenthalten – obwohl sie mündlich vereinbart hätten, dass sämtliche Einnahmen durch drei geteilt werden. Rico Löb bestätigt, dass er den beiden Geld geschuldet habe. Doch er hätte sie um Verständnis gebeten. Schließlich hätten sie ja ihre regulären Jobs gehabt. Als Einziger der drei hätte er damals ausschließlich von dem Projekt leben müssen, sagt der 25-Jährige. Das Argument lässt Jonny Linke nicht gelten. "Er hat über seine Verhältnisse gelebt", kontert der 24-jährige Landwirt. Löb betont dagegen, dass er damals eine 6.000-Euro-Strafe abzahlen musste. Die kassierte er nach eigenen Angaben für eine Urheberrechtsverletzung, die er in seiner Zeit bis Ende 2012 als freier Mitarbeiter bei Ostsachsen TV begangen habe.
In dieser Zeit sei auch die Idee für www.blaulicht-paparazzo.de entstanden, sagt Löb. Schon seit Jahren verdiente er, der selbst aktiver Feuerwehrmann ist, sich Geld dazu, in dem er den Medien detaillierte Berichte und Fotos von den Einsätzen der Rettungskräfte schickte. Nun wollte er seinen kompletten Lebensunterhalt damit finanzieren – und ein durchaus lukratives Geschäftsfeld erobern.
Das Geld mit Blaulicht-Fotos
Es gibt Blaulichtreporter in Sachsen, die von sich behaupten, sehr gut von ihrer Arbeit leben zu können. Allerdings sei die Qualität entscheidend und man müsse sich untereinander absprechen, damit man sich nicht in die Quere kommt, heißt es unter vorgehaltener Hand. 200 Euro könne man für im Fernsehen ausgestrahlte Bilder erhalten. Zeitungen würden dagegen deutlich weniger zahlen. Für gedruckte Fotos würden die Verlage zwischen zehn und 60 Euro überweisen, erzählen Branchenkenner. Für eine Galerie im Internet soll es noch einmal extra Honorar geben. Allerdings wird nicht alles hochgeladen oder gedruckt. Jede Fahrt und jede investierte Minute sind ein finanzielles Risiko.
Rico Löb suchte sich Mitstreiter für sein geplantes Projekt, um das Risiko zu minimieren. Mitte 2011 kam er mit Jonny Linke ins Gespräch. Der interessierte sich fürs Fotografieren und teilte die Leidenschaft für die Feuerwehr – obwohl er im Gegensatz zu Löb selbst kein Mitglied ist. Und es gab noch eine entscheidende Gemeinsamkeit: Beide wurden von Bekannten regelmäßig gefragt, wohin die Truppe eigentlich beim letzten Martinshorn ausrückte. Diese Informationslücke hätten sie schließen wollen, sagt Linke. Zudem wollten sie das weit verbreitete Vorurteil ausräumen, dass in den Gerätehäusern nur gesoffen wird. Sie wollten die Arbeit und Bedeutung der Feuerwehren in den öffentlichen Fokus rücken.
Zunächst ging es steil bergauf
2012 holte Linke nach eigenen Angaben noch Rocci Klein zu den Blaulicht-Paparazzi, damit sie ein noch größeres Gebiet abdecken konnten. Drei Jahre sei es von da an steil bergauf gegangen – bis das Projekt 2015 auseinander ging und die ehemals besten Freunde wie heute beim Einsatz in Cunnersdorf sich als Konkurrenten begegnen. Für beide eine ärgerliche Situation. Denn die Einnahmen für die an die Medien verkauften Fotos und Informationen werden dadurch geringer.
Am nächsten Tag wird zum Beispiel die "Sächsische Zeitung" in Kamenz einen Online-Artikel veröffentlichen, der mit einem Foto von Jonny Linke bebildert ist. Nach welchen Kriterien die Auswahl erfolgte, verrät Lokalchef Frank Oehl nicht. Er verweist auf die Redaktionsinterna. Unklar bleibt also, ob das erste Foto im Emailfach oder das mit der besten Qualität genommen wurde. Für Rico Löb spielt das keine Rolle mehr. Für ihn bleibt diesmal nur das Geld für die im Artikel verwendeten Informationen, wie sein Kürzel verrät. Aber wenigstens konnte er wie Jonny Linke mindestens noch ein Foto an Alles-Lausitz.de verkaufen, die diesmal anscheinend keinen eigenen Blaulichtreporter vor Ort hatten. (Hinweis: In einer ersten Fassung stand hier "Lausitz News" - wir bitten den Fehler zu entschuldigen. 13.3.2016, 23.43 Uhr, owy)
Unser Fazit
Zugegeben, nach der Kritik an unserer Funkturm-Geschichte haben wir uns sehr über uns selbst geärgert: Wir hätten am Anfang weitere Quellen bei der Vor-Recherche einbeziehen können. Andererseits handelt es sich bei der gedruckten Geschichte um ein Ein-Seiten-Porträt über Rico Löb, der heute allein für das Projekt Blaulicht-Paparazzo steht. Daran ist nichts falsch. Die Darstellung der Historie des Projektes ist in unserem Text sicher nicht vollständig (kann sie das überhaupt sein?), zur Darstellung des Ist-Standes aber auch nicht zwingend erforderlich.
Abgesehen davon: Auch nach unserer vertieften Recherche bleiben viele Fragezeichen, die wir – hätten wir die Recherche im Vorfeld gemacht – nicht hätten auflösen können. Vielleicht trägt dieser Text aber dazu bei, aus Sicht aller Beteiligten eine vertiefende Darstellung zu erreichen.
Die Geschichte wird uns so oder so eine Lehre sein: In Zukunft werden wir unsere Porträt-Kandidaten vorher genauer und mit ergänzenden Quellen durchleuchten.
Kommentar hinterlassen