Unbekannte haben während der Stadtratssitzung am 12.7.2012 einen Twitter-Account mit dem Namen @OB_Orosz angelegt. Das Ziel hinter dem falschen Twitter-Account soll wohl sein, Helma Orosz, die Oberbügermeisterin von Dresden, selbst zum Twittern zu bringen.
Zur Stunde (23.33 Uhr) hat der offenkundige Fake-Account 17 Follower (also angemeldete Mitleser - der Account ist aber ungeschützt, man kann also ohne zu folgen dort mitlesen). Von dort sind bislang 15 eher belanglose Tweets abgesetzt worden - einige sind im Ansatz lustig; so richtig zündet die Nummer aber noch nicht.
Ziemlich daneben: Der Account benutzt als Profilbild das Ölgemälde "Frau Orosz wirbt für das Welterbe", gegen dessen Verbreitung Orosz einst vergeblich gerichtlich vorgegangen war. Sollte der Ansatz des Fake-Accounts konstruktiv gedacht gewesen sein - spätestens damit machen die Beteiligten vieles zunichte.
Hintergrund dürfte das Verbot der Oberbürgermeisterin gegenüber dem Piraten-/Coloradio-Vertreter Fidel Karsto von vorvergangener Woche sein, die Stadtratssitzungen live ins Internet zu streamen (vgl. Flurfunk Dresden vom 5.7.2012: "Oberbürgermeisterin untersagt Radio-Mitschnitte der Stadtrats-Sitzungen"). Dabei hatte die "DNN" zwischenzeitlich berichtet, dass die Radio-Berichterstattung demnächst voraussichtlich wieder laufen könnte. Jetzt scheinen einige Personen der Meinung zu sein, der Oberbürgermeisterin mal zeigen zu müssen, wie das Netz die Öffentlichkeit von solchen Sitzungen verändert bzw. verändern kann.*
Bei Twitter verbreitete der Nutzer @_murx gleichzeitig die (vermutlich echte) Antwort von Orosz auf eine anonyme Bürgeranfrage, in der sie die Twitter-Nutzung ablehnt (s. Bildausschnitt).
Unabhängig von dem Fake-Account stellte die Stadtratssitzung vom 12.7.2012 einen vorläufigen Höhepunkt in der Live-Abbildung der Sitzung im Netz da. Wohl nie zuvor gab es so viele Reaktionen und Aktivitäten im Netz parallel zur Stadtratssitzung - was auch an den Themen Schulnetzplanung und Globus-Markt gelegen haben dürfte. Denn, so war bei Twitter zu lesen, auch die Besuchertribüne war die meiste Zeit ziemlich voll.
Bei Twitter gelangte der Hashtag #staddrat erneut in die Trendic Topics - dieses Mal sogar ohne Spam-Tweets dazwischen. Grob geschätzt gab es über 250 Tweets während der laufenden Sitzung - größtenteils Meinungsäußerungen, teilweise mit deutlichen Worten, vereinzelt mit weiterführenden Links. Viele davon waren auch gleichzeitig (meist automatisiert) bei Facebook zu lesen. Und nicht alle stammten aus dem Saal.
Parallel dazu lief (nicht zum ersten Mal) die Dokumentation der Sitzung im Bürgerpad - das ist ein Etherpad-Dokument, in dem mehrere Personen (in erster Linie die Vertreter der Piratenpartei von der Tribüne, die das Bürgerpad auch angelegt haben; aber auch die Grüne-Stadträtin Gerit Thomas beteiligte sich) kollaborativ die Sitzung schriftlich begleiteten (s. Bildausschnitt).
Man mag die ganze Twitterei banal und nervig finden - einen großen Vorteil hat die Geschichte: Die Mitleser wussten nahezu im Moment der Entscheidung die Ergebnisse.
Bleibt die Frage, wie die OB mit dem Fake-Account umgehen wird:
Theoretisch besteht die Möglichkeit, bei Twitter vorzusprechen und den Account löschen zu lassen (vgl. Twitter-Hilfe). Allerdings musste schon der ehemalige MDR-Intendant Udo Reiter feststellen, dass die Methode Schwächen hat - am Tag nach der Löschung des ersten Fake-Accounts tauchte gleich am nächsten Tag ein neuer Fake-Account auf.
Bleiben noch zwei andere Alternativen: Ignorieren - was noch zu dem einen oder anderen Ärgernis führen könnte, sofern der Account weiter bestückt wird. Andererseits könnte sich die Geschichte schnell totlaufen, wenn es weiter so unlustig bleibt.
Oder, die dritte Alternative: Die Oberbürgermeisterin geht in die Offensive - und twittert selbst.
*Hinweis: Satz nachträglich im Sinne der Verständlichkeit nachträglich eingefügt.
Juli 13, 2012
oh ... danke für den beitrag!
die Bürgerfrage von mir ist btw. echt & stammt von der Einwohnerfragestunde (siehe Stadtratssitzung vom 21.06.2012).