Social Media für Dynamo Dresden: Nichts für Amateure!

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Dynamo Dresden sucht einen Social Media Redakteur - die Anforderungen in der Ausschreibung sorgten vor einigen Tagen für manch kritischen Kommentar bei Facebook. Wer sich für den Job bewerben will, sollte vorher die folgenden Ratschläge von Sebastian Salvador Schwerk gelesen haben. Ein Gastbeitrag.

Dynamo Dresden ist der einzige deutsche Verein in der ersten und zweiten Bundesliga ohne eigene offizielle Facebook-Fanseite. Kein besonderes Ruhmesblatt für die vielleicht bekannteste und stärkste Marke Ostdeutschlands - andererseits auch nachvollziehbar. Zu viele andere Baustellen galt es in den letzten beiden Jahren zu betreuen, als dass man sich getraut hätte, im Finanzplan Budgets für Facebook oder Twitter auszuweisen.

Nun aber hat der Verein einen Social Media Redakteur ausgeschrieben und wenn es normal läuft, sollte es Bewerbungen regnen. Leider dürften in der Fülle der Bewerbungen nur sehr wenige Kandidaten sein, die diesen Job wirklich ausfüllen können. Denn die Herausforderung ist gewaltig. Der Bewerber (ich erlaube mir die männliche Schreibweise, obwohl ich es persönlich ziemlich clever fände, eine Frau einzustellen) muss weitaus mehr mitbringen als die meisten anderen Social Media Kollegen. Wer die Gehaltsstrukturen (Spieler, Angestellte) des Vereins kennt, weiß aber auch:  Er wird nicht zwingend mehr verdienen. Leidenschaft für Fußball im Allgemeinen und Dynamo Dresden im Speziellen sind also eine unabdingbare Vorraussetzung, um diesen Job gut zu machen. Aber damit ist es lange nicht getan. Hier einige Dinge, die der Bewerber meiner Meinung nach wissen sollte:

Das vorhandene Know-how im Verein ist eher Bezirksklasse 

Screenshot von der Dynamo-Seite.

Das zeigt sich bereits in der Jobbezeichnung. Gebraucht wird meiner Einschätzung nach eher ein (wenn nicht zwei bis drei) Communitymanager und kein „Redakteur“. Das Erstellen eigener Inhalte dürfte den geringeren Teil der Arbeit ausmachen. Aber woher soll das Know-how in Sachen Online-Dialog auch kommen? Im Umgang mit eigenen und externen Fan- und Mitgliederforen hat sich die Vereinsspitze stets schwer getan und auch außerhalb des Vereins gelten wichtige Führungspersönlichkeiten eher als Freunde des Gesprächs hinter verschlossenen Türen. Ob der Bewerber genug in die Arbeit der Vereinsspitze eingebunden wird, um kompetent auf Fragen von Außen zu aktuellen Ereignissen zu antworten, muss sich also zeigen. Leicht wird das nicht!

Wer zu spät kommt, den bestraft das Social Web mit Arbeit 

Der Bewerber muss zunächst zahlreiche struktureller Fragen klären. Es gibt bereits eine Menge inoffizieller Accounts bei Twitter, Facebook, Youtube und einige inoffizielle Foren und es gehört eine Menge Erfahrung dazu, den richtigen Weg aus Übernahme, Zusammenführung, Unterlassungsklage und Kooperation mit den Eigeninitiativen der Fans zu finden. Viele Vereine haben ihren offiziellen Facebook-Auftritt von Anhängern übernommen. Schalke 04 zahlte für seine Seite einst 50.000 Euro, die dann für einen guten Zweck verwendet wurden. Das sind nicht unbedingt Aufgaben für einen blutigen Anfänger. Andererseits gibt es ja Social Media Manager bei uns in der Stadt, die das Prozedere kennen und Dynamo wohl gesonnen sind ;-)

Gebraucht wird der Typ „gelassene Rampensau“  

Zahl der Postings auf die Facebook-Fanpage von Bayern München, Quelle: AllFacebookStats.

Sollte sich Dynamo Dresden für eine offizielle Fanseite auf Facebook entscheiden, auf der Gäste Kommentare posten können, dann braucht der Verantwortliche Admin ein dickes Fell, sehr viel Fingerspitzengefühl und die Fähigkeit, Dinge auch mal passieren zu lassen. Man kann eine Fanseite (jedenfalls nicht allein oder zu zweit) nicht 24/7 betreuen. Man bedenke dabei, dass auf der Fanseite des FC Bayern (vor etwa 5 Jahren der einzige Verein in Deutschland mit mehr Website-Aufrufen als die SGD) täglich zwischen 250 und 5.000 Userposts veröffentlicht werden (siehe Schaubild von AllFacebookStats) und auf jedes Posting zwischen 100 und 1.000 Kommentare kommen. Sprich, es wird immer wieder vorkommen, dass gegnerische und/oder eigene Fans sich auf der Facebookseite hochschaukeln, während man gerade mal selber eine Runde Kicken ist oder einfach noch im Bett liegt.

Pöbelei ist nun mal unter Fußballfans Gang und Gäbe und nicht selten wird dabei die Grenze überschritten, in der man als Moderator eingreifen, mindestens aber sehr genau beobachten muss. Es gilt Verwarnungen und gelbe Karten auszusprechen und ab und zu wird auch ein Platzverweis fällig sein. Und der kommt nicht von Dynamo Dresden sondern von „Max Mustermann“. Wer denkt, dass er seine eigene Persönlichkeit hinter dem Account „Dynamo Dresden“ verstecken kann, der irrt. Die Fans des Vereins sind viel zu nah dran, als dass sie ganz genau nicht wissen, wer da im Social Web mit ihnen kommuniziert. Der Bewerber sollte also gewisse Rampensau-Qualitäten mitbringen und bloß kein Duckmäuser sein. Er sollte sich im K-Block genauso wohl fühlen wie in der VIP-Loge.

Politik ist Teil der Fußballkultur 

Nicht nur Pöbeleien sind bei Fußballfans an der Tagesordnung, auch politische Aspekte kommen immer wieder auf den Tisch, auf die Fahne, auf die Facebook-Wall. Es ist das Mindeste, dass der Bewerber weiß, dass „88“ nicht für die EM im eigenen Land 1988 steht und das Keltenkreuz kein Vereinslogo ist. Der – oder besser die - Unterschiede zwischen Ultras und Hooligans sollten einem bekannt sein und man sollte ein Gespür dafür haben, wann Zitate vielleicht aus verfänglichen Quellen kommen könnten.

Kreispokal und Champions League – Mehrsprachigkeit als Bonuskarte

Längst agieren nicht mehr nur Clubs in der Europa oder Champions League auf Facebook zwei- oder sogar dreisprachig. Dynamo Dresden hat Fans in und Spieler aus der ganzen Welt und ein enormes Potential, dies durch eine internationale Kommunikation im Social Web auszubauen. Dazu muss der Bewerber ein sehr gutes Englisch mitbringen. Ob man analog zum FC Barcelona (Spanisch, Englisch, Katalanisch) auch Sächsisch posten muss, sei mal dahingestellt.

Fehlende Marken-Identität kaschieren 

Nach wie vor fehlt der SG Dynamo ein klares Markenbild. Der Verein tut sich sehr schwer, seine Identität zu finden. Das Image in der nicht schwarz-gelben Öffentlichkeit ist ziemlich mies. Die Fans gelten als aggressive Rüpel, der Verein als chronisch pleite und der Trainer als farbloser Sportlehrer. Immerhin sind sich alle einig, dass die Atmosphäre im Stadion von einer sehr selten Leidenschaft und Emotion getragen ist. Aber wo Schalke und Dortmund mit Ruhrpott-Charme spielen können, die Bayern mit Prunk und Tracht und der FC St. Pauli mit dem verruchten Kiez, bleibt Dynamo nicht viel mehr als das Ossi-Dasein. Ob man das positiv wandeln kann (und sollte), obliegt nicht dem Social Media Manager, aber es ist eines seiner wenigen Pfründe, um (sprachliche) Bilder zu schaffen.

Damit wird es sehr schwer, dass richtige Wording zu finden. Bist Du zu selbstbewusst, bezichtigen Dich Außenstehende sofort des Größenwahns, bist Du zu sachlich, wirst Du kaum die Fans mit ins Boot holen.

Facebook ist nicht alles 

Bei einer Session auf dem Facebook Barcamp Hamburg zum Thema Fußball im Social Web habe ich neulich mit einem Dutzend KollegInnen Beispiele zusammengetragen. Für viele Vereine ist Youtube mittlerweile wichtiger als Facebook, und Twitter sowieso, denn das ist noch schneller und mobiler. Der 1. FC Köln nutzt die Bilder-Community Instagram und das Webradio des FC St. Pauli ist ähnlich wie das Urvieh des BVB bei den Fans sehr beliebt. Der Bewerber sollte also mehr mitbringen als Kenntnisse über die wichtigsten Funktionen bei Facebook. Es geht darum, die richtigen Netzwerke auszuwählen und die richtige Strategie zu finden.

Ohne Budget keine großen Sprünge

Wer sich um die Stelle bewirbt, sollte um Gottes Willen nicht nur sein Gehalt verhandeln, sondern vor allem sein Budget! Für die Unterstützung durch eine Agentur, (bezahlte) Praktikanten, Spesenabrechnung und Kampagnen (Events, Gewinnspiele, Interaktive Games, Videoproduktionen etc.) sowie ein stylishes Set-Up der Accounts sollte jährlich mindestens noch einmal das selbe Geld zur Verfügung stehen wie das eigene Gehalt. Eher mehr. Sonst macht es auf Dauer keinen Spaß! Nicht dem Social Media Manager, vor allem aber nicht den Fans.

Ein kleiner Tipp: Ich würde versuchen, an die Inhalte des alten Fanforums zu kommen und aus dieser mit Unterstützung von Computerlinguisten wie Retresco eine Tagwolke der wichtigsten 100 Begriffe erstellen lassen. Das dürfte sehr gut zeigen, was die Fans in den letzten Jahren bewegt hat.

Sebastian Schwerk.

Sebastian Salvador Schwerk ist als Social Media Director bei der Agentur Frische Fische ein "Buzzword dekorierter Konzepter". Seine Hauptleidenschaften sind neben seinem Beruf Fußball und Musik. Beides verbloggt er auf www.mittelstern.de.

4 Kommentare
  • Stefan Mothes
    Mai 4, 2012

    Sehr guter Beitrag, der transparent offenlegt, welche teilweise unerwarteten, aber auch sehr risikoreichen Aspekte dieser Job mit sich bringt.

  • Sebastian
    Mai 4, 2012

    Danke Stefan! "Risiken" birgt es tatsächlich, denn so ein Job wird schnell zum 60 Stunden Job und das schlimme ist, man gilt immer noch als "Rumsurfer"....

  • SK
    Mai 5, 2012

    Interessanter Beitrag von Ihnen. Mein erster Gedanke beim Lesen der von Ihnen zitierten Ausschreibung: Anzeigen, die real niemanden suchen, fallen oft durch seltene, unübliche und sich teilweise widersprüchliche Suchkriterien auf. Studierte Journalisten mit mindestens zweijähriger Online-Marketing-Erfahrung... Alles klar.

  • Daniel
    Mai 7, 2012

    Das schwierigste bei der Geschichte dürfte das angesprochene Budget sein. Schon mit einer Presseabteilung tut sich Dynamo aus finanziellen Gründen seit Jahren schwer. Und wenn ich das Anforderungsprofil so lese, erscheint mir das auch wieder als sehr weitläufiges Aufgabengebiet. Dynamo fehlen einfach die finanziellen Mittel und solche notwendigen Posten zu besetzen.

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