Am kommenden Montag tagt erstmals seit dem Rücktritt von Udo Reiter der MDR-Verwaltungsrat. In verschiedenen Zeitungen war bereits zu lesen, dass man sich in der Sitzung am 20.6.2011 auf ein Verfahren festlegen werde - eine öffentliche Ausschreibung des Intendantenposten sei nicht zwingend erforderlich, wird der Verwaltungsratsvorsitzende Gerd Schuchardt zitiert.
Bei dem siebenköpfigen Gremium unter Leitung des Universitätsrats der FSU Jena liegt das Vorschlagsrecht für den neuen Intendanten (MDR-Staatsvertrag, § 26 Aufgaben des Verwaltungsrates). Der wesentlich größere Rundfunkrat mit seinen 43 Mitgliedern hat den Kandidaten dann mit einer Zweidrittelmehrheit zu bestätigen. In § 30 des Staatsvertrags heißt es: "Die Wahl erfolgt spätestens sechs Monate vor Ablauf der Amtszeit, bei vorzeitigem Ausscheiden unverzüglich spätestens innerhalb von sechs Monaten."
Aber warum so lange warten?
Derzeit kursieren im Senderumfeld wilde Gerüchte, dass sich der Verwaltungsrat schon in dieser Sitzung am kommenden Montag (20.6.2011) auf einen Kandidaten festlegen könnte. Der könnte dann noch vor der Sommerpause im Rundfunkrat abgestimmt werden. Das hätte durchaus Vorteile: Beispielsweise verzichtet man auf eine monatelange öffentliche Diskussion, in der Kandidaten - und damit gleich die öffentlich-rechtlichen Strukturen und der große Einfluss der Politik - öffentlich diskutiert und damit vielleicht weiter diskreditiert werden (könnten). Man könnte außerdem unter Umständen den einen oder anderen Rundfunkrat von dem EINEN Kandidaten überzeugen (also überrumpeln), weil es ja auch ein Zeichen der Schwäche wäre, wenn der Rundfunkrat sich in diesem Punkt nicht schnell verständigen könnte.
Tatsächlich: An keiner Stelle steht, dass der Verwaltungsrat mehrere Kandidaten vorschlagen muss. Im Verwaltungsrat ist eine Zweidrittelmehrheit nötig, um einen Kandidaten zu nominieren. In dem Gremium dominieren die Konservativen, d.h. ein CDU-naher Kandidat hätte vermutlich realistische Chancen, so heißt es. Die weitere Gerüchte-Konstellation nennt hier gern Bernd Hilder, Chefredakteur der LVZ und favorisierter Kandidat (nicht nur) der Sächsischen Staatskanzlei (vergleiche zu Hilder als Kandidat den "Tagesspiegel" vom 14.5.2011: "Leipziger Lösung").
Alles Spekulation, sagen andere. Verwaltungsrat-Chef Schuchardt war in der "Süddeutschen Zeitung" mit den Worten zitiert: "Hektik ist nicht angesagt" und "entscheidend ist die Qualität" ("Süddeutsche Zeitung" vom 31.5.2011: "Rot und Schwarz"). Außerdem erscheint der Zeitraum doch insgesamt extrem kurz, um a. die konservativen Verwaltungsratsmitglieder so schnell zu überzeugen und b. dann bis zur Sitzung des Rundfunkrats am 4.7.2011 die nötige Zweitdrittelmehrheit dort zu mobilisieren.
Wobei die Gerüchtekonstellation zeigt: Der Medienjournalist ist schnell am Ende, wenn er nicht die passenden Quellen hat. Haben wir nicht.
Was wir wissen: Der Rundfunkrat besteht aus 43 Mitgliedern, dort sind Vertreter der unterschiedlichesten Gruppen und politischen Richtungen zu finden. Zu glauben, die Konservativen könnten mit wenig Aufwand einen Kandidaten aufstellen und durchdrücken, erscheint angesichts der unterschiedlichen Interessenslagen doch eher - mhm, drücken wir es freundlich aus - unrealistisch. Es muss ein Konsens-Kandidat sein.
Hoffen wir also, dass wir das Flurfunk-Intendanten-Wiki nicht umsonst angelegt haben. Montag wissen wir mehr.
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