Vor ziemlich genau einem Jahr, am 23.10.2012, wählte der Rundfunkrat des MDR die neue Intendantin Karola Wille. Anlässlich des Jahrestages der Wahl haben wir den Medienexperten und Rundfunkrat Heiko Hilker vom Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung (DIMBB) gebeten, eine erste Bilanz des Wirkens von Karola Wille zu ziehen.
Ein Gastbeitrag.
Heiko Hilker, DIMBB: Wie sich der MDR verändert
„Konzept zur Zukunft des Mitteldeutschen Rundfunks“ war die Vorlage überschrieben, die den Rundfunkräten des MDR wenige Tage vor dem 23. Oktober zugestellt wurde. An diesem Tag, einem Sonntag, wählte dann eine große Mehrheit des MDR-Rundfunkrats Karola Wille zur Intendantin, nachdem die 7 Verwaltungsräte sie einstimmig nominiert hatten. Vorausgegangen war dem jedoch ein monatelanges Ringen um Personen und Verfahren, das unter anderem von Flurfunk Dresden dokumentiert wurde.
„Beim Leipziger MDR herrscht Aufbruchstimmung. … Wo sich angesichts des von der Politik vorgegebenen Kandidaten schon Resignation breit gemacht hatte, weil offenbar alles so weitergehen würde wie bisher, ist nun ein regelrechter Ruck durch den Sender gegangen“, kommentierte nach Karola Willes Wahl Tilmann Gangloff in der Stuttgarter Zeitung.
Was ist von dieser Aufbruchstimmung geblieben? Wo steht der MDR heute, ein Jahr danach?
Nun, es gab und gibt viele Ansprüche an die Intendantin. Es gab und gibt viele Wünsche, was sich beim MDR ändern muss. Man kann Karola Wille an vielem messen: der Vision des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in einer digitalisierten Gesellschaft, der Zahl innovativer Formate und Ideen, dem Beitrag zur Vielfalt und Vielzahl der Produktionslandschaft im MDR-Gebiet, der Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und und und …
Doch zuerst einmal gelten ihre Worte. Sie hatte zwei Dinge vorgelegt: ihre „Vision MDR 2017“ sowie ein 100-Tage-Sofortprogramm.
Das letztere wurde umgesetzt. Infolge der Skandale wurden neue „moderne Prüfungs- und Kontrollstrukturen“ geschaffen. Unternehmenswerte wurden diskutiert und eine strategische Diskussion für die digitale Zukunft begonnen, „bei der inhaltliche und Ressourcenentscheidungen zusammengeführt werden“. Zudem wurden neue Strukturen, wie eine „zentrale Organisations- und Personalentwicklung und ein „medienpolitischer Grundsatzbereich“ geschaffen sowie „Strukturen für trimediales Arbeiten“ gefördert.
Festzustellen ist, dass die Folgen der Skandale den MDR noch eine ganze Weile begleiten werden. Es wird weitere Gerichtsprozesse geben. Immer wieder hört man im MDR zudem nun, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie Produzentinnen und Produzenten über die gewachsene Bürokratie stöhnen. Allerdings hat dies nicht immer seinen Grund darin, dass neue Dienstanweisungen eingeführt wurden, sondern dass schon lang geltende Dienstanweisungen durchgesetzt werden.
Über das 100-Tage-Programm hinaus wurde in den letzten Monaten eine Telemedienstruktur geschaffen, die nun auch im Wirtschaftsplan abgebildet wird. Somit wird offensichtlich, was der MDR für diesen Bereich ausgibt. Im Fernsehprogramm wurden Sendungen modernisiert, Moderatoren ausgetauscht, neue Formate entwickelt. Dies blieb nicht immer ohne Kritik, insbesondere der Fans, die ihre beliebten Moderatoren vermissten.
Noch vor zwei Jahren war es undenkbar, dass MDR-Sputnik-Konzerte im Fernsehen übertragen wurden. Sie galten als „Quotenkiller“. Die diesjährige Praxis bewies zudem das Gegenteil.
Eine Initiative zum „besonderen Kinderfilm“ wurde angeschoben, die Untertitelung der Fernsehprogramme wird ausgebaut. Die Gewinnspiele, insbesondere bei JUMP, die faktisch staatsvertraglich erlaubte Produktwerbung sind, stehen auf dem Prüfstand. Und vom Deutschen Fernsehballett hat man sich als Gesellschafter getrennt.
Natürlich sind noch Wünsche offen, blieben Hoffnungen unerfüllt. So wünscht man sich, dass der MDR mehr die hiesige Produzentenlandschaft berücksichtigt. Wenn bei der Ausschreibung eines Tatorts sich die eigene Tochterfirma dem Wettbewerb einer öffentlichen Ausschreibung stellen muss, ist dies ein gutes Zeichen – und für andere ARD-Anstalten nicht nur undenkbar, sondern eine Provokation. Wenn dann eine „westdeutsche“ Firma gewinnt, zeigt dies u.a. auch, dass hiesige Firmen noch einen Nachholebedarf haben. Dieser hat sich unter anderem daraus ergeben, dass dem MDR jahrelang die unabhängigen Produzenten seines Sendegebiets – bis auf wenige Ausnahmen – egal waren.
Doch Medienfirmen zu fördern, ein Standortprofil - zum Beispiel als Kindermedienland - auszuprägen, kann nicht allein Aufgabe des MDR sein. Da sind auch die Landesregierungen gefordert. Man muss nur einmal sehen, was andere Länder ihren Medienfirmen bieten, wie sie ihre Medienförderung unterstützen. Die Regierungen Sachsens, Sachsens-Anhalts und Thüringens schaffen es derweil nicht einmal, sich auf gemeinsame Schwerpunkte zu einigen.
Bei allen Wünschen und Forderungen ist zu berücksichtigen: es gilt das Intendantenprinzip. Nach der Wahl hat die Intendantin das Sagen. (Da gibt es übrigens keinen großen Unterschied zum Verhältnis zwischen Parlament und Regierung. Nach der Wahl kann das Parlament zwar Gesetze erlassen, die Regierung ansonsten jedoch nur „bitten, etwas zu tun“. Ob die Regierung dem nachkommt, ist ihre Sache.)
Es ist festzustellen, dass Karola Wille im ersten Jahr mehr gehalten als sie versprochen hat. Sie wollte und will viel verändern. Sie hatte und hat sich viel vorgenommen. Manchmal ist sie da für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, für den Sender wie auch für die ARD zu schnell.
Hinweis: Im Blog des DIMBB ist eine wesentlich ausführlichere Version dieses Textes zu finden.
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