Ich hatte neulich wieder mal in einem meiner Seminare einen Kommentar in die Richtung, wer denn für diesen ganzen Unsinn wie Blogs, Facebook, Twitter usw. Zeit hätte - und was das Alles soll, das sei doch überflüssig. Ich bringe dann gewöhnlich ein Beispiel, wie sich die gesellschaftliche Kommunikation etwa in der Lokalpolitik z.B. durch Social Media verändert. Soeben rutscht ein weiteres Beispiel über die Facebook-Timeline in meine Aufmerksamkeit:
Tilo Kießling, einer der beiden neuen Vorsitzenden der Dresdner Linken, kommentiert in seinem Blog den Bericht der "Sächsischen Zeitung" ("Neues Doppel führt die graue Linke") vom 21.11.2011 - also von heute. Heute? Es ist zur Stunde 1.45 Uhr - die Zeitung liegt noch gar nicht in den Briefkästen. Sie ist aber online schon zu lesen.
Kießling stört sich in seinem Blogeintrag ("Nicht ganz korrekt") an einer Stelle aus der "Sächsischen Zeitung". Deren Autor hat sich einen Satz aus Kießlings Rede herausgegriffen und diesen - zumindest vermeintlich - eingeordnet. In der "SZ" ist über Kießlings Rede zu lesen:
"Er erinnert an das erstmalige Singen der DDR-Nationalhymne bei der NVA und erklärt, dass früher ja nicht alles schlecht war. 'Vieles von dem, was da zurückgelassen wurde, ist ein Verlust.'"
Eine Verknappung, mag man meinen, wie sie im Journalismus üblich und auch erlaubt ist - wobei, Moment: Hat der neue Linke Stadtverbandsvorsitzende wirklich das Singen der DDR-Nationalhymne bei der NVA als Verlust bezeichnet?! Ein starkes Stück!
Das mag auch Kießling nicht so stehen lassen. Er schreibt in seinem Blog, er habe von einem konkreten Erlebnis, als er selbst noch bei der NVA war, berichtet. Und:
"Daraus habe ich den Gedanken entwickelt, dass für alle, die alt genug waren, die Wende schon bewusst zu erleben, immer zwei Impulse vorhanden sind: Freude über das Überwundene, Hoffnung auf eine bessere Zukunft UND Bedauern über das Zurückgelassene. Und ich habe meine Partei dafür gelobt, dass hier beide Aspekte miteinander besprochen werden können... (...) Ich denke, den Beifall der Genossinnen und Genossen habe ich für diese Gedanken erhalten. Nicht für eine simple Verklärung der Vergangenheit."
Ich will mit diesem Blogeintrag sicher nicht die Linken verteidigen oder bewerben. Mir geht es um etwas anderes: Vor 5 oder 10 Jahren hätte Kießling den "SZ"-Beitrag so stehen lassen müssen - ein wütender Anruf oder Leserbrief wären seine einzigen Möglichkeiten gewesen. Jetzt nutzt er seine eigenen Kanäle, die aus seiner Sicht falsche nicht ganz korrekte Darstellung der Zeitung zu kommentieren.
Das bringt mich zu meinem Seminar zurück: Im Sinne der Demokratie, im Sinne der Meinungsvielfalt sind die "neuen" Möglichkeiten alles andere als überflüssig oder Zeitverschwendung. Im Gegenteil, sie schaffen ein Mehr an Informationen und damit Klarheit und Verständnis. Wenn man sie richtig zu nutzen weiß.
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