Die aktuelle Nachrichtenlage bietet sich geradezu wunderbar an, unsere neue Serie zum Thema Rechtsfragen aus dem Medienbereich einzuführen. Heute, in Folge 1, beantwortet die Dresdner Medienrechtlerin Anja Przybilla LL.M. von der Anwaltskanzlei Thoelke Przybilla Schaffner diese Frage:
Könnte die Bild eigentlich auch ohne Zustimmung Wulffs die Mailbox-Nachricht veröffentlichen?
Zunächst könnte man daran denken, dass die Veröffentlichung der Nachricht gegen § 201 StGB verstößt. § 201 StGB stellt die unbefugte Aufnahme und Verbreitung des nichtöffentlich gesprochenen Worts unter Strafe. Ebenso unzulässig ist es, den wesentlichen Inhalt einer solchen Mitteilung zu veröffentlichen. Personen sollen also davor geschützt werden, dass heimlich Aufnahmen von Gesprächen gemacht werden, die vermeintlich in einem nicht öffentlichen Raum stattfinden.Herr Wulff hat jedoch wissentlich und freiwillig auf den Anrufbeantworter gesprochen, so dass es sich nicht um eine unbefugte Aufnahme handelt und damit bereits der Straftatbestand nicht erfüllt sein kann.
Trotzdem ist ein Interesse des Bundespräsidenten an der Geheimhaltung der Nachricht erkennbar. Dieses Interesse wird dem grundgesetzlich geschützten Bereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zugerechnet. Dem gegenüber stehen die Pressefreiheit und das Informationsbedürfnis der Allgemeinheit. Diese Situation der widerstreitenden Grundrechte kann nur durch eine Abwägung der Interessen gelöst werden.
Wie schwer die einzelnen Interessen wiegen, hängt vom Einzelfall ab. Regelmäßig überwiegt das Allgemeine Persönlichkeitsinteresse, wenn Nachrichten aus dem privaten Bereich oder sogar aus der Intimsphäre aus reiner Sensationslust veröffentlicht werden sollen. Es bestehen jedoch erhebliche Zweifel, ob die Mitteilung auf dem Anrufbeantworter überhaupt dem privaten Bereich zugeordnet werden kann. Motivation und Inhalt der Mitteilung berühren schwerpunktmäßig die berufliche Sphäre des Bundespräsidenten. Diese ist jedoch am wenigsten durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt. Auf der anderen Seite steht das erhebliche Interesse der Allgemeinheit an der Art und Weise der Amtsführung des Bundespräsidenten.
Im Ergebnis sprechen daher gute Argumente für das Überwiegen des Informationsinteresses der Allgemeinheit und somit für die Zulässigkeit einer Veröffentlichung. Da Richter jedoch bei Grundrechtsabwägungen einen weiten Entscheidungsspielraum haben, sind andere Ansichten durchaus denkbar. Anja Przybilla LL.M.
Januar 9, 2012
Rechtlich wäre es also durchaus möglich zu veröffentlichen. Mir kommt folgendes dazu in den Sinn:
Bild kümmert sich im allgemeinen wenig um Persönlichkeitsrechte und nimmt gerne auch mal eine Klage in Kauf, wohlwissend, dass sie gerade Persönlichkeitsrechte verletzen (Fotos von Angeklagten, Kinder von Verbrechensopfern etc.) Wenn Bild in dem Fall auf eine Veröffentlichung verzichtet, liegt es wohl eher nicht daran dass sie sich rechtlich nicht wohl dabei fühlt.
Weitergedacht heißt dass für mich, dass der Inhalt der Mailbox-Nachricht vielleicht weniger "schlimm" als angekündigt ist. Dann ist es durchaus nützlicher für Bild den Inhalt im Unklaren zu lassen und so zu tun als ob sonstwas dahintersteckt. Die spannendere Frage für mich ist, was bezweckt man mit der Kampagne zu einem Thema, dass bereits solange zurückliegt. Ich denke ein Rücktritt Wulff schwächt Merkel und über den Angriff auf Wulff versucht man Druck auzuüben. Spannend wäre hier in welchem Bereich. Das werden wir dann vielleicht in ein paar Jahren erfahren, wenn wie im Falle Wulff das Thema eigentlich längst durch ist.
Januar 9, 2012
Na dann bleibt abzuwarten, wie die große Tageszeitung mit ihrer Berichterstattung fort fährt. Nachdem sie zu Beginn dieses Thema verdächtig "ruhig" angegangen ist ... letztendlich wird es abhängig davon sein, ob ein Gewinn einer "nicht autorisierten" Veröffentlichung den Verlust durch eine möglichen Klage etc. überwiegt. Aber ob sich Herr Wulf mit einem gerichtl. Vorgehen gegen die Zeitung in der jetzigen Lage einen Gefallen tut, wage ich zu bezweifeln...