Ist der Wechsel des MDR-Thüringen zum Hessischen Rundfunk (HR) wirklich eine Option? Die Gerüchteküche brodelt schon länger. Bereits Anfang Oktober (2.10.2015) titelte die "Thüringer Allgemeine" in einem Beitrag: "Streit um MDR: Geht Thüringen zum Hessischen Rundfunk?" und deutete damit an, dass die Thüringer Staatskanzlei diese Option angeblich prüft.
Hintergrund: Die Thüringer Landesregierung fühlt sich bei der Reform "MDR 2017" benachteiligt. So soll der Sender durch den Ausbau von trimedialen Standorten zukunftssicher gemacht werden. Bei diesen Plänen profitieren vor allem Sachsen und Sachsen-Anhalt, so die Interpretation der Thüringer Staatskanzlei.
Für Ärger sorgt vor allem der Plan, ein digitales Kinderradio beim Hörfunk in Halle anzusiedeln – statt beim Kinderkanal in Erfurt. Inzwischen fordert die Thüringer Landesregierung eine Novellierung des MDR-Staatsvertrages, um die Ressourcenverteilung neu zu definieren.
Am 13.10.2015 berichtete nun auch kress.de über den MDR-Streit in Thüringen und bezieht sich dabei auf einen Artikel in der "Mitteldeutschen Zeitung". "Ernsthafte Überlegungen" gebe es für einen Wechsel zum HR, heißt es da. Ein Ausstieg sei aber frühestens zum 31.12.2021 möglich.
Wir haben bei der Thüringer Staatskanzlei zu möglichen Wechsel-Plänen nachgefragt. Alexander Fischer, Regierungssprecher der Thüringer Staatskanzlei, erklärt gegenüber Flurfunk:
"'Sämtliche rechtlichen Optionen' heißt auch, dass es bei der Beurteilung der Zukunftsfähigkeit einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt kaum Denkverbote gibt. Insoweit lässt sich im wahrsten Sinne des Wortes in alle Richtungen denken. Ein 'Wechsel' ist jedoch rechtlich nicht kodifiziert. Es geht bei diesem sehr diffizilen Thema um eine ausgewogene Balance zwischen der Wahrnehmbarkeit Thüringens innerhalb der ARD und dem Gebot der langfristigen Beitragsstabilität, um eine breite Akzeptanz des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu erhalten."
"In alle Richtungen denken" – das ist in der Politik ja eine sehr dehnbare Maßnahme. Die Vermutung liegt nahe, dass es sich um ein politisches Manöver handelt, um vor allem die MDR-Intendantin Karola Wille unter Druck zu setzen.
Die Absicht dahinter wird aus einem weiteren Zitat Fischers deutlich:
"Ausgangspunkt und zugleich Ziel der Überlegungen Thüringens liegen in § 2 Absatz 2 Satz 4 des MDR-Staatsvertrages, wonach gilt, dass die drei Länder im Rahmen der Entwicklung des MDR bei der Wahl der Standorte für weitere Einrichtungen oder Gesellschaften des MDR angemessen zu berücksichtigen sind. Die neuen trimedialen Vollredaktionen sind als neue Einrichtungen zu betrachten."
Ist das wirklich eine realistische Option? Die Überlegungen aus Thüringen sind besonders vor dem Hintergrund bemerkenswert, dass der MDR-2017-Reformprozess bereits seit 2012 läuft - wie aus der beigestellten Grafik deutlich wird. Die war im Sommer 2015 im Rundfunkrat verteilt worden.
Das Reformprojekt, dass Thüringen derzeit torpediert, ist also schon drei Jahre "alt" und unter der Beteiligung der MDR-Rundfunkräte aus Thüringen entstanden. Die aber sind noch vor dem Regierungswechsel in Thüringen zu Rot-Rot-Grün ins Amt gekommen.
Dass eines der beteiligten drei Bundesländer die Machtkarte so laut spielt, hat eine neue Qualität. Dass sich Thüringen tatsächlich aus der Dreiländer-Anstalt herauslöst - es erscheint indes ausgesprochen unwahrscheinlich.
Man darf gespannt sein, wie die Verhandlungen ausgehen.
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