Von Dagmar Möbius
Vermutlich gehöre ich nicht zur Zielgruppe des neuen Printmagazins "Rulebreaker". Warum? Auch mit einem IQ über Knäckebrot musste ich erst herausfinden, was man unter "disruptiver Innovation" versteht. Neugierig war ich trotzdem.
Das im Februar erstmals in einer Auflage von 10.000 Stück erschienene 84-Seiten-Heft ist eine Kreation der Leipziger 2bAHEAD ThinkThank GmbH, die als Deutschlands innovativste Denkfabrik gilt.
Herausgeber ist deren Leiter Sven Gábor Jánszky - Trendforscher, Redner, Zukunftstrainer und Diplom-Journalist mit Erfahrungen als Moderator, Chef vom Dienst und Programmdirektor beim Radio. Er hat Bücher geschrieben und einen Wikipedia-Eintrag. Und er trifft sich regelmäßig mit den High-Potentials der Wirtschaft. "Menschen, die die Welt verändern", beschreibt der gebürtige Sachse den exklusiven Kreis.
Doch was sind "Rulebreaker®" überhaupt? Kein Wörterbuch kennt sie. Auch Jánszky musste sie erst suchen. Er fand Persönlichkeiten, "die mit ungewöhnlichen Strategien neue Märkte erobert, mit ihrer Durchsetzungskraft Millionen verdient und mit ihren eigenen Händen ganze Branchen verändert haben." Sie riskieren mehr als andere, gehen weiter als andere und stehen auf, wenn andere liegen bleiben. Aus der Analyse resultierten seine Querdenker-Bibel und seine internationale Gesellschaft der "Regelbrecher". Spielverderber!
Ja, richtig gelesen. Die weltweit besten Innovatoren sind anders denkende und anders handelnde Menschen. Beachvolleyballer Julius Brink wirft sich auf dem Titel der Ausgabe 1 stellvertretend für alle in den Sand. Persönlichkeiten wie er entscheiden sich immer für den Weg, den die Umwelt nie erwartet hätte. Das ist streitbar, unbequem und oft auch unverständlich. Jánszky vergleicht mit Sisyphos und ist überzeugt davon, dass neue Geschäftsmodelle nur entstehen, wenn Grenzen übertreten und Gewohntes zerstört wird. Also durch "disruptive Innovation".
"Deutschland ist innovationsfeindlich." Das sagt nicht nur der im Heft porträtierte Aida-Erfinder Horst Rahe, das weiß jeder Deutsche, der versucht hat, ein Patent anzumelden oder eine Bank für eine unorthodoxe Idee zu begeistern. Doch nur außergewöhnliche Menschen und Ideen können – so das Rulebreaker-Mantra – die Welt verändern.
Zu diesen kaum öffentlich erzählten Geschichten gehören auch Tragödien. Morddrohungen, Pleiten und Einsamkeit scheinen nicht selten der Preis für "zerstörerische" Neuerungen zu sein. Die Impulsgeber macht das menschlicher. Querulanten sind sie nicht. Es geht ihnen nicht um höher, schneller, weiter, sondern um besser. Sie sind bodenständig und liebevoll kauzig wie Sonnentor-Gründer Johannes Gutmann oder ständig veränderungsbereit und leidenschaftlich wie Dorothee Ritz, Mitglied der Geschäftsleitung bei Microsoft.
In elf Rubriken berichten die Autoren unter der Redaktionsleitung von Thomas Bachmann über Charaktere, Ideen, Strategien, Trends, Projekte, Unternehmen und Historie. Zwischendurch auffallend wenig Anzeigen, aber professionelle, teils großformatige Fotos. Wer die Schöpfer sind, ist leider auch im Impressum nicht zu entdecken.
Vier Beiträge sind ausschließlich in Englisch veröffentlicht, darunter einer von RyanAir-Gründer Kell Ryan. Der in anderen Publikationen als Denglisch verpönte deutsche-englische Sprachmix hat offenbar System und liest sich nicht immer flüssig. Aber wer den Anspruch erhebt, das führende deutschsprachige Magazin für disruptive Innovationen zu werden, darf auch gelegentlich den Lesefluss hemmen.
Den Inhalten schadet das nicht. "Strategischer als 'Business Punk' und disruptiver als 'brandeins'", will das nur gedruckt erscheinende Magazin werden. Der Weg dahin war offenbar steinig, denn im Netz kursiert ein Cover vom Juli 2013 zum Heftpreis von 3,90 Euro. Drei Ausgaben waren im Vorjahr geplant. Bis Februar 2014 mussten sich Rulebreaker-Interessenten gedulden. Dafür ist inzwischen Heft 2 angekündigt, das am 1. Mai auf den Markt kommen soll. Der aktuelle Heftpreis liegt allerdings bei 19,90 Euro. Das kann man ankreiden oder sich freuen, dass Insiderwissen nicht geheim bleibt. Das Jahresabo ist mit 60 Euro für vier Ausgaben günstiger.
Die Leipziger Trendforscher haben über die Zukunft des Verkaufens, der Versicherungen, des Körpers und des Internets nachgedacht. Im Magazin findet sich ein Beitrag über die "Gedruckte Revolution". Doch es geht darin um Autos, Häuser oder Steaks aus dem 3D-Drucker.
Der vielleicht eindringlichste Satz von Sven Gábor Jánszky lautet: "Die Mehrheit der Unternehmenschefs macht einen gewaltigen Fehler, indem sie vor allem Innovationen mit geringer Intensität schätzen."
Unter den bisher vorgestellten Rulebreakern ist kein Verlagsboss. Das ändert sich mit Sicherheit bald. Dieses Magazin stimmt hoffnungsvoll. Zielgruppe hin oder her.
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