Der Online-Kommunikationsberater Alexander Hesse meint, die Sächsischen Lokalradios hätten bei der Kommunikation des vorzeitigen Aktionsendes der "Wetterkinder" einige Möglichkeiten vergeben. Ein Gastbeitrag.
In den vergangenen Wochen wurde bei den lokalen sächsischen Radiosendern, u.a. bei Radio Dresden, wieder einmal die beliebte Aktion der "Wetterkinder" beworben. Dabei konnten Kindergärten mit der Einsendung von Bildern zum Thema Wetter ein Sommerfest für den gesamten Kindergarten gewinnen.
Kurz vor dem Finale der Aktion, die Internetnutzer durften per Facebook-"gefällt mir" ihre Stimme für den Gewinner abgeben, wurde die Aktion ziemlich abrupt und lediglich mit einem kurzen Kommentar beendet.
Von Seiten der Sender war die Rede von "massiver Manipulation" durch nicht näher erläuterte Methoden. Schnell machten sich die enttäuschten Eltern in den Kommentaren Luft. Die Facebook-Fanseiten von Radio Dresden und Radio Leipzig waren mit jeweils über 120 Kommentaren die wohl am stärksten frequentierte Anlaufstelle für den Frust der teilnehmenden Eltern.
Noch am gleichen Abend setzte sich Flurfunk Dresden mit diesem Thema auseinander und kontaktierte dazu den Unternehmenssprecher der Senderkette. In diesem Zusammenhang wurde das Vorgehen der Manipulation genau erklärt und darauf hingewiesen, dass ein Abbruch zu diesem Zeitpunkt die beste Lösung gewesen sei. Warum dies gegenüber einem Medienblog geschah und nicht direkt dort, wo das Thema in diesem Moment präsent war, ist nur ein Punkt, den man in einer Kommunikationsstrategie optimaler hätte planen und umsetzen können.
Betrachtet man das Vorgehen der lokalen Radiostationen und der Senderverantwortlichen, wird schnell klar, dass hier ein klassisches Medium wieder einmal vor dem Dilemma steht, die neuen Kommunikationswege nicht verstanden zu haben und diese wahrscheinlich auch nicht zu schätzen.
Diese Einschätzung wird noch deutlicher wenn man sieht, wie die Kommunikation und der Dialog in jener Situation versagte. Einzig eine kurze Erklärung auf der Website der Radiosender wurde auf der Facebookseite, immerhin der zentrale Ort der Abstimmung, verlinkt. In den jeweils über 120 Kommentaren schaffen es sowohl Radio Dresden als auch Radio Leipzig, ganze vier standardisierte Antworten zu posten. Auch viele weitere negative Pinnwandpostings werden der aufgebrachten Community kommentarlos überlassen.
Wie schon bei Pril, Nestle und vielen anderen aktuellen Beispielen finden sich die Radiosender hier in einer hausgemachten Situation der Krisenkommunikation wieder. Wie kommt es zu dieser Situation:
- Den Hörern/Nutzern wird ohne Vorwarnung das Recht der Mitbestimmung genommen und damit auch die engagierte Arbeit der letzten Tage quasi kommentarlos entrissen.
- Ein Hinweis auf Manipulation ohne jegliche Erklärungen bietet schnell Spielraum für Spekulationen und Meinungsbildungen --> man überlässt die Meinungs- und Beurteilungshoheit den verärgerten Nutzern.
- Man geht auch nach über 100 Kommentaren nicht auf Augenhöhe mit den Nutzern in den Dialog, sondern setzt bei allen Lokalsendern die gleichen Antwortpostings.
- Man verpasst die Chance einer authentischen Entschuldigung und Aufklärung und nimmt dafür die vor vollendete Tatsachen gestellten und verärgerten Eltern in Kauf (eine solche Community von verärgerten und engagierten Usern, sollte man nicht unterschätzen)
- Eine weitere wichtige Rolle spielt der Faktor Zeit. Wie im Falle von "McNeil Consumer Healthcare" in Philadelphia vor einigen Jahren, die es "über Nacht" mit einer aufgebrachten Menge von jungen Müttern in sozialen Netzwerken zu tun bekam (Artikel BrandEins 02/2009). Man gewinnt den Eindruck, dass die lokalen Radiosender auch in diesem Fall auf Zeit spielen. Mit der Verlegung der Auslosung nach Pfingsten, hofft man die Gemüter über das lange Pfingstwochenende beruhigen zu können. Motto: so etwas regelt sich schon von alleine.
Über die Auswirkungen dieser Situation wird wahrscheinlich weniger intensiv nachgedacht. So schleicht sich das Thema anschließend immer wieder in die Kommentare der kommenden Postings der Radiosender auf Facebook ein. Weitere negative und aufgebrachte Beiträgen verfestigen den negativen Eindruck der Aktion an den Pinnwänden der lokalen Radiosender. Der Ruf dieser beliebten Aktion wird auf lange Zeit in den Köpfen der Beteiligten beschädigt sein.
Aus Sicht des Marketings gehen die Auswirkungen der verpassten Kommunikationsarbeit und die entsprechenden Reaktionen aber auch über den sozialen Aspekt der Aktion hinaus. Welcher Sponsor möchte in Zukunft ein Gewinnspiel unterstützen, welches bei den potentiellen Kunden auf eine negativ vorbelastete Grundeinstellung trifft?
Nun darf man denken, diese 2.500 Facebookfans haben doch gar kein Gewicht. Die Auslosung wird am Dienstag von einigen mehr Hörern im Radio verfolgt werden. Die große Masse der Radiohörer wird doch gar keine Notiz von dieser Protestaktion nehmen. Doch dieser Gedankengang ist im Hinblick auf eine sich verändernde Mediennutzung, in der es nicht mehr das eine Leitmedium gibt, genau der falsche. Die engagierten Teilnehmer der Aktion werden sich nicht nur direkt in den Kommentaren Luft verschaffen. Sie haben auch einen Facebook-Freundeskreis, der direkt oder indirekt von diesem Gewinnspiel mitbekommen wird. Es gibt außerdem eine Vielzahl Unbeteiligter, die sich auch ohne Hintergrundinformationen mit nur diesem Einblick ihre eigene Meinung zum Radiosender bilden.
Letztlich wird es doch die Hörer erreichen. Online- und Offline-Mundpropaganda werden das Thema auch in Zukunft am Leben erhalten. Die schon im ersten Schritt verpasste Aufklärung und nutzernahe, authentische Kommunikation wird sich dann erst richtig auswirken.
Wie kann man in solchen Situationen also bestmöglich auf Kritik oder negative Meinungsbildung eingehen:
- Schnelligkeit/Reaktion zeigen
Eine Reaktion darf nicht überstürzt werden, muss aber zeitnah und offen kommuniziert werden. - Themen und Nutzerreaktionen ernst nehmen
Zuhören ist der erste Schritt um eine angemessene Reaktion auf Feedback zu formulieren. - Konfrontation vermeiden
Es ist wichtig Ruhe zu bewahren und im richtigen Kontext und im richtigen Tonfall zu reagieren. - Authentische und transparente Kommunikation auf Augenhöhe/Aufklärung
Ein offener, ehrlicher und vor allem menschlicher Dialog kann Unmut ab- und Vertrauen aufbauen. - Sich nicht überraschen lassen
Schon im Vorfeld kann ein strategisches Vorgehen für solche Situationen in die Kommunikationsplanungen einfließen.
Eine transparente Aufklärung der Manipulationsvorwürfe und eine persönliche Entschuldigung für die kurzfristige und notwendige Entscheidung hätte nicht nur die Brisanz aus dem Thema genommen, sondern auch ein positives Zeichen in Richtung der zahlreichen Facebook-Fans gesetzt.
Nachtrag (14.06.2011, 22.41 Uhr): Auf den Webseiten der sächsischen Lokalradios wurden die Gewinner nun mit "Videobeweis" aus dem Lostopf gezogen. Unter dem Beitrag (Beispiel Radio Dresden), der bisher nur direkt auf den Webseiten zu finden ist, gibt es ein Statement der Sender "In eigener Sache". Leider ist diese Erklärung so platziert, als ob man das lästige Kleingedruckte (in grauer Schriftfarbe und mind. eine Schriftgrößen kleiner als der eigentliche Artikel) lesen müsste. Ob die Auslosung live im Radio lief ist nicht bekannt. Auf jeden Fall ist hier auch eine zweite Chance der Schadensbegrenzung und des authentischen Dialogs vergeben worden.
Der Autor Alexander Hesse arbeitet als selbstständiger Berater zu den Themen Onlinekommunikation und -marketing.
Juni 14, 2011
Sehr guter Beitrag, Hobbes. Mich wundert nach wie vor, wieso es immer die billigste Lösung sein msus (es gibt genug preiswerte Apps, bei denen man nicht bescheissen kann) oder wenn schon kostenlos, dann ein Voting-Tool wie Facebook-Questions.
Dass aber vor allem der Dialog fehlt, dann hat man wirklich vieles falsch verstanden.
Juni 14, 2011
Sehr guter Beitrag. Leider verfolgt das Team der sächsischen Radios gnadenlos ihr Konzept. Sie rücken weder von ihrer Fehlentscheidung ab, noch kommunizieren sie mit den gehörnten Teilnehmern der Umfrage.
Juni 14, 2011
richtig toller beitrag!!!!
leider ist radio leipzig auch nicht von seinem standpunkt abgewischen und versucht nun mit einer "stellungnahme" (schrift halb so groß wie der rest!!!) es zu erklären. ich kann dagegen immernoch nicht nachvollziehn wie eine persohn einen link innerhalb 1min 120mal teilen,löschen und wieder von vorn schaffen soll. die erstplatzierte kita ist bei den anderen usern natührlich unter verdacht geraten (auch wenn radio leipzig sie nicht unter "generalverdacht" stellt)und das verursacht natührlich einen schlechten ruf! wie rufschädigend das für die kita am ende ist wird sich noch rausstellen. fest steht radio leipzig (auch alle anderen sähsischen regionen) handelte ohne vorher zu überlegen!