Am 3.6.2015 war Gabriele Fischer, Gründerin des Wirtschaftsmagazins "brand eins", zu Gast bei der Gründerfoyer-Vortragsreihe von dresdenexist im Hörsaalzentrum. Der Schwerpunkt des Abends: Durchhaltevermögen. Die Veranstalter hatten genau die Richtige eingeladen, denn davon kann Gabriele Fischer ein Lied singen. Vor knapp 500 Interessierten schilderte sie die Berg- und Talfahrt von "brand eins" und dem Vorläufer "Econy".
Der Flurfunk war auch vor Ort und traf sie nach ihrem Vortrag zum Gespräch - im Hinblick auf die zweite Ausgabe des Funkturm nicht ganz uneigennützig:
Flurfunk: Schon Ende der 90er war es nicht gut um Printprodukte bestellt. Ihr Magazin "Econy" wurde bereits nach der zweiten Ausgabe eingestellt. Frau Fischer, warum waren Sie dennoch überzeugt, dass "brand eins" eine reelle Chance auf dem Markt haben würde?
Gabriele Fischer: Dass unser Magazin wirklich funktioniert, wissen wir eigentlich erst seit 2007. Dass es die richtige Idee ist, wussten wir dagegen von Anfang an. Auch Econy wurde geliebt und gab uns die Möglichkeit, ein Jahr lang zu üben und Dinge auszuprobieren. Wir waren alle überzeugt, dass es einen Bedarf für brand eins gibt und dass wir es schaffen können. Ob wir es tatsächlich schaffen würden, wussten wir nie.
Flurfunk: "Brand eins" kam finanziell immer wieder ins Schleudern. Sie haben Investoren gesucht und mit einem Verlag zusammengearbeitet – meist währte die Freude nur kurz. Was würden Sie heute anders machen?
Fischer: Es ist müßig darüber nachzudenken. Wir haben Fehler gemacht, die ich aus heutiger Sicht vielleicht vermeiden würde. Dafür aber würden wir andere machen. Es gehört eben alles dazu – du musst auf die Nase fallen, Sachen falsch machen und den Preis dafür bezahlen.
Ich habe Erfahrungen gemacht, die ich ohne die Gründung des Magazins nie gehabt hätte. Streng genommen war das Blatt schon mehrmals tot und waren wir die einzigen, die noch daran geglaubt haben. Irgendwann hatten wir im Sterben richtig Übung und das hat die Kreativität befördert. Wenn du denkst, du produzierst die letzte Ausgabe, legst du dich automatisch noch mehr ins Zeug. Diese Motivation blieb – einfach, weil wir das Heft und unsere Arbeit liebten und weil wir eigene Regeln der Zusammenarbeit und des Journalismus aufstellen konnten. All das wollten wir uns nicht nehmen lassen.
Flurfunk: Heute haben Sie ein Team von 25 Leuten, verkaufen 100.000 Exemplare und setzen acht Millionen Euro um. Print lebt also doch. Wie ist das gelungen und was muss eine Zeitschrift haben, damit sie funktioniert?
Fischer: Wir haben aus der Familie "brand eins" in all den Jahren eine Firma gemacht. Unser Team besteht aus etwa 25 Leuten mit verschiedensten Arbeitsmodellen und sehr flachen Hierarchien. Jeder liest und korrigiert bis heute jede Geschichte und identifiziert sich dadurch mit jeder Ausgabe.
Und ein allgemeingültiges Modell, nach dem Zeitschriften funktionieren, kenne ich auch nicht. Aber wir haben ein paar Entscheidungen getroffen: Wir geben keine Anzeigenrabatte und keine Aboprämien – und wir konzipieren das Heft nicht auf der Grundlage von Marktforschung. Wir machen immer genau das Heft, das wir in dem Moment wollen und das sich dann seine Leser sucht. Wir vermeiden Wiederholungen und versuchen das Magazin jung zu halten, obwohl es älter wird.
Die Schwierigkeit bei einer Neugründung ist natürlich, von Anfang an eine Qualität an den Tag zu legen, als würde man bereits 100.000 Exemplare verkaufen. Das bedeutet auch Verluste in Kauf zu nehmen, die erst nach einiger Zeit sinken werden.
Flurfunk: Was ist ihre Prognose zu Printprodukten?
Fischer: Ich glaube, dass mit Leidenschaft produzierte Printprodukte noch sehr lange auf dem Markt sein werden. Vor allem in Großverlagen wurde Print lange totgeredet, aber viele kleine Verlage und junge Gründer glauben sehr wohl daran. Sicher sind die Möglichkeiten, die uns das Internet bietet, großartig. Aber hin und wieder ist es einfach sehr schön, wenn etwas ist und bleibt.
Flurfunk: Sie sprechen unserer Flurfunk-Redaktion aus dem Herzen, denn auch wir haben mit dem Funkturm-Magazin einen eigenen Printversuch gewagt, die zweite Ausgabe ist in Planung. Halten Sie uns für verrückt?
Fischer: Nein. Wenn Sie mit Leidenschaft bei der Sache sind, einen identifizierbaren Grund haben, warum es dieses Heft geben muss und ein Team dahintersteht, welches dieses Produkt will, sollten Sie es versuchen. Was Sie falsch machen, teilen Ihnen ohnehin die Leser mit. Sie müssen Ihren eigenen Weg suchen. Wenn Leser das Gefühl haben, dass ihnen das Magazin einen Mehrwert bringt für den sie bereit sind zu zahlen, dann sind Sie eins vor.
Flurfunk: Frau Fischer, vielen Dank für das Interview!
Wer jetzt mehr über die Gründungsgeschichte von brand eins wissen möchte...bitte sehr:
Mitgerissen vom Gründergeist der 90er Jahre schwebte der damaligen stellvertretenden Chefredakteurin des Manager Magazin, Gabriele Fischer, ein Heft vor, dass den Fokus klar auf die Gründer richtet. Ähnlich sah das der Manager-Magazin-Verlag, und so entwickelte Gabriele Fischer mit ihrem Team das Magazin Econy, das 1998 erstmals erscheint. Schon nach der zweiten Ausgabe war allerdings Schluss. Es folgte der Versuch Econy im Eigenverlag herauszugeben sowie eine Kooperation mit einem Fachverlag – beides erfolglos.
Für Fischer und ihre Leute zwar nervenaufreibend, aber lange kein Grund zu Verzagen – schon ein Jahr später, 1999, starteten sie in Hamburg mit brand eins.
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