Ein Kommentar von Peter Stawowy.
In diesen Tagen geht die "Nachricht" durch die Medien, dass MDR-Intendantin Karola Wille einen eigenen Jugendkanal für die ARD-Anstalten plane. Ausgang der Nachricht ist ein Bericht des "Handelsblatt" vom 25.6.2012 mit dem Titel "MDR plant Jugendkanal" (leider nicht online).
"Jugendkanal"... da war doch was?
Richtig, dem aufmerksamen Beobachter müsste die Forderung irgendwie bekannt vorkommen. Willes Vorgänger Udo Reiter hat die Forderung nach einem ARD-Jugendkanal fast gebetsmühlenartig wiederholt (Google findet eingedeutige Treffer für April 2008, Mai 2011 und März 2012) - gefühlt kam die Forderung immer im Umfeld einer Intendantenwahl oder um ein anderes Thema aus den Medien zu drängen.
Die Forderung hat Reiter dann auch immer mal wieder eine Weile später wortreich mehr oder weniger beerdigt, sofern sich noch irgend jemand daran erinnerte (und nachfragte). Das sei in den bestehenden ARD-Strukturen und vor dem Hintergrund der Gebührendiskussion nicht realistisch (vgl. Flurfunk Dresden vom 6.8.2008 (!): "Reiter: eigener Jugendkanal wird dauern").
Auch Wille ist auf die Diskussion schon mal eingegangen - in ihrem „Konzept für Zukunft des MDR“, dass sie im Oktober 2011, drei Tage vor ihrer Wahl zur Intendantin, vorgelegt hatte.
Darin heißt es (eine kleine Auswahl):
"Eine weitere Herausforderung für den MDR ist die Bewältigung des Generationenabrisses. In der jungen Generation ist der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht mehr selbstverständlich." (S. 8)
und
"Diese grundsätzliche strategische Aufgabe ist nach meiner festen Überzeugung nicht allein durch den MDR zu bewältigen. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk gibt das durch den KiKa gewonnene Publikum an die privaten Veranstalter ab, sobald es ein jugendliches Alter erreicht hat. Die Medienforscher liefern auch keinen Beweis dafür, dass im Alter von 40 Jahren die Zuschauer zur ARD zurückkehren. Warum soll das, was beim Kinderkanal möglich war, nicht auch bei einem Jugendprogramm funktionieren? Ein gemeinsamer Jugendkanal wäre m. E. ressourcenschonend und medienpolitisch klug. In jedem Fall macht ein ARD-Jugendkanal Sinn. Ich plädiere nachhaltig dafür, dieses strategisch zentrale Thema nicht an Partikularinteressen scheitern zu lassen."
Zugegeben: Wir hatten die Forderung nach dem Jugendkanal damals so gewertet, dass es ein Zugeständnis an ihren Vorgänger und seine „Truppen“ sei - aber nicht ernsthaft als Ziel von ihr verfolgt werde, zumal die eigentlich "Forderung" in dem Papier sehr weich formuliert ist.
Schaut man sich nun den "Handelsblatt"-Artikel zum Thema an (leider nicht online), fragt man sich: Wo ist die News? Einige der Formulierungen kommen einem außerdem sehr bekannt vor. Eine kleine Auswahl aus den Zitaten des "Handelsblatt"-Beitrages:
„Wir wollen den Privaten nicht das junge Publikum überlassen. Ein Jugendkanal könnte ein Weg sein, die Lücke zwischen Kinderkanal und unseren anderen Kanälen zu schließen.“
"Die Verjüngung ist die größte Herausforderung, die der öffentlich-rechtliche Rundfunk derzeit hat."
„Dem MDR, aber auch der ARD droht ein Generationsabriss."
Warum berichten jetzt alle? Wie ernst sind die Forderungen wirklich?
Aus unserer Sicht bleiben zwei Interpretationen, wie diese "News" zu deuten ist (Achtung, es folgen reine Spekulationen!):
- Im „Handelsblatt“ ist es erwähnt: Derzeit läuft in diversen Branchen-Medien mal wieder die Nachricht, dass sowohl CDU- als auch SPD-Politiker die Abschaltung der sogenannten Digitalkanäle der ARD fordern. Wie sagte der sächsische Staatsminister Beermann am Montagabend in Dresden: Er finde es gut, dass die Medienjournalisten immer die Nachrichten als aktuell verkaufen, die mind. ein halbes Jahr alt sind. Möglicherweise ist der Vorstoß in Richtung Jugendkanal der Versuch, die Diskussion zu beeinflussen - in der Art: Fordern wir doch mal mehr, dann können wir vielleicht mehr retten. (wie gesagt: unsere Spekulation).
- Die zweite Interpretationsmöglichkeit, die uns wesentlich realistischer erscheint: Wille bekommt mit der Geschichte bundesweite Aufmerksamkeit. Ein geschickter Schachzug der Kommunikationsabteilung, genauer: des neuen Chefkommunikators Walter Kehr. Der Plan wäre aufgegangen - Glückwunsch, Herr Kehr!
Nachtrag 15.09 Uhr: "MDR korrigiert Berichte zu geplantem Jugendkanal".
Nachtrag 28.06.2012: Heiko Hilker vom DIMBB hat das Thema ebenfalls aufgegriffen: "MDR-Jugendkanal? Wie eine falsche Überschrift viele Artikel nach sich zieht".
Juni 26, 2012
Eine Einordnung im Vergleich zu ZDF.neo hätte mich interessiert.