Party machen und Wochenaufgaben wie Promifotos sammeln, dazu jede Woche 500 Euro Taschengeld - seit dem 1.10. wohnen in Chemnitz, Leipzig und Dresden je drei Bewohner in der "Sachsen-WG".
Was die Bewohner die Woche für (Un)sinn anstellen, das kann man täglich in der "Bild", auf "bild.de" und auf der Facebook-Fanpage verfolgen - oder im Programm von Radio Energy Sachsen bzw. auf energy.de hören und verfolgen.
Robert Kuhne war maßgeblich an der Ideenentwicklung für das Projekt "Sachsen-WG" beteiligt. Mit Flurfunk Dresden spricht der Redaktionsleiter "Bild"-Ostdeutschland darüber, wie und warum eine Tageszeitung wie "Bild" auf der Suche nach neuen Zielgruppen ist.
Flurfunk Dresden: Warum braucht eine Tageszeitung wie die „Bild“ ein Projekt wie „Die Sachsen-WG“?
Robert Kuhne: Wir wären nicht „Bild“, wenn wir nicht ständig nach Innovationen im täglichen Tageszeitungsgeschäft suchen würden. Die wichtige Zielgruppe der jungen Leute hält sich heute vor allem im Netz auf, dort erreichen wir sie zum Beispiel mit „bild.de“. Darüber hinaus suchen wir aber ständig nach neuen Möglichkeiten, um junge Menschen zu begeistern und an „Bild“ zu binden, vor allem auch bei uns vor Ort. So ist vor einem halben Jahr die Idee der Sachsen-WG entstanden.
Flurfunk Dresden: Lohnt sich der ganze Aufwand mit eigener Homepage und Fanbookseite wirklich, um damit neue Leser zu gewinnen?
Kuhne: Ich bin überzeugt davon, dass wir mit Aktionen wie der Sachsen-WG junge Leute für "Bild" begeistern, weil wir sie direkt in ihrer Erlebniswelt abholen. Wir könnten damit Leser auf allen Kanälen gewinnen: Die Sachsen-WG findet hauptsächlich auf der Facebook-Seite und auf "bild.de" statt, in der gedruckten Ausgabe bieten wir aber darüber hinaus zusätzlich exklusive Geschichten und Bilder.
Flurfunk Dresden: Aber ist es nicht ein bisschen naiv zu glauben, dass die junge Zielgruppe durch solche Aktionen dann die Zeitung kauft?
Kuhne: Generell ist es uns erst einmal wichtig, junge Leute mit „Bild“-Inhalten zu erreichen und sie für die Marke zu begeistern. Als ich letztens im Blumenau saß, haben sich drei Mädels am Nachbartisch angeregt über die Sachsen-WG unterhalten. Für mich war das ein Zeichen, dass die Aktion Leute erreicht, die sonst vielleicht nicht „Bild“ lesen würden. Bei der Sachsen-WG steht außerdem ganz klar die redaktionelle Idee des Projekts im Vordergrund, es ist nicht das Hauptziel, mehr Zeitungen zu verkaufen – was natürlich trotzdem schön wäre.
Flurfunk Dresden: Auf der Sachsen-WG-Facebookseite finden sich nicht nur positive Kommentare. Da liest man zum Beispiel: „Diese Selbstdarsteller Rotze interessiert keine Sau“. Momentan gefällt knapp 2.100 Leuten die Seite. Sind Sie zufrieden damit?
Kuhne: Wir hatten bis letzten Montag (1.10.2012) mit 1.000 Fans gerechnet und sind jetzt bei 2.100 (Stand: 10.10.2012). Die Reichweite, also die Menschen, die wirklich in Kontakt mit den Artikeln kommen, liegt bei einigen Artikel bei über 13.000 Leser. Das ist ein tolles Wachstum und zeigt, dass unser Projekt sehr gut gestartet ist. Auch unser Radio-Partner "Energy Sachsen" berichtet von begeistertem Feedback der Hörer.
Flurfunk Dresden: Aber was hat so eine Aktion noch mit Journalismus und dem eigentlichen Auftrag einer Tageszeitung zu tun?
Kuhne: Ich stelle die Gegenfrage: Was ist eigentlich die Aufgabe einer Tageszeitung? „Bild“ bedeutet News und Entertainment, wir wollen Nachrichten liefern und unterhalten. „Bild“ ist dafür bekannt, immer wieder innovative Ideen auszuprobieren. Wir machen das, was sonst keiner macht. Ich kann mir gut vorstellen, dass es in Zukunft verstärkt Aktionen wie die Sachsen-WG geben wird.
Flurfunk Dresden: Wie wichtig ist bei einer solchen Aktion die Inszenierung?
Kuhne: Es gibt keine Inszenierung. Wir bereiten keine Pläne vor und die Teilnehmer müssen auch keine vorgeschriebene Rolle spielen. Es ist mir auch ganz wichtig, dass unser Projekt kein Big-Brother ist: Die Teilnehmer werden nicht rund um die Uhr überwacht, sondern haben feste Video- und Fototermine. Die Jugendlichen entscheiden selbst, was sie von sich preis geben. Viele sind dabei recht kommunikationsfreudig, das ist natürlich spannend bei so einem Projekt.
Flurfunk Dresden: Aber man beeinflusst doch die Realität schon damit, dass die Teilnehmer jede Woche 500 Euro Taschengeld kriegen.
Kuhne: Die 500 Euro Taschengeld gehören einfach zum Spiel der Sachsen-WG, so wie die Wochenaufgaben, das hat überhaupt nichts mit Beeinflussung von Realität zu tun. Was die Teilnehmer mit den 500 Euro machen, geben wir ja nicht vor, wir wissen nicht, wie sich die Tage in der WG entwickeln. Das ist genau der entscheidende Unterscheid zu gescripten Reallife-Geschichten, in denen man schon vorher festlegt, wohin eine Geschichte läuft. Wir beobachten die Leute nur bei dem, was sie tun.
Flurfunk Dresden: Woher kommt die Überzeugung, dass man genau mit so einer Aktion junge Leute als Leser gewinnen kann? Woher wissen Sie, dass die Sachsen-WG überhaupt jemanden interessiert?
Kuhne: Ich wusste vorher natürlich nicht, ob sich die Leute für die Sachsen-WG interessieren, das ist ja das Spannende an solchen Experimenten. Aber ich war von Anfang an von der Idee begeistert, so wie unsere Partner „Telekom“ und "Energy Sachsen". Und die gute Resonanz der letzten Tage zeigt uns allen, dass wir offensichtlich auf dem richtigen Weg sind.
Flurfunk Dresden: Stecken auch finanzielle Interessen hinter der „Sachsen-WG“? Sind das auch neue Wege, um Anzeigenkunden glücklich zu machen?
Kuhne: Nein, ganz und gar nicht, wir verdienen nicht an der Sachsen-WG, es ist ein redaktionelles Projekt. Es gibt auch kein gekoppeltes Anzeigengeschäft, das war uns sehr wichtig. Wir tragen lediglich gemeinsam mit allen Partnern die anfallenden Unkosten.
Flurfunk Dresden: Wird eine Tageszeitung wie die „Bild“ in Zukunft nicht mehr um solche Aktionen herumkommen?
Kuhne: Wie schon gesagt, „Bild“ geht immer neue Wege. Dieses Projekt ist ein Versuch, das alltägliche Leben von jungen Leuten näher an die Zeitung und vor allem die Marke „Bild“ zu binden. Wir wissen noch nicht, wohin sich die Sachsen-WG entwickelt - vielleicht entsteht daraus beispielsweise eine Community. Ich freue mich jedenfalls, dass „Bild“ ein Umfeld bietet, in dem solche Ideen und Projekte möglich sind.
Flurfunk Dresden: Vielen Dank für das Interview!
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