Die Wände sind mit lila Samt ausgeschlagen, von den Rängen funkelt und glitzert es und die Klimaanlage hat mächtig zu tun, gegen den süßlich-muffigen Geruch anzukämpfen: Der Berliner Quatsch Comedy Club wirkt als Kulisse der ersten Co:funding auf den ersten Blick wie die überdimensionierte Schmuckschatulle einer älteren Dame. Doch der Sub-Konferenz der re:publica kommt die entspannte Diskokugelstimmung durchaus zu Gute und lässt auf wenig Raum viel Platz für das Stichwort der Stunde: „Community“.
Es geht von Mund zu Mund und wandert im Laufe des Tages einmal durch den ganzen Saal. Gemeinschaft ist der Geist der „Co:funding“, die am 15.4.2011 die dreitägige Bloggerkonferenz in der Hauptstadt beendete.
Wer, wie, was, warum und vor allem: lohnt sich das?
Die von der Plattform Startnext initiierte Konferenz beschäftigte sich mit dem Thema des hierzulande noch recht unbekannten Crowdfunding, eine Art der Finanzierung für kulturelle, innovative oder soziale Projekte mithilfe der Internetgemeinde.
Das Prinzip dahinter ist simpel: Fehlt etwa einem Musiker der eine CD produzieren möchte das nötige Geld dazu, stellt er sein Vorhaben auf eine Internetplattform, auf der er es bewerben kann. Er mobilisiert nun seine Familie, Freunde und Fans, die ihm über die website einen Betrag ihrer Wahl zukommen lassen können. Im Gegenzug erhalten sie nach Realisierung des Projekts eine Prämie - im Falle des Musikers könnte das eine handsignierte CD sein. Wird die benötigte Summe innerhalb eines selbst festgelegten Zeitrahmens erreicht, erhält der Musiker das Geld und kann seine CD aufnehmen. Nach erfolgreicher Beendigung seines Projekts verschickt er die Dankeschöns an seine Unterstützer.
Seit Oktober vergangenen Jahres ist mit den ersten deutschen Crowdfunding-Plattformen das Thema auch hierzulande angekommen. Die co:funding möchte nun dazu beitragen, die Diskussion um diese Finanzierungsmöglichkeit als Alternative für kreative Projekte anzuregen und weiterzuentwickeln.
Jörg Eisfeld-Reschke, Gründer des Institut Kommunikation in sozialen Medien ikosom, klärt zum Einstieg ins Konferenzthema die grundlegende Frage: "what the fuck is crowdfunding?" Die Freiheitsstatue soll demnach eines der ersten schwarmfinanzierten Projekte der Geschichte sein!
Neuen Schwung bekommt die Idee aber erst in Zeiten sozialer Netzwerke. Und so erklärt Eisfeld-Reschke Crowdfunding in Deutschland zu einem kleinen Pflänzchen, das erst noch gedeihen muss.
Laut einer ersten Studie des "ikosom" haben hierzulande bisher 57 Projekte die Finanzierungsphase abgeschlossen – 30 davon erfolgreich. Die erreichten Summen lagen dabei zwischen 90 und 8.000 Euro. Bei den 27 erfolglosen Projekten sieht Eisfeld-Reschke das Defizit bei den Initiatoren selbst: „Man muss wissen, das Crowdfunding kein Selbstläufer ist. Wer seine Unterstützer nicht durch gezielte Öffentlichkeitsarbeit mobilisieren kann, wird sein Projekt auch nicht über diesen Weg finanzieren können.“
Die "best cases", also bereits vollständig finanzierte Projekte, zeigen hingegen, wie man alles richtig macht. Vom Videospiel zum technisch ausgeklügelten Schwebestativ hat jede der fünf deutschen Crowdfunding-Plattformen (inkubato.com, startnext.de, pling.de, visionbakery.de und mysherpas.com) bis jetzt mindestens ein erfolgreiches Projekt zu verzeichnen. Einig sind sich die Sprecher vor allem bei dem Punkt, dass das Modell noch zu unbekannt ist. Die (noch) überschaubaren Erfolgsgeschichten geben jedoch Hoffnung, dass man mit Crowdfunding auf eine echte Alternative zu den herkömmlichen Finanzierungsmethoden gestoßen ist.
Der Journalist und die Crowd - Hype oder echte Alternative?
Erfolgsmodelle stellt auch der Programmpunkt „Freiwillige Bezahlmodelle für Inhalte im Netz“ vor. In einem Panel geht man der Frage nach, wie man die Finanzierung durch Social Payment und Crowdfunding auch für den schwächelnden Journalismus nutzen kann.
Für Podcaster Tim Pritlove ist das alles kein Problem, er ist eindeutig der Optimist der Runde. Das liegt wohl auch daran, dass für ihn die Finanzierung durch die Internetgemeinde bestens funktioniert: Bereits die Hälfte seines monatlichen Einkommens bezieht er aus dem Mikropayment-Dienst Flattr. Per Mausklick können ihn die Fans seiner Podcasts so unterstützen.
Positive Erfahrungen hat auch der Blogger und freie Journalist Richard Gutjahr gemacht. Er war Ende Januar dieses Jahres spontan nach Ägypten gereist, um dort live vom Tahrir-Platz zu bloggen. Finanziert wurde er dabei von der Internetgemeinde, die hinter ihm stand. Ein Paradebeispiel für funktionierendes Crowdfunding und dafür, dass das Publikum für Online-Inhalte die es interessiert, auch bereit ist zu zahlen.
Am Ende seines Aufenthalts im Krisengebiet stand für ihn ein leichtes Plus, das meiste Geld aber ging in die Kostendeckung. Als alleiniges Finanzierungsmodell funktioniert es seiner Meinung nach deshalb nicht. "Das System kam mir nur zu Gute, weil ich schnell war".
Auch die Medienjournalistin Ulrike Langer sieht neben den Chancen auch die Grenzen des durch die Community unterstützten Journalismus und betont die Notwendigkeit, sich auf Veränderungen einzulassen. „Die Medienmacher werden sich vielfältiger als früher auf einen ganzen Strauß von Modellen einlassen müssen. Was wir brauchen ist eine komplette Infrastruktur an Finanzierungsmethoden.“ Ihrer Meinung nach bezahlt die Internetgemeinde vor allem für Beständigkeit, Mut und eher für die persönliche Meinung als für den sorgfältig recherchierten Faktenbeitrag.
Das wirft die Frage nach dem Trend der zunehmenden Personalisierung auf. Wird der Journalist nun verstärkt zur Marke? Richard Gutjahr sieht darin gerade im normalen Tagesgeschäft keinen Grund zur Sorge: "Journalismus ist in erster Linie ein Handwerk. Nur die Leute, die es verstehen daraus Kunst zu machen, können letztlich zur Marke werden.“
Am Ende der Co:funding hat man das Gefühl, die Diskokugel über der Bühne hat ein wenig auf die lockere Atmosphäre der Konferenz abgefärbt. Es ist die Rede von win-win-Situationen, hybriden Welten, Fanbases und emotionalen Reality-Checks. Der überwiegende Teil der Besucher ist sich einig, dass Crowdfunding zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber ein großer Schritt in die richtige Richtung ist.
Das passende Schlusswort aber hat ein Zuschauer bereits um die Mittagszeit gegeben. In einer geradezu entflammenden Rede forderte er das versammelte medienaffine Publikum dazu auf, Brücken zu bauen. Brücken hinüber zu den Menschen, die Handys besitzen, auf denen das Farbdisplay noch keinen Einzug gehalten hat und ohne die das Crowdfunding ein Phänomen der wenigen bleiben könnte: „Macht weiter, die Energie ist großartig! Ihr müsst nur aus eurem eigenen Saft herauskommen.“ Stephanie Teistler
Nachtrag: Im Netz findet sich ein Video zur Co:funding 2011:
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April 28, 2011
Für alle die wissen wollen wie umwerfend professionell ich an diesem Tag aussah: Bei Minute 3:37 hinten rechts die mit dem blauen Schal. Filmangebote an die verlinkte Adresse oder über meinen Agenten ;)