Kommentar: Weshalb Twitter & Co. den Journalismus nicht ersetzen

Von 8 , ,

Tweet von Donnerstagabend, gegen 23 Uhr

Ein vorzeigbares Beispiel, warum Twitter den Journalismus nicht ersetzt, spielte sich von gestern auf heute in meiner Timeline ab. Gegen 23 Uhr taucht der Tweet oben auf. "Oh, da ist ein stadtbekannter Club ausgebrannt!", denke ich so.

Heute früh lese ich - ebenfalls bei Twitter, ebenfalls bei der gleichen Person:  Alles halb so wild!

Tweet von Freitagmorgen, ca. 6.30 Uhr

So banal das Beispiel jetzt auch sein mag, es zeigt, in welchem Dilemma wir gerade stecken: Twitter verändert die Medienbranche, weil es so verdammt schnell News in die Welt verbreitet. Wohl jeder kennt das Beispiel vom Hudson-River, als ein Airbus A320  notlanden musste und ein Twitter-Bild schneller als alle anderen Medienmeldungen um die Welt ging.

In den vergangenen Tagen waren auch Überschriften zu lesen wie diese: "Todes-Schlag gegen Osama live bei Twitter". Totaler Unsinn, wenn man sich genauer damit beschäftigt - besagter Mensch, der von Schüssen und Hubschraubern twitterte, wusste schließlich nicht, über was genau er da "berichtete".

Es gibt aber noch ein Beispiel, dass sehr nachdenklich macht und direkt Dresden betrifft: Konkret geht es um den 19. Februar 2011, als hier in der Stadt anlässlich des Neonazi-Aufmarsches die Barrikaden brannten. Es gab - und das war bei Twitter und Co. nicht zu lesen - durchaus eine ganze Reihe verletzter Polizisten. Einer, so heißt es, soll so schwer verletzt gewesen sein, dass mitten am Tag für gut 20 Minuten unklar war, ob er vielleicht seinen Verletzungen erlegen sei.

Man stelle sich das vor: Was wäre eigentlich los gewesen, wenn über Twitter oder einen anderen Medienkanal die Falsch-Meldung herausgegangen wäre, dass es bei den Krawallen vermutlich einen toten Polizisten gegeben hat?

Ich habe auf meinen Kommentar über die Berichterstattung zum 19. Februar 2011, in dem ich besonders die Online-Live-Ticker von SZ-Online und taz-Online gelobt habe, mehrfach die Rückmeldung bekommen, die beiden Ticker seien im Schnitt 20 bis 30 Minuten langsamer gewesen als wenn man Twitter mitgelesen hätte. Manchmal braucht es eben seine Zeit. Peter Stawowy

Lesehinweis: Sascha Lobo hat es in seiner wöchentlichen SPON-Kolumne sehr schön aufgeschrieben - dringende Leseempfehlung: "Im Netz der Besserwisser".

Nachtrag: Und hier gleich noch das wunderschöne Steilvorlage, die zeigt, dass Twitter dem Journalismus aber auch nicht schadet:

8 Kommentare
  • AntonLauner
    Mai 6, 2011

    Naja. Die Info habe ich aber auf ganz klassischem Wege "per Telefon" verifiziert ...

    Übrigens: http://twitter.com/#!/szonline/status/66266516160651265

    Twitter und Co. sind dann sinnvoll, wenn man sie als das nutzt was sie sind: Tippgeber.

  • Böhler
    Mai 6, 2011

    Mein Reden..

  • Steffen
    Mai 6, 2011

    Es ist vielleicht weniger die Schnelligkeit des Mediums, sondern sowieso immer eine Frage, wie viel ich auf eine Quelle gebe. Ich selbst hätte Sebastian auch geglaubt, wenn ich das mitbekommen hätte. Nicht weil ich Twitter vertraue, sondern weil ich ihn kenne und die Erfahrung gemacht habe, auf seine Aussagen, Hinweise und Meinungen bauen zu können. Ich gehe mal davon aus, dass das dir genauso geht und du deswegen so erschrocken bist.

    Fairerweise muss man außerdem sagen, dass die Frage nach der Quelle für alle Medien gilt und ich denke dir fällt auch sofort ein Beispiel ein, wo Berichterstattungen in Print, TV oder Radio auch übertrieben haben und ein falsches Bild vermittelt haben.

    Der Satz "Konkret geht es um den 19. Februar 2011, als hier in der Stadt anlässlich des Neonazi-Aufmarsches die Barrikaden brannten." dampft auch ein Ereignis auf ein Bild zusammen, das so wohl eher nicht stattgefunden haben wird. Ich selbst war nicht vor Ort, kann mich aber in dem Zusammenhang auch an ein Video erinnern, wo man eine ganze Scharr Fotografen sieht, wie sie sich bemühen eine brennende Mülltonne in Szene zu setzen. Leider finde ich das Video gerade nicht, vielleicht kann da ja jemand aushelfen.

  • Sebastian
    Mai 6, 2011

    Was hab ich da jetzt angerichtet? :-)

    Kurz zur Erklärung des konkreten Anlasses: Ich habe die Aussage "Das Lofthouse ist platt" eines Menschen, dem ich traue und der vor Ort war, offenbar schlichtweg zu harsch interpretiert. Das Wort "wohl" als Abmilderung macht diese eventuell nicht deutlich genug!

    Übrigens sind sich aber die Beteiligten über das Ausmaß der Brandfolgen noch unklar.

    Wie schreibt Jan im Blog: "die Löscharbeiten waren gestern Abend zwei Löschzüge und 38 Einsatzkräfte vor Ort, nach etwa einer Stunde hatten die Feuerwehrleute den Brand unter Kontrolle. Die Höhe des Schadens ist noch unklar."

    Ein brennendes Sofa war es also auch nicht! Es wird also ein Mix ein aus "ausgebrannt" und "kleines Feuer".. Nächstes Mal lass ich mir Fotos schicken, bevor ich was verbreite :)

    Und vielleicht stimmt das ja auch allgemein? Die Wahrheit liegt immer in der Mitte? :-)

    Den Beitrag von Sascha Lobo finde ich übrigens sogar wirklich sehr gut. Oft ist das ja anders. Allerdings hoffe ich auch, dass er das als Anlass nimmt, nicht mehr in Talkshows aufzutreten, bei denen es gut wäre, wenn echte Experten anwesend wären! :-)

    PS: Natürlich (!!) kann Twitter Journalismus nicht ersetzen! Aber der "Flurfunk" (Twitter) war schon immer eine extrem wichtige Quelle :-)

  • stefanolix
    Mai 6, 2011

    Es war IIRC ein Foto, auf dem zu sehen war, wie Journalisten eine bereits verlassene brennende Barrikade fotografiert haben. Dort gab es zu diesem Zeitpunkt augenscheinlich keine Auseinandersetzungen zwischen Linksextremen und der Polizei.

    http://www.sehnsuchtsort.de/?attachment_id=2305

    Aber bei diesem In-Szene-Setzen ist ja kein Bild entstanden, das die Ereignisse am 19. Februar dramatisiert. Im Gegenteil: es gab viel schlimmere Straftaten als das Anzünden von Mülltonnen (obwohl durch das Abbrennen auch materielle Schäden entstanden sind).

    So kann man den Journalisten allenfalls vorwerfen, dass sie weitab vom gefährlicheren Geschehen ein Bild von der Atmosphäre des 19. Februar inszeniert haben. Aber sie haben kein Bild inszeniert, auf dem Straftaten zu sehen sind, die an diesem Tag gar nicht begangen wurden.

  • Alex
    Mai 6, 2011

    Ich hab manchmal das Gefühl, dass sich alle vernünftigen Menschen doch eigentlich längst drauf geeinigt haben, dass Twitter und Co nix ersetzen und dass es auch gar nicht darum geht. Es geht nur um eine Veränderung - und die ist ja wohl normal. Wem müssen wir das eigentlich noch ständig erklären?

  • owy
    Mai 6, 2011

    Alex, das ist eine Branchen- oder auch Netz-Innen-Ansicht! Ich habe in den vergangenen Wochen sehr viele Menschen - teilweise in Kommunikationsverantwortung - getroffen, die noch ganz am Anfang dieser Diskussion stehen... Aber auch von der anderen Seite (steht ja im Text) hört man Argumente, die solche Texte nötig machen: Twitterer, die einem erklären, dass die "alten" Medien viel zu langsam sind...

  • Sebastian
    Mai 12, 2011

    Was mir dazu noch einfiel. Auch wenn die "alten" Medien langsamer waren, so habe ich doch mit dem Tsunami in Fukushima Twitter abgeschaltet. Zu unqualifiziert, zu doof, zu geil auf eil waren da viele, die ich eigentlich für hoch intelligente Leute halte. Das war nicht auszuhalten und daher hatte ich den Fernseher laufen und den Ticker auf SPON (altes oder neues Medium?) und habe mich von meiner timeline ferngehalten.

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