Wenn man im Internet einen Fehler macht – wie beschädigt man als Medium in der Folge die eigene Glaubwürdigkeit am besten? Genau, man versucht die eigene Fehlleistung unauffällig unter den Teppich zu kehren.
Ein Paradebeispiel dafür hat am heutigen Freitag (29.5.2015) LVZ.de, der Internetauftritt der "Leipziger Volkszeitung", abgeliefert. Am Nachmittag war man einer gefälschten Pressemitteilung aufgesessen und hatte großflächig berichtet: "Leipziger Polizei entschuldigt sich nach Handybeschlagnahmung" (s. Ausriss oben, hier im Google-Cache nachzulesen).
Im Antext der Meldung ist/war da zu lesen:
"Die Leipziger Polizei zeigt Reue. Nachdem Mitte Januar 150 Menschen im Rahmen einer Demo in einem Kessel an der Feinkost festgehalten und deren Mobiltelefone einkassiert worden, entschuldigte sich die Behörde am Freitag."
Die Informationen zu der Meldung stammten aus einer angeblichen Pressemitteilung der Polizei – eine Fälschung, wie eine echte Pressemitteilung der Polizei später erklärte. Darin heißt es unter dem Titel: "Stellungnahme der Polizeidirektion Leipzig nach gefälschter Pressemitteilung":
"Am heutigen Nachmittag ging einer unbestimmten Zahl von Medienvertretern eine vermeintliche Pressemitteilung des Operativen Abwehrzentrums bzw. der Polizeidirektion Leipzig zu. Angeblich würde sich die Polizeidirektion Leipzig bei den am 15. Januar 2015 zu Unrecht eingekesselten Anti-Legida-Demonstranten für die Unannehmlichkeiten entschuldigen und sich zugleich bei Anwohnern für das Überreichen von Tee und Decken bedanken. Zudem wird angekündigt, am 2. Juni im Beisein des Leiters der Polizeidirektion Leipzig beschlagnahmte Gegenstände zurückgeben zu wollen. Als Autor und Zitatgeber wurde Polizeisprecher Andreas Loepki angeführt.
Leider führte dies – trotz erkennbar abstrusem Inhalt – zu mindestens einer internetbasierten Veröffentlichung."
Na, und jetzt raten Sie mal, wie man bei LVZ.de reagiert hat – so total ertappt als die eine "internetbasierte Veröffentlichung"? Genau, man löschte den Beitrag großzügig ("merkt ja keiner") und verfasst einfach eine neue Meldung – allerdings ohne die eigene Fehlleistung zu erwähnen.
Titel der neuen Meldung: "Leipziger Polizei prüft Fall gefälschter Pressemitteilungen".
Da ist dann im Antext zu lesen:
"Nachdem am Freitag eine gefälschte Pressemitteilung der Leipziger Polizei aufgetaucht ist, geht die Behörde der Sache nach. 'Wir prüfen den Fall genau', sagte Polizeisprecher Andreas Loepki am Nachmittag gegenüber LVZ.de. Die Mitteilung, die auch der LVZ am Nachmittag zuging, war in seinem Namen verfasst."
Auch auf der Facebook-Fanpage von LVZ.de ist kein Hinweis der Redaktion über die gelöschte, ursprüngliche Meldung zu finden. Noch besser: Vor einer Stunde prangerte da an der Pinnwand noch der Link eines Nutzers, der fragte, wo denn die Originalmeldung zur Polizei-Richtigstellung sei - auch dieser Beitrag ist inzwischen verschwunden.
Jetzt mal im Ernst, werte LVZ.de-Kollegen: Jeder macht mal Fehler. Wirklich: kein Problem. Auch das Löschen der Falschmeldung ist nachvollziehbar, na logisch, die sollte wieder aus dem Netz. Aber dann so gar nicht auf die eigene Fehlleistung einzugehen und sogar Leserhinweise zu löschen – im Jahr 2015! – das geht gar nicht.
Ganz ehrlich: Einen größeren Bärendienst hättet Ihr Eurer Glaubwürdigkeit nicht erweisen können.
Mai 30, 2015
Zumindest auf Twitter wurde der Fehler eingeräumt. Dass man dann aber einen Text über die Falschmeldung schreibt und nicht dazu schreibt, dass man selbst drauf reingefallen ist, ist wirklich absurd.
Mai 30, 2015
Tja, das ist doch nicht neu ... hier http://www.lvz.de/region/us-studie-schokoladen-esser-sind-duenner/r-region-b-198320-0.html stand vor kurzem noch der Hinweis auf die (gefakte) Studie über die schlankmachende Schokolade ... und nun? Weg isses ...
Lustig ist allerdings, dass beim Schwesterblatt dnn hier http://www.dnn-online.de/web/dnn/nachrichten/detail/-/specific/Studie-Schokoladen-Esser-sind-duenner-368855332 der Hinweis auf die Studie noch steht. Aber nicht mehr lange, dann wird das Ministerium für Wahrheit die Sache korrigieren.
Juni 5, 2015
@André: Das ist eine US-Studie von 2012. Die hat mit dem arte-Film nichts zu tun.
Juni 16, 2015
Noch das passende Meme dazu: http://imgur.com/Qkw72LN